Читать книгу Schweigen über Köln - Maren Friedlaender - Страница 8
Die Filiale
ОглавлениеDer Biturbo heulte auf. Gummi verbrannte auf dem Asphalt der Hauptstraße. Wie eine Rakete schoss der Audi A6 auf die Sparkassenfiliale in Langerwehe zu. Mit einer Vollbremsung kam er zum Stehen. Der Motor schnurrte im Leerlauf. Eine maskierte Person sprang heraus. Der Typ trug eine Heckler & Koch MP 5, schwarze Jacke, Turnschuhe, Jeans. Der erste Feuerstoß verwandelte die Deckenverkleidung in ein Millionenpuzzle. Der zweite Feuerstoß erwischte die Thermoskanne des Filialleiters, der Beruhigungstee beruhigte nun Kontoauszüge, die Titelseite der Lokalzeitung und die Tastatur eines Computers. Frau Wamich, 45 Jahre im Dienst der Girokonten, zuckte zusammen, fiel in Ohnmacht. Auszubildender Willi Kuckertz behielt die Nerven, erreichte aber nicht den Alarmknopf.
»Alles einpacken. Zacki, zacki!« Der Maskierte fackelte nicht lange. Bankangestellte Marlene Rosarius griff alle Scheine aus der Kasse und steckte sie in die Plastiktüte. »Zeitschloss. Mehr kommt nur durch das Zeitschloss. Das geht nicht so schnell«, stotterte sie.
Filialleiter Egbert Laufenberg kam mit erhobenen Händen und einer Hose, über die sich der Morgenkaffee ergossen hatte, mutig auf den Maskierten zu.
»Was wollen Sie?«
»Saublöde Frage. Knete. Alles. Sonst gibt es hier Tote«, grunzte eine verstellte Stimme hinter der Maske.
»Folgen Sie mir.«
Egbert Laufenberg hatte mehrere Seminare zum Thema Überfall durchlaufen. Oberstes Gebot: Ruhe bewahren. Die Realität sah anders aus. »Ruhe bewahren«, ratterte es in seinem Kopf. »Personenschutz hat Vorrang. Geld herausgeben. Deeskalieren.« Für Laufenberg war es das erste Mal. Er machte seine Sache ganz gut, ging zum Tresor in Raum 003, öffnete ihn und verwies auf die Geldscheine in den abgepackten Klarsichtpaketen.
»Geht doch«, grunzte es wieder.
Alle Scheine verschwanden in Aldi-Plastiktüten. Frau Wamich wurde von Willi Kuckertz liebevoll versorgt. Die drei Frühkunden standen mit erhobenen Händen im Schalterraum und wagten keinen Mucks, keine Bewegung.
Der Spuk war nach zehn Minuten vorbei. Zehn lange Minuten. War ihm nie so bewusst gewesen, die Sache mit den langen Minuten. »Haben alle 60 Sekunden«, hatte Laufenberg immer geblödelt, wenn ihm Leute mit den langen Minuten kamen. Dieses waren die längsten seines bisherigen Lebens gewesen.
Der Biturbo heulte erneut auf. Die Reifen hinterließen schwarze Spuren. Der Audi jagte auf der Hauptstraße in Richtung A 4. Im selben Moment ging der Alarm bei der Polizei in Düren ein. Mehrere BMW verließen das Präsidium und rasten Richtung Langerwehe. Sie kamen zu spät. Der Audi A6 war bereits am Autobahnkreuz Aachen.