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Frauenkräuter einst und heute

Nahrungs-, Nutz- und Heilpflanzen begleiten den Menschen seit Anbeginn der Zeit. Ohne sie wäre kein menschliches Leben auf der Erde denkbar, wir hätten keine Luft zum Atmen, und unsere Tiere hätten kein Futter. Im Laufe der Jahrtausende haben unsere Vorfahren Erfahrungen mit unseren grünen Begleitern gesammelt, um überleben zu können.

Zu allen Zeiten waren es vor allem Frauen, die das Heilwissen ihrer Sippe hüteten. Die Ältesten reichten ihre Erfahrungen lange Zeit mündlich an die nächste Generation weiter. Den weiblichen Bedürfnissen entsprechend richteten unsere Vorfahren ihr Hauptaugenmerk darauf, mit den Pflanzen aus der nächsten Umgebung Wundinfektionen zu verhüten oder lebensbedrohliche Blutungen zu stillen. Überlebenswichtig war die Versorgung rund um Geburt und Stillzeit, und auch die Fortpflanzung musste gesichert werden. Jene Frauen, die über mehr Heilwissen als andere verfügten, Erfahrungen mit Geburten hatten oder Geheimrezepte zur Geburtenkontrolle kannten, wurden später als Hexen verfemt und verfolgt. Auf dem Scheiterhaufen der Inquisition verbrannte mit diesen weisen Frauen ein Großteil des damaligen Heilkräuter- und Verhütungswissens. Ein Teil der Erfahrungen mit den sogenannten »Mutterkräutern« konnte sich jedoch dank der Volksmedizin erhalten.

Die ursprüngliche Verwendung wie auch die Kräfte vieler Frauenkräuter spiegeln sich bis heute in deren Volksnamen wider: »Allerfrauenheil« (Frauenmantel), »Bauchwehkraut« (Schafgarbe), »Gebärmutterwurz« (Liebstöckel), »Kindsmacher« (Stinkender Storchschnabel), »Krampfkraut« (Gänsefingerkraut), »Mutterkraut« (Echte Kamille), »Weibernessel« (Taubnessel) sind nur einige Beispiele. Die alten Kräuterbücher des 16. und 17. Jahrhunderts sind wahre Schatztruhen frauenheilkundlicher Indikationen. Man stößt darin auf Hinweise wie: »leget das Grimmen der Beermutter« (wirkt krampflösend), »befördert die ehelichen Werke« (weckt die Liebeslust), »befürdert die verstandene Weiberzeit« (regt den Blutfluss an) oder »fürdert die Geburt und treibt das Bälgle« (erregt die Wehen und treibt die Nachgeburt aus). Weil viele Pflanzen antibiotische Kräfte in sich bergen oder sich auf andere Weise als hilfreich erwiesen, war der Einsatz von Heilpflanzen rund um die Geburt im 19. Jahrhundert sogar verpflichtend. So verlangte etwa die »Instruction für die Hebammen im Königreich Baiern« von 1816, dass Hebammen stets Kamillenblüten mit sich führten.

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurden selbst lebensbedrohliche Erkrankungen wie Diphtherie, Tuberkulose oder Typhus mit Volksheilmitteln wie Kamille, Knoblauch oder Zwiebeln bekämpft. Doch nach Ende des Zweiten Weltkriegs gerieten unzählige Heilpflanzen in Vergessenheit. Mit den in der Nachkriegszeit aufkommenden Antibiotika dachte man, eine Universalmedizin gefunden zu haben. Die Begeisterung über die neuen, chemisch definierten Arzneien war groß, und beinahe jeder Infekt wurde damit im Handumdrehen niedergeschmettert. In der gleichen Zeit kamen die ersten Antibabypillen auf den Markt, sie ermöglichten ungeahnte sexuelle Freiheiten und brachten gesellschaftliche Veränderungen mit sich. Die Errungenschaften der Pharmazie nährten bald den Glauben, chemisch definierte Substanzen wie Antibiotika oder künstliche Hormone seien den Pflanzen überlegen, vor allem wegen ihrer einfacheren Dosierbarkeit. Es entstanden viele »neue« Arzneien, die sich von pflanzlichen Vorbildern ableiteten. So lieferte das Salicin aus der Silberweidenrinde den Vorläufer für Acetylsalicylsäure, bekannter als Aspirin, die ersten hormonellen Kontrazeptiva basierten auf chemischen Abwandlungen der Inhaltsstoffe der Yamswurz, und Opiate, die stärksten Betäubungsmittel der Palliativmedizin, stammen von Schlafmohnalkaloiden ab.

