Читать книгу Haushaltsnahe Dienstleistungen für Familien - Mareike Bröcheler - Страница 23

3.1 Familie heute: Lebensentwürfe junger Menschen

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Die Lebensentwürfe junger Menschen in Deutschland sind heute von einem Wunsch nach einer gelungenen Vereinbarkeit von Familie und Beruf und einer tendenziell partnerschaftlichen Verantwortungs- und Aufgabenteilung in Erwerbs- und Sorgearbeit geprägt. Ob als „Generation Y“36 oder als ,,pragmatische Generation“ bezeichnet, sind ihre Vorstellungen geprägt von einem deutlichen Schwerpunkt auf ein gelungenes Privatleben mit ausreichend freier Zeit für sich und die eigene Familie (vgl. Shell Deutschland Holding GmbH, TNS Infratest Sozialforschung 2015; Erfolgsfaktor Familie o. J.). Eine von Krisen und Unsicherheiten geprägte Gesellschaft bedingt gleichzeitig eine Skepsis gegenüber der Realisierbarkeit ihrer Vorstellungen: Etwa die Hälfte der in der Shell Jugendstudie37 Befragten hält eine gelungene Work-Life-Balance für schwer erreichbar. Die Jugendlichen befürchten, zukünftig neben dem Beruf zu wenig Freizeit und Zeit für Familie zu haben, was sich u. a. in einem leicht abnehmenden Kinderwunsch bei den jungen Männern und Frauen zeigt.38 Für viele junge Menschen ist der eigene Beruf zwar wichtig, eine Karriere jedoch nachrangig. Eine gelungene Vereinbarkeit hat oberste Priorität und spiegelt sich in Erwartungen an die Unternehmen wider: 97 % wünschen sich Arbeitgeber, die diese unterstützen und ermöglichen, allem voran durch flexible Arbeitsbedingungen, die eine Anpassung an die jeweilige persönliche Situation erlauben. Daneben stehen partnerschaftliche Leitbilder für die Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit, die idealerweise durch Teilzeitarbeitsmodelle für beide Eltern, die eine geteilte Sorgeverantwortung ermöglichen, realisiert werden. Dabei ist einerseits die wirtschaftlich eigenständige Existenz von Frauen für beide Geschlechter entscheidend, andererseits sehen sowohl Frauen selbst als auch Männer die Frauen in der Rolle der Zuverdienerin (vgl. Erfolgsfaktor Familie o. J.; Allmendinger, Haarbrücker 2013; Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2013; Shell Deutschland Holding GmbH, TNS Infratest Sozialforschung 2015).

Da die Familiengründung einen entscheidenden biografischen Übergang darstellt und Familien im Fokus dieser Arbeit stehen, lohnt es sich, ergänzend den Blick auf die Lebensentwürfe junger Eltern zu richten. Bei Paaren mit jungen Kindern dominiert zunächst ebenfalls das Ideal der Partnerschaftlichkeit, in dem (in etwa) gleiche zeitliche Anteile an den beiden Arbeitsbereichen Erwerb und Care angestrebt werden. Laut „Familien in Deutschland“ wünschen sich 60 % der Eltern mit Kindern unter drei Jahren eine gleichmäßige Arbeitsteilung, allerdings schaffen es nur 14 % diese zu realisieren (vgl. Müller, Neumann, Wrohlich 2013).39 In einer Studie zu „Familienleitbildern in Deutschland“ des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung40 geben jeweils über 90 % der Männer und Frauen an, dass sich beide Geschlechter gleichermaßen um die Kinder kümmern sollen. Gleichzeitig stimmen die Befragten sowohl der Aussage zu, dass auch Mütter berufstätig bleiben und ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit erhalten sollen, als auch der Forderung, dass diese nachmittags zu Hause sein sollen, um die Kinder zu betreuen und auch beim Lernen zu unterstützen. Die längerfristige, alleinige Konzentration auf Sorgearbeit wird hingegen als nicht zufriedenstellend eingeschätzt. Unterdessen verliert das Idealbild von Vätern als Alleinernährer der Familie heute deutlich an Zustimmung. Es wird hingegen eine aktive Beteiligung von Vätern an der Sorgearbeit eingefordert, die sich auch in einer Verkürzung ihrer Erwerbsarbeitszeiten ausdrücken soll. Die persönlichen Leitbilder der Befragten stimmen nicht immer mit den als gesellschaftlich wahrgenommenen Leitbildern überein, wobei Mütter und Väter oftmals versuchen, dennoch beiden Seiten gerecht zu werden. Beispiele hierfür sind der eigene Wunsch nach längerer Selbstbetreuung des Kindes gegenüber dem (frühen) beruflichen Wiedereinstieg bei Müttern, oder bei Vätern der individuelle Wunsch nach mehr Partizipation an der Sorgearbeit gegenüber den gesellschaftlich wahrgenommenen Erwartungen an den Mann als Familienernährer (vgl. Lück 2015; Diabaté 2015).41 Demgegenüber zeigt das Institut für Demoskopie Allensbach,42 dass sich etwa die Hälfte aller Eltern eine spezialisierte Aufgabenteilung wünscht, nach der die Mutter den Großteil der Sorgearbeit übernimmt (hier findet die institutionelle Betreuung junger Kinder wenig Zuspruch). Gleichzeitig jedoch wird eine längerfristige Übernahme dieser Hausfrauenrolle auch hier mehrheitlich abgelehnt (vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2015b). Die familiären Leitbilder scheinen sich damit – vom Ausgangspunkt eines traditionellen Familien- und Rollenbildes aus gesehen – zu modernisieren: Eine klar paritätische Aufgabenteilung gewinnt an Bedeutung, ist heute jedoch nicht als klar dominant auszumachen.

