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3.1.1 Leitbilder für Frauen

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Gender bedingt als wesentlicher Bestandteil von Identität47, dass Mutterschaft für Frauen geprägt ist von wirkungsmächtigen Zuschreibungen, die ihnen neben der rein körperlichen Eigenschaft des Mutterseins diverse Aufgaben und Fähigkeiten als funktionelle Voraussetzungen von Fürsorge zuschreiben. So erfahren Kinder bereits im Heranwachsen immer wieder, wie etwa fürsorgliche Tätigkeiten nicht nur weiblich) sondern mütterlich attribuiert sind, und integrieren sie in ihre eigene Identitätsentwicklung (vgl. Krüger-Kirn 2016). Die im Selbstbild verankerten Normen und Vorstellungen wirken aus (tiefen)psychologischer Sicht in den Lebensentwürfen und Lebensrealitäten erwachsener Frauen weiter), die sie dann in möglicherweise konkurrierende Realitäten integrieren müssen. Die Bildungsexpansion und eine gesteigerte Erwerbsorientierung von Frauen bewirken seit den 1960er Jahren einen kontinuierlichen Wandel von weiblich konnotierten Leitbildern. Das Leitbild von der guten Hausfrau und Mutter (in Deutschland bis dato quasi untrennbar miteinander verbundene Funktionen) scheint zwar durch modernisierte Lebensentwürfe oder Paradigmenwechsel in der Familienpolitik (siehe Kapitel 3.3) überholt zu werden; tatsächlich jedoch wird in (West-)Deutschland immer wieder spürbar, dass etwa ein früher beruflicher Widereinstieg von Müttern oder deren Vollzeiterwerbstätigkeit nach wie vor keine volle gesellschaftliche Anerkennung erfahren. Dass dies ein Ergebnis sozialer, kultureller, ideologischer, historischer und politischer Einflüsse ist, wird im Vergleich mit anderen Ländern deutlich. So fördern etwa sozialpolitisch orientierte Wohlfahrtsstaaten (siehe Kapitel 3.2) ein weniger konfliktreiches Nebeneinander von Mutterschaft und Berufstätigkeit bei Frauen; ebenso ist die starke Erwerbsarbeitsorientierung von Müttern in Frankreich hegemoniales Leitbild mit einer langen Tradition. Die Unterschiede in den Betreuungsbedarfen und der Betreuungsinfrastruktur in Ost- und Westdeutschland repräsentieren ebenfalls die nach wie vor wirksamen, unterschiedlichen Rollenbilder für Mütter in Ost und West. So ist die negative Konnotation von (ganztags) erwerbstätigen Müttern mit dem Stempel als „Rabenmutter“ in Westdeutschland präsenter als in Ostdeutschland, wo dem frühen beruflichen Wiedereinstieg und der Vollzeiterwerbstätigkeit von Müttern auch nach dem Ende der DDR eine größere Selbstverständlichkeit zukommt. Die Sozialisation durch die Herkunftsfamilie beeinflusst das später wahrgenommene Leitbild für die eigene Mutterrolle und wird insbesondere durch das von der eigenen Mutter gelebte Arbeitsmodell geprägt. Diese Sozialisationseffekte erklären daher – sogar ungeachtet infrastruktureller Determinanten – das Fortbestehen einer hohen Berufsorientierung bei ostdeutschen Müttern. Die Präsenz verschiedener Leitbilder soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Milieustrukturen deutliche Tendenzen in den präferierten Lebensentwürfen aufzeigen. Dies wird deutlich in der Dominanz traditionellerer Lebensentwürfe (dem Leitbild der „guten Hausfrau und Mutter“ entsprechend) bei Frauen in traditionellen Milieus48, während egalitäre Leitbilder in moderneren (Leit-)Milieus zugänglicher sind (vgl. Kortendiek 2010; Badinter 2011; Allmendinger, Haarbrücker 2013; Rupp 2013; Diabaté 2015; Krüger-Kirn 2016; Wippermann 2016).

Junge Frauen sind heute daher oftmals gezwungen, sich mit ihren individuellen Entscheidungen und Lebensverläufen zwischen den Leitbildern der wirtschaftlich selbstständigen und beruflich erfolgreichen Frau einerseits und der guten, fürsorglichen Mutter andererseits verorten zu müssen.49 Eine Kombination von beidem, durch eine erfolgreiche Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird zwar vielseitig propagiert und durch neue Leitbilder etwa der partnerschaftlichen Vereinbarkeit (vgl. BMFSFJ 2015) untermauert, lässt eben jene Rollenbilder jedoch nicht automatisch verschwinden – weder aus dem kollektiven noch dem individuellen Wertekanon.

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