Doch je mehr Erfahrungen man mit Hormonpräparaten, Antibiotika oder Schmerzmitteln sammelte, umso deutlicher zeichneten sich deren Nebenwirkungen und Folgeerscheinungen ab: Durch den regen Einsatz von Antibiotika sind resistente Bakterien wie etwa MRSA (Methicillinresistenter Staphylococcus aureus) entstanden, die Hormonersatztherapie ließ die Zahl der Brustkrebserkrankungen ansteigen – um nur zwei Beispiele herauszugreifen.

Natürlich sind wir alle froh über die medizinischen Fortschritte und dankbar, dass es für den Akutfall Antibiotika, Schmerzmittel und auch Chemotherapeutika gibt. Dennoch erobern die Heilpflanzen ihr altbekanntes Terrain wieder zurück. Zu Recht, denn Pflanzen bilden infolge der Auseinandersetzung mit ihrer Umgebung eine Vielzahl »chemischer Waffen«, um Krankheitserreger oder Schädlinge abzuwehren oder um Zellschäden durch UV-Strahlung und Virustoxine zu reparieren. Eben diese Schutzstoffe der Pflanzenwelt rücken heute, im Zeitalter der Resistenzen, zunehmend in den Fokus der Wissenschaft.

Während unsere kräuterkundigen Urahninnen ihre intuitiv gewonnenen Erkenntnisse noch der Natur abschauten, entfernt sich die moderne Pflanzenforschung von der Natur, indem sie ihr Forschungsobjekt aus der natürlichen Umgebung herausnimmt und Versuchsmodelle konstruiert. So werden beispielsweise speziell getrimmte Zellkulturen mit isolierten Pflanzeninhaltsstoffen überimpft oder künstlich erzeugte Erkrankungen im »bewährten Tiermodell« untersucht, was nicht selten bedeutet, dass speziell gezüchtete Mäuse oder Laborratten erst künstlich krank gemacht, dann behandelt und schließlich seziert werden, um den Behandlungserfolg zu überprüfen – eine nicht nur ethisch fragwürdige Vorgehensweise. Die Glaubwürdigkeit und Notwendigkeit vieler wissenschaftlicher Erkenntnisse sei auch deswegen in Frage gestellt, weil die meisten Studien von der Pharmaindustrie bestellt und finanziert werden. Statt der gesetzlich geforderten Tierversuche sollten lieber wieder Tieranwendungsbeobachtungen in natürlicher Umgebung erfolgen.

In den letzten Jahrzehnten konnten sich jedenfalls viele Frauenkräuter ihren angestammten Platz in den Frauenarzt- und Hebammenpraxen zurückerobern. Die meisten Frauen bevorzugen heute pflanzliche Arzneien, wenn es darum geht, Blasenentzündungen auszukurieren, Krämpfe zu lösen, hormonelle Dysbalancen auszugleichen, Blutungen zu drosseln oder Wechseljahresbeschwerden zu lindern. Zu Recht, denn viele Heilpflanzen verfügen nicht nur über ähnliche Kräfte wie die schulmedizinischen Vergleichspräparate, sondern sie erweisen sich in der Regel auch als viel verträglicher. Grün ist also auch die Hoffnung in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe von heute und von morgen.

Pflanzenhormone und hormonell wirksame Heilpflanzen

Kurz nach der Jahrtausendwende zeigte die »Women’s Health Initiative Memory Study« (WHI 2003), dass die bis dahin übliche Hormonersatztherapie mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden ist. Wegen des erhöhten Brustkrebs-, Herzinfarkt- und Schlaganfallrisikos waren in der Folge immer weniger Frauen bereit, Hormone einzunehmen, und der sinkende Absatz der Hormonpräparate schlug sich bald in einer sinkenden Zahl von Neuerkrankungen in den Krebsstatistiken nieder. Auf der Suche nach Alternativen zur Hormonersatztherapie wandte sich die Wissenschaft vermehrt den Pflanzen zu. Hormonähnliche Effekte von Pflanzen waren schließlich schon in der Antike bekannt. Ein Beispiel ist der Gefleckte Schierling (Conium maculatum), der, um die Hoden gewickelt, eine Art reversible Kastration bewirkte, indem er die Keimdrüsentätigkeit hemmt. In der Antike nutzten Priesterinnen der Demeter die Blätter des Mönchspfeffers oder Keuschbaums (Vitex agnus-castus) als Schlaflager und bewahrten sich damit ihre Unschuld. Später gebrauchten Mönche die Früchte von Agnus castus als Pfefferersatz, um sich das Zölibat zu erleichtern. Heute ist der Mönchspfeffer wegen seiner hormonell regulierenden Kräfte eine der meistverordneten Frauenheilpflanzen. Ähnlich verhält es sich mit dem Hopfen (Humulus lupulus), der als nervenberuhigender und den Sexualtrieb dämpfender Bierzusatz von Mönchen eingeführt wurde. Auf die Hormonwirkung stieß man, weil Hopfenpflückerinnen Zwischenblutungen bekamen. Heute weiß man, dass für diese Effekte estradiolähnliche Hopfenflavonoide verantwortlich sind.

