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Pflanzenhormone und hormonartig wirkende Heilpflanzen

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»In allen Jahrhunderten hat sich die Menschheit darüber Gedanken gemacht, wie es kommt, dass ein Samenkorn einen Trieb in die Erde und einen anderen Trieb zum Lichte empor sendet … Die Triebstoffe, die solche Wirkungen auslösten, wurden für übertragbar auf den Menschen gehalten. Es fehlte aber an klaren Vorstellungen … Die Erforschung der Pflanzenhormone nahm erst feste Umrisse an, nachdem man die Hormone des Tierreichs genau kennen gelernt hatte … Die Vermutung, dass die Triebstoffe im Tierreich mit denen des Pflanzenreiches identisch sein könnten, trat recht bald auf. Der Beweis konnte allerdings erst für einzelne Hormone in den letzten Jahren erbracht werden.«

(Gerhard Madaus, Lehrbuch der biologischen Heilmittel, 1938)

Der Begriff Hormon leitet sich von dem griechischen Wort hormãn (= »antreiben, anregen, in Bewegung setzen«) ab, denn Hormone beeinflussen im menschlichen wie im tierischen Organismus, aber auch in der Pflanze den Stoffwechsel. In erster Linie dienen sie der Informationsübertragung zwischen verschiedenen Zellarten. Somit übernehmen sie im Lebewesen eine ähnliche Funktion wie der geflügelte Götterbote Hermes – dessen Name derselben Wortwurzel entspringt – in der Götterwelt. Kaum eine Körperfunktion läuft unabhängig von diesen Botenstoffen ab. Ohne Hormone wäre bereits der Zeugungsakt undenkbar und erst recht das Wunder der embryonalen Entwicklung oder die Geburt selbst. Kleinste Mengen dieser winzigen Moleküle im Nanobereich beeinflussen grundlegend alle Stoffwechselvorgänge, regeln die Fortpflanzung und nicht zuletzt sogar das Sozialverhalten sowie das persönliche Wohlbefinden – Grund genug, sich ein wenig mit Hormonen zu befassen.

Seit einigen Jahren wecken die Pflanzenhormone großes Interesse in der weiblichen Bevölkerung. Vor allem seit zwei große Studien (Women’s Health Initiative und die Million Women Study) bewiesen haben, dass die schulmedizinische Hormonersatztherapie, also die Langzeitanwendung von Östrogenen oder Östrogen-Gestagen-Kombinationen bei Wechseljahrsbeschwerden, mit erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Brustkrebs einhergeht. Darüber hinaus zeigte sich, dass gleichzeitig mit dem Rückgang der Verordnungen für eine Hormonersatztherapie in den USA auch die Brustkrebsrate um bis zu 12 Prozent sank. Für die Anwendung von Phytohormonen sprechen darüber hinaus auch die niedrigen Brustkrebsraten in asiatischen Ländern, wo etwa die Phytohormone der Sojapflanze in relativ großen Mengen mit der täglichen Nahrung aufgenommen werden.

Dies steht allerdings den aktuellen Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) entgegen. Das BfR hat erst kürzlich eine ausführliche Stellungnahme zu Isoflavonen aus Rotklee oder Soja abgegeben. Sinngemäß lautet der Inhalt dieser Stellungnahme, dass zum einen die Wirksamkeit der Isoflavone bei Wechseljahrsbeschwerden nicht wissenschaftlich bewiesen sei. In der Tat zeigte sich in einigen kontrollierten Studien sowie in Metaanalysen, dass die Isoflavone aus Rotklee oder Soja nur eine Besserung leichter Wechseljahrsbeschwerden bewirken, und die Ergebnisse waren nicht gerade herausragend. Allerdings kann auch nicht jede Frau die zugeführten Phytohormone gleichermaßen gut verwerten, wie wir später noch sehen werden.

Zum anderen warnt das BfR vor möglichen Nebenwirkungen und Langzeitfolgen, vor allem bei hochdosierter Einnahme von isolierten Isoflavonen, etwa in Form von Nahrungsergänzungsmitteln. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass Isoflavone die Wirkung bestimmter Medikamente (z. B. Tamoxifen) aufheben könnten. Das BfR vertritt daher die Meinung, dass vor allem dann von der Einnahme isolierter Isoflavone abzuraten ist, wenn östrogenabhängige Tumoren bestehen (z. B. Brustkrebs, Gebärmutterkrebs, Myome) – oder bei Kropfneigung, da Isoflavone auch die Schilddrüsenfunktion beeinflussen können. Diese Empfehlungen oder besser Warnungen gelten allerdings in Fachkreisen, das heißt unter Apothekern und Naturheilkundlern, als umstritten.