Die skizzierten Leitbilder werden gestützt von der empirischen Erkenntnis, dass Mütter und Väter heute oftmals mit ihren gelebten Arbeits- und Familienzeiten nicht zufrieden sind. Während Väter ihr aktuelles Erwerbsarbeitsvolumen meist reduzieren wollen (53 %), wünschen sich in Teilzeit erwerbstätige Mütter immer öfter eine Aufstockung (28 %). Diese Unzufriedenheit speist sich aus dem Gefühl der Zeitnot, die ein „zu wenig“ an Zeit für Kinder und auch Hausarbeit bedeutet (vgl. Destatis 2015a).43 Zwar findet sich auch bei kinderlosen Männern (mehr als die Hälfte) und Frauen (rund 50 %) heute immer öfter der Wunsch nach einer Arbeitszeitreduzierung; sobald sie jedoch Kinder haben, steigt dieser Wunsch bei den Männern deutlich an.44 Bei den Frauen zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang von Erwerbsumfang und entsprechenden Wünschen nach Reduzierung oder Erhöhung in Abhängigkeit vom Alter der Kinder. Das Vorhandensein eines Partners sowie ein höheres Alter der Kinder bedingen im Vergleich einen niedrigeren Stundenumfang bei der gewünschten Arbeitszeit. Zwar will die überwiegende Mehrheit der Mütter erwerbstätig sein, jedoch sinkt das gewünschte Erwerbsarbeitsvolumen mit steigendem Alter der Kinder ab – hier wird das Leitbild einer zwar erwerbstätigen Mutter, die nachmittags jedoch für die Betreuung ihrer (Schul-)Kinder zuständig ist, gezeichnet. Allen Modernisierungsdiagnosen zum Trotz, die eine steigende Erwerbstätigkeit junger Mütter sowie das Erstreben partnerschaftlicher Arbeitsteilungsmodelle herausstellen (siehe Exkurs), bleiben familiaristisch orientierte Vorstellungen von der Kinderbetreuung durch die Eltern bestehen: So sollten Mütter, nach mehrheitlicher Ansicht der befragten Frauen, erst wieder in Teilzeit erwerbstätig werden, wenn das Kind über drei Jahre alt ist, eine Vollzeittätigkeit hingegen erst ab einem Alter des Kindes von sieben Jahren anstreben.45 Zwar liegen der genannten Befragung Daten aus dem Jahr 2011 und damit vor dem flächendeckenden Ausbau der U-3-Betreuung zugrunde; damals kann sich jedoch gleichermaßen bereits eine deutliche Mehrheit (rund 60 %) aller Mütter mit Kindern unter drei Jahren eine externe Betreuung vorstellen (vgl. Lietzmann, Wenzig 2017).

Der Ausbau der Betreuungsplätze, insbesondere für Kinder unter drei Jahren, bringt ein stetig wachsendes Betreuungsangebot und eine noch höhere Nachfrage hervor.46 Auch wenn aktuell bereits viele Kita- und Krippenplätze als erweiterte Halbtags- oder auch Ganztagsplätze angeboten werden, fehlt es oftmals noch an Passgenauigkeit von Elternwünschen und Kinderbetreuungsangeboten in Stundenumfang, in ihren Öffnungszeiten sowie der flexiblen Handhabung derselben. Wenngleich sich die Situation insbesondere im Westen Deutschlands innerhalb der letzten zehn Jahre deutlich verbessert hat, können ein weiterer Ausbau und eine Flexibilisierung der institutionellen Kinderbetreuung zur Realisierung der Erwerbsarbeitswünsche von Eltern und insbesondere Müttern beitragen (vgl. Lietzmann, Wenzig 2017; BMFSFJ 2018b).

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