Eine andere Beobachtung gab den Forschern Anlass, im Rotklee nach Pflanzenhormonen zu suchen: In Australien waren Schafe, die auf Wiesen mit viel Rotklee gegrast hatten, unfruchtbar geworden. Sie hatten sich »durch die im Rotklee enthaltenen Isoflavone sozusagen unter orale Kontrazeption« gesetzt (Seidlová-Wuttke 2010). Daraufhin setzten sich Pharmakologen mit den Rotklee-Isoflavonen auseinander. Diese wurden erst in vitro und in Tierversuchen, schließlich in klinischen Studien erforscht.

Im Reagenzglas lassen sich die hormonartigen Effekte von Pflanzeninhaltsstoffen leicht nachweisen: Menschliche Tumorzellen, konkret MCF-7-Zellen, werden so kultiviert, dass ihre Empfindlichkeit gegenüber östrogenartigen Stoffen stark gesteigert ist. Setzt man diesen Zellkulturen hormonaktive Substanzen zu, stimuliert dies die Zellteilung. So stellte sich heraus: »Phytoöstrogene, wie Genistein, führten unter In-vitro-Bedingungen zu einer Steigerung der Tumorzell-Proliferation« (Taxvig et al. 2010).

Fraglich bleibt jedoch, ob sich solche Forschungsergebnisse auf den Menschen übertragen lassen. Isolierte hormonaktive Pflanzeninhaltsstoffe wirken nämlich anders als Extrakte aus der ganzen Pflanze, und künstlich sensitiv gemachte Tumorzellkulturen reagieren anders als echte Tumorzellen im menschlichen Organismus.

Weil Japanerinnen selten an Brustkrebs erkranken, untersuchten Pflanzenforscher die Sojapflanze eingehend. Eine in Singapur durchgeführte Studie zeigte, dass Frauen, die vor der Menopause täglich mindestens 55 Gramm Soja gegessen hatten, halb so oft an Brustkrebs erkrankten wie Frauen, die täglich weniger als 20 Gramm Soja konsumiert hatten. Dies bestätigte sich im Tierversuch: Laborratten, die vor ihrer Geschlechtsreife sojahaltiges Futter erhielten, erkrankten seltener an Brustkrebs (Béliveau/Gingras 2007: 106–108). Bald stellte sich heraus, dass bestimmte Inhaltsstoffe mit den Östrogenrezeptoren interagieren. Weil Pflanzeninhaltsstoffe aber nur Teilfunktionen der Hormone übernehmen, fasst man sie heute unter dem Begriff »Phyto-SERM« (= selective estrogen receptor modulator) zusammen. Zu den SERM gehören verschiedene Substanzgruppen wie etwa Isoflavone, Flavonoide, Stilbene oder Lignane.

Besonders intensiv erforscht wurden Soja- und Rotklee-Isoflavone, die im menschlichen Organismus sowohl östrogenartige als auch antiöstrogene Effekte zeigen. Diese scheinbar gegensätzlichen Effekte sind möglich, weil sich die SERM vor den Wechseljahren an die Östrogenrezeptoren binden und dadurch verhindern, dass aggressivere Umweltöstrogene dort ihre krebserregende Wirkung entfalten. Vor dem Wechsel wirken sie also antiöstrogen und tumorwachstumshemmend. Wenn aber in der Menopause die Östrogene sinken, dann gleichen dieselben Wirkstoffe die Hormondefizite wiederum aus. Ab dem Wechsel kommt daher mehr die östrogenartige Wirkung zum Tragen. Der aktuellen Studienlage zufolge sind die östrogenähnlichen Effekte jedoch nur sehr gering, sodass man durch isoflavonhaltige Nahrungsergänzungsmittel nur wenig Linderung von Wechseljahresbeschwerden erwarten darf (Seidlová-Wuttke 2010).

Pflanzenforscher fanden auch heraus, dass im menschlichen Organismus zweierlei Östrogenrezeptoren (ER) vorkommen: ER-alpha und ER-beta. Die Alpha-Östrogen-Rezeptoren finden sich in Gebärmutter, Brustdrüse oder Leber und vermitteln tumorwachstumsfördernde Effekte. Stoffe, die sich dort binden, fördern also das Tumorwachstum. Pflanzenöstrogene interagieren aber bevorzugt mit den Beta-Östrogen-Rezeptoren, die sich in Darm, Prostata, Knochen und Gefäßwänden finden und tumorwachstumshemmende Effekte vermitteln. Isoflavone binden sich hauptsächlich an die »guten« Rezeptoren und wirken der Krebsentstehung entgegen. Auch die im Lein (Linum usitatissimum) vorkommenden Lignane binden sich an die Beta-ER und wirken krebsfeindlich: »Experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass nicht nur Leinsamen, sondern auch andere Bestandteile der Pflanze (Wurzel) eine hemmende Wirkung auf das Wachstum von Krebszellen haben« (Briese 2010).