Doch um welche Stoffe handelt es sich eigentlich? Unter dem Begriff Phytohormone fasst man zunächst einmal verschiedene Pflanzeninhaltsstoffe mit hormonartiger Wirkung zusammen. Nur wenige Pflanzen enthalten tatsächlich Hormone. Ein Beispiel ist jedoch der Granatapfel, in dessen Samen man reines Östron fand, das mit den in den Eierstöcken gebildeten weiblichen Sexualhormonen völlig identisch ist. Allerdings handelt es sich beim Östron um ein relativ schwach wirksames Östrogen, das unter anderem wegen seiner geringen Hormonwirkung kein großes krebserregendes Potenzial in sich bergen kann. Im Gegenteil: Inzwischen belegen einige Studien, dass der Granatapfel um ein Vielfaches stärker antioxidativ und somit krebsfeindlich wirkt als beispielsweise Grüntee. Die hormonelle Wirkung des Granatapfels wird seit Jahrhunderten rege genutzt. In Persien wie auch in anderen arabischen Ländern genießt der Granatapfel seit Urzeiten hohes Ansehen, und Frauen wie Männer kauen die Kerne regelmäßig, um ewig jung zu bleiben. In der Tat wirken die relativ kleinen Mengen dieser sanften Phytohormone stimmungsaufhellend und hautverjüngend. Seit immer mehr Frauen die schulmedizinische Hormonersatztherapie ablehnen, bemüht sich die Pharmaindustrie vermehrt um männliche Kunden. Die Granatapfelhormone scheinen den Männern nicht zu schaden. Zwar wirken größere Östrogenmengen zuverlässig dämpfend auf ihren Sexualtrieb, kleinere Dosen wirken jedoch verjüngend und heben spürbar die Spannkraft. Daher verwundert es nicht, wenn in arabischen Ländern auch das vermeintlich starke Geschlecht sich durch die regelmäßige Zufuhr kleiner Mengen Phytoöstrogene fit hält.

Doch der Wirkmechanismus der Pflanzenhormone ist noch ein wenig komplexer. Bis vor wenigen Jahrzehnten hat man sich die Wirkung von Phytohormonen so erklärt, dass diese sich an Hormonrezeptoren binden und im Gegensatz zu körpereigenen Hormonen eben nur Teilfunktionen übernehmen. Darüber hinaus handelt es sich bei den Phytohormonen um völlig unterschiedliche Wirkstoffgruppen. Hormonartig wirken hauptsächlich Isoflavone sowie bestimmte Flavonoide, ferner Lignane und Coumestane. Heute bezeichnet man diese Phytohormone als selektive Östrogen- bzw. Estrogen-Rezeptor-Modulatoren, kurz: SERM. Lange Zeit konnte man sich nicht erklären, warum Phytoöstrogene mal eine östrogenartige Wirkung und mal eine antiöstrogene Wirkung zeigen. Inzwischen ist bekannt, dass es im menschlichen Organismus zweierlei Östrogenrezeptoren gibt, die sich in jeweils anderen Organen finden und unterschiedliche Wirkungen vermitteln.

Die Alpha-Estrogen-Rezeptoren (ERAlpha) kommen vor allem in der Gebärmutter, in der Brust und in der Leber vor und vermitteln unter anderem sogenannte proliferative und entzündungsfördernde Effekte. Das heißt, eine Stimulation dieser Alpha-Rezeptoren kann das Tumorwachstum in der Brustdrüse oder in der Gebärmutter anregen.

Pflanzenhormone binden sich jedoch überwiegend an Beta-Estrogen-Rezeptoren. Diese finden sich vor allem im Darm, in der Prostata, im Knochengewebe und in den Gefäßwänden. ER vermitteln unter anderem entzündungshemmende und antiproliferative Effekte. Die Stimulation dieser Rezeptoren bewirkt also eine Wachstumshemmung von Tumorzellen. Inzwischen geht man sogar davon aus, dass Phytoöstrogene, die sich an Hormonrezeptoren binden, verhindern