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Mushkil Gusha

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aus Persien

Es war einmal ein armer Brennholzsammler, der seine Familie recht und schlecht unter großen Mühen ernähren konnte. Eines Tages war er unterwegs, fand aber an allen seinen Klaubholzplätzen nur leergefegte Flächen. Er streifte immer weiter umher, betrat Gebiete, die er sonst als zu weit entfernt gemieden hatte, und gelangte schließlich auf eine weite, karge Ebene, auf der es dürre Dornensträucher gab.

„Das ist immerhin ein brauchbares Unterzündholz. Es ist wenigstens etwas und das Einzige, was ich derzeit finde“, dachte er sich und machte sich, ohne auf die Schrammen und Kratzer zu achten, ans Abbrechen und Sammeln der dünnen Zweige.

Als es dämmerte, packte er das Reisig auf seinen Rücken und wanderte nach Hause, wo er lange nach Einbruch der Dunkelheit müde ankam. Seine Frau hatte den Riegel schon vorgelegt und in der Hütte rührte sich nichts. Erschöpft sank der Brennholzsammler vor der Tür nieder und fiel in einen unruhigen Schlaf, aus dem er, von seinen Sorgen unsanft geweckt, vor Sonnenaufgang wieder auffuhr. Er rappelte sich auf, erblickte das dornige Holz, das er am Vortag gesammelt hatte, und beschloss: „Am besten gehe ich gleich wieder dorthin und besorge mehr.“

Bis zum Abend raffte er drei Bündel dornige Zweige zusammen und schleppte sie nach Hause. Aber weil der Weg so weit war, war es spät und die Tür verschlossen. Wieder schlief der Erschöpfte vor der Tür seiner Hütte, eilte frühmorgens los, kehrte spät zurück, saß da wie ein Häuflein Elend.

Da hörte er Pferdegetrappel näher kommen und hoffte auf einen Brennholzkäufer. Ein vornehm wirkender Mann kam daher geritten. Sie grüßten einander.

„Warum siehst du so bekümmert aus?“, fragte der Fremde freundlich. Da erzählte der Brennholzsammler eben das, was wir schon geschehen sahen.

„Mein Freund, ich will dir helfen“, sprach der Reiter. „Steig hinter mir aufs Pferd, sprich sieben Gebete und schließe deine Augen.“ Das tat der Brennholzsammler.

Zuerst waren ihm die Geräusche und Gerüche der Gegenden, durch die sie ritten, noch vertraut, aber dann erreichten neue, ihm unbekannte Reize Nase und Ohr. Der Fremde ließ das Pferd anhalten und sagte: „Jetzt sprich abermals sieben Gebete, öffne deine Augen und steig vom Pferd.“

Da stand der arme Mann auf dürrem Boden mit nichts als Steinen um ihn her. Der Reiter jedoch blickte aufmunternd auf ihn hinunter.

„Nimm!“, nickte er ihm zu und zeigte eine Geste, als höbe er Steine auf und steckte sie ein.

Der Brennholzsammler spürte die freundliche Absicht und wollte den wohlwollenden Mann nicht enttäuschen. Also füllte er seine Taschen mit Steinen. Von dem Fremden ermuntert nahm er mehr und mehr, bis die Taschen prall voll waren.

„Und jetzt steig hinter mir aufs Pferd, sprich sieben Gebete und schließe deine Augen.“

Sie ritten zurück. Der müde Mann erkannte heimatliche Geräusche und Gerüche. Sie hielten an.

„Öffne die Augen, sprich sieben Gebete und steig vom Pferd“, hörte er den anderen sagen.

Da stand er nun, die Taschen schwer, rundum die hageren Dornenholzbündel, die Hütte nächtlich versperrt.

„Von heute an“, sprach der Reiter, „wendet sich dein Schicksal. Erzähle jeden Donnerstag von dem, was dir heute widerfahren ist. Rufe Freunde und Verwandte zusammen, bewirte sie mit Datteln und Rosinen und erzähle ihnen von mir, von Mushkil Gusha und erzähle von dem Guten, das ich dir heute getan habe.“

Der Brennholzsammler nickte und winkte zum Abschied, während der freundliche Fremde seiner Wege ritt. „Ach Freund, was weißt du denn vom Leben der Armen. Wie sollte ich Datteln und Rosinen haben, geschweige denn verschenken können?“, dachte er.

Irgendetwas schien jedoch anders zu sein als zuvor. Der Brennholzsammler klopfte an die Tür seiner Hütte und rief nach seiner Frau. Sogleich wurde geöffnet. Sie umarmte, küsste und begrüßte ihn und fragte, wo er die ganze Zeit geblieben sei.

Sie stellte eine dampfende Schüssel mit magerer Suppe, die noch im Hause war, für ihn auf den Tisch und bat ihn, alles Geschehene zu erzählen. Als er sich setzen wollte, drückten die Steine in seinen Taschen. Er leerte sie unter den Tisch, zu müde, um den Riegel nochmals zu öffnen und sie nach draußen zu bringen. Sie gingen zu Bett und begrüßten einander wie Frau und Mann, die einander viel länger als drei Nächte vermisst haben. Dann schliefen sie zufrieden ein.


In der Nacht träumte der Brennholzsammler, er erwache und sehe die Hütte von einem seltsamen Licht erfüllt, mit allen Farben und geheimnisvollem Leuchten übergossen. Ihm war, als stehe er auf, suche die Ursache der Helligkeit und sehe, dass die Steine unter dem Tisch strahlten. Er träumte, auch seine Frau stehe auf und staunte mit ihm.

Als er am Morgen auf seinem vertrauten Lager erwachte, ließ er die Augen noch geschlossen, tastete nach seiner Frau.

„Guten Morgen, mein Lieber“, flüsterte sie. „Wie schön, dass du wieder da bist.“

„Ja“, seine Stimme war rau. „Du, ich hatte einen schönen Traum, seltsam aber schön: Ich stand in der Nacht auf und die Steine, die ich gestern unter den Tisch warf, um mich zu erleichtern, leuchteten wie Kostbarkeiten.“

„Wirklich?“, fragte seine Frau. „Ich habe das Gleiche geträumt.“

Da sprangen sie beide auf, gingen zum Tisch und fanden die Steine, leuchtend in allen Farben.

Die Tochter erwachte und freute sich mit ihnen über den schönen Anblick, noch mehr aber über die gesunde Rückkehr ihres Vaters.

„Vielleicht sind diese Steine nicht nur schön, sondern wirklich wertvoll. Vielleicht gefallen sie jemandem. Ich gehe in die Stadt und versuche, sie zu verkaufen“, meinte die Mutter.

So schlenderte sie durch die Straßen, schaute, in welchen Läden kostbare Steine lagen, wählte endlich einen Händler aus und hielt ihm einen mittelgroßen, grünen Stein entgegen. Dieser begutachtete ihn.

„Was gibst du dafür?“, fragte die Frau des Brennholzsammlers.

„Ein Goldstück“, bot dieser an.

Die Frau, die in ihrem Leben noch nicht mehr Bares als drei Kupferstücke zusammen gesehen hatte, sah ihn prüfend und tadelnd an. „Glaubst du, du kannst mich verspotten, nur weil ich in einfachen Kleidern vor dir stehe? Sag mir ehrlich, was der Stein wert ist“, forderte sie.

Da begutachtete er den Stein genauer, drehte und wendete ihn, hielt ihn gegen das Licht. „Also gut“, sagte er mit schiefem Lächeln, „zehn Goldstücke.“

„Du hast mich nicht verstanden“, sprach die Frau mit strengem Blick. „Verspotte mich nicht. Gib mir augenblicklich das, was dieser Stein wirklich wert ist, oder ich verkaufe ihn anderswo.“

Der Händler nahm den Stein unter Seufzen ein drittes Mal unter die Lupe und zählte hundert Goldstücke auf den Tisch.

Die Frau atmete tief durch. Dann nahm sie das Geld, nickte dem Händler zu und ging ihrer Wege. Sie kaufte Speisen für ein Mahl, wie es die Brennholzsammlerfamilie noch nie zuvor genossen hatte, ein neues Tuch für ihre Tochter, den besten Tee, Tabak für ihren Mann und etwas Baklava, das sie besonders liebte.

In der ärmlichen Hütte begann Schritt für Schritt ein anderes Leben. Jeden Tag verbesserten sie hier eine Kleinigkeit, kauften dort etwas Neues, beauftragten Handwerker mit Reparaturen, ließen einen Keller und einen Schuppen errichten und fügten Annehmlichkeit zu Annehmlichkeit.

Eines Tages sprach die Tochter: „Ich mag unsere Hütte und sie ist in der letzten Zeit wirklich schön geworden, aber wie wäre es, wenn wir in einem Palast wohnten? Ich habe beim Spazierengehen den Palast des Sultans gesehen. In so etwas lässt es sich sicher schön wohnen.“

Da nahm die Frau des ehemaligen Brennholzsammlers einige Steine und kaufte den Palast gegenüber dem des Sultans, der ebenfalls sehr prächtig war. Da lebte die Familie nun glücklich und in Freuden.

Zufällig ergab es sich, dass die Tochter des ehemaligen Brennholzsammlers der Prinzessin begegnete. Die beiden freundeten sich an, spielten im Schlosspark und im Palast und gingen im nahen Fluss an einer heimlichen Stelle baden.

So vergingen die Tage. Doch eines Morgens, weit vor der Zeit, zu der reiche Leute aufzustehen pflegen, polterte jemand grob an des ehemaligen Brennholzsammlers Tür. Er ging hin, öffnete und wusste nicht, wie ihm geschah. Denn er wurde ohne Erklärung von den Wachen des Sultans gepackt und auf dem Hauptplatz in den Pranger gesperrt.

Da stand er nun und verstand nicht, wie ihm geschehen war. Die Vorübergehenden würdigten ihn keines Blickes. Die Sonne stieg höher. Der arme Mann grübelte, denn sonst blieb ihm nichts zu tun: „In all den Jahren, in denen ich ein armer Brennholzsammler war, lebte ich ungestört und nie haben die Wachen des Sultans mich behelligt. Was mag bloß dahinter stecken? Nun, da ich ein reicher Mann bin, geschieht mir dies!“

Und er dachte daran zurück, wie er reich geworden war. Er erinnerte sich an die Dornensträucher, die seinen Rücken beim Tragen zerrissen hatten, an die Trübsal und die Sorge, dass er und seine Familie verhungern müssten. Dann fielen ihm der Reiter, die Gebete, der fremde Ort und die Steine ein. Er staunte über ihre Verwandlung und den Traum, der keiner gewesen war. „Wenn mein Wohltäter wüsste, wohin mich das alles geführt hat …“, dachte er, „ob er käme, um mich zu retten?“

Der Mann am Pranger seufzte. „Wie hieß er nur? Er hat es damals gesagt …“ Er murmelte vor sich hin: „Muki … shika … Shiku … Muka … Kasha … Mushki … Gusho … Gusha? Ja: Mushkil Gusha, das war es!“

Er war erleichtert, dass ihm der Name eingefallen war. In diesem Moment tauchte noch eine Erinnerung auf. „Datteln und Rosinen!“, rief er. „Als Brennholzsammler hätte ich sie mir nicht leisten können, aber dann ... Ach je! Ich sollte sie verschenken und seine Geschichte erzählen!“

In diesem Moment sah er zu seinen Füßen im Staub etwas funkeln. Es war ein Kupferstück. Er reckte und streckte sich und schaffte es mit großer Mühe, trotz des Balkens, der Hals und Hände hielt, sich hinunterzubeugen und das Geldstück in die Finger zu bekommen.

„Hallo“, rief er über den Platz, so laut er konnte und richtete sich auf, so gut es ging. „Ihr Leute, kommt und hört die Geschichte von Mushkil Gusha! Esst Datteln und Rosinen und lasst euch etwas Gutes erzählen!“

Aber keiner beachtete ihn, bis endlich ein Mann den Hauptplatz betrat, der unterwegs war, um ein Leichentuch für seinen Sohn zu kaufen, der im Sterben lag. Er dachte sich: „Der arme Kerl. Er scheint recht verzweifelt zu sein. Ich will ihm den Gefallen tun. Vielleicht ist das Allah wohlgefällig und er gewährt meinem Sohn einen guten Weg in der anderen Welt.“

Er ging hin, nahm das Geldstück entgegen, kaufte Datteln und Rosinen und lauschte der Erzählung des ehemaligen Brennholzsammlers. Nach und nach kamen weitere Zuhörende dazu, aßen die süßen Früchte und hörten, was dem Mann im Pranger widerfahren war, lange bevor er in diese Notlage geraten war. Sie fragten nach und jenen, die zuletzt gekommen waren, erzählten sie die Geschichte in ihren Worten, wunderten sich und fragten dies und das.

Auf einmal horchte der Mann, der das Leichentuch für seinen Sohn hatte kaufen wollen, auf. Die Stimme seiner Frau rief seinen Namen über den Platz. Er lief hin und erfuhr, dass sein Sohn wie durch ein Wunder auf dem Wege der Besserung sei und wohl bald wieder ganz gesund sein werde. Er eilte zu ihm.

Da begann der Brennholzsammler seine Geschichte noch einmal von vorn. Aber er kam nicht weit damit, denn die Palastwachen marschierten auf den Platz, sperrten die Schlösser des Prangers auf, verneigten sich vor dem Befreiten und teilten ihm mit, der Sultan werde ihm persönlich erklären, was geschehen sei. Er sei mit seiner Familie in den Palast eingeladen, solle sich aber erst nach Belieben zuhause erfrischen.

Der Sultan begrüßte die Nachbarsfamilie in aller Freundlichkeit und erklärte, was geschehen war: Der Erbschmuck der Tochter, eine kostbare Halskette, war auf unerklärliche Weise verschwunden. Der Verdacht war auf die Freundin der Prinzessin gefallen, da nur sie sich unbeobachtet in den Gemächern der Prinzessin aufhalten konnte. Man hatte sofort angenommen, ihr Vater, ein Mann von zweifelhafter Herkunft, habe sie zum Diebstahl angestiftet. Dann war der Wesir ein wenig voreilig gewesen. Kurz nachdem der Verdächtige an den Pranger gestellt worden war, hatte die Zofe der Prinzessin den Schmuck an einem Zweig beim Fluss gefunden. Dort hatte die Prinzessin ihn beim Baden hingehängt, damit ihm nichts geschähe, und hatte ihn dann vergessen.

Der Sultan entschuldigte sich in aller Form für die zugefügten Unannehmlichkeiten. Die Familien tranken auf gute Nachbarschaft und auf die Freundschaft der Töchter und dann verabschiedete man sich in aller Freundlichkeit.

Der Mann, der kein Brennholzsammler mehr war, lebte noch lange in Glück und Wohlbefinden, erzählte jeden Donnerstag die Geschichte von Mushkil Gusha und verschenkte dabei Datteln und Rosinen.

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