Zur Verunsicherung in Bezug auf die sogenannten »Pflanzenhormone« trug die Stellungnahme Nr. 039/2007 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 3. April 2007 bei. Darin weist das BfR darauf hin, dass »Isoflavone, wenn sie in isolierter oder angereicherter Form und hoher Dosierung gegeben werden, die Funktion der Schilddrüse beeinträchtigen und das Brustdrüsengewebe verändern können.«

An der Schilddrüse wirken Isoflavone toxikologischen Untersuchungen zufolge kropfbildend. Außerdem erhöht Soja den Bedarf an Schilddrüsenhormonen (Stoye, Krebs, Tremmel 2007). Hinweise auf eine das menschliche Brustgewebe verdichtende Wirkung speziell durch Soja-Isoflavone gibt es jedoch nicht. Zudem sind die Forschungsergebnisse sehr widersprüchlich: Im Reagenzglas förderten niedrige Konzentrationen der Pflanzenöstrogene Genistein und Daidzein das Tumorwachstum, wohingegen eine hohe Konzentration von Genistein »das Wachstum von Brustkrebs hemmt und die tumorhemmende Wirkung von Tamoxifen verstärkt« (Dampier 2001, Ju et al. 2002).

Einerseits binden sich Isoflavone vorwiegend an die »guten« Östrogenrezeptoren, andererseits werden die hormonartigen Effekte von den Wissenschaftlern etwa »1000- bis 10 000-fach geringer eingeschätzt als die von Estradiol« (Wolters, Hahn 2004). Deswegen sollten sich Frauen in der Menopause – mit oder ohne familiäre Brustkrebsbelastung – nicht davon abhalten lassen, Sojaprodukte zu essen. Soja erhöht eben nicht die Östrogene im Blut und schadet auch nicht der Brustdrüse! Zudem enthalten viele Sojaprodukte kaum Isoflavone: Einen relativ hohen Isoflavongehalt weist Sojamehl mit circa 199 mg pro 100 g auf, und sehr wenig enthält beispielsweise Sojamilch mit 1,7 mg pro 100 g (Béliveau, Gingras 2007: 104).

Das BfR rät nur jenen Frauen von der langfristigen Einnahme hoch dosierter isoflavonhaltiger Nahrungsergänzungsmittel ab, die an hormonabhängigem Brust-, Eierstock- oder Gebärmutterkrebs erkrankt sind oder eine familiäre Disposition zu diesen Erkrankungen haben. Sojahaltige Nahrungsmittel sind weiterhin nicht nur unbedenklich, sondern gesundheitsfördernd, weil auch blutfettsenkend.


Trotz all dieser Erkenntnisse nimmt inzwischen die Angst vor den Pflanzenöstrogenen zu. Dabei ist die Namensgebung irreführend, denn Phytoöstrogene führen eben nicht zu einer Anreicherung von Östrogenen im Blut! Abgesehen von synthetischen Hormonen bergen vor allem hormonaktive Umweltproblemstoffe, auch »Xenoöstrogene« oder »endokrine Disruptoren« genannt, das größte krebserregende Potenzial. Zu den hormonaktiven Umweltproblemstoffen gehören zum Beispiel Pestizide wie DDT oder Lindan, die Neubildungen wie Endometriose, Myome und Zysten auslösen, oder Weichmacher wie Bisphenol A, die den zystischen Umbau der Brustdrüse fördern und Krebs erregen können. Weltweit sind heute mehrere Zehntausend Chemikalien im Umlauf, und viele interagieren mit Hormonrezeptoren. Von manchen Stoffen sind hormonartige Effekte bekannt, von anderen noch nicht. Unklar ist auch das Zusammenspiel dieser Stoffe. Um seiner Gesundheit etwas Gutes zu tun, lohnt es sich daher, regelmäßig Entgiftungskuren durchführen, um die Hormonrezeptoren von Umweltgiften zu befreien, und die Hauptentgiftungsorgane Leber und Nieren zu stärken, damit diese die Umweltproblemstoffe abbauen und ausscheiden können. Die Frauenkräuter dürfen aber in jedem Fall weiterhin unsere heilsamen Verbündeten bleiben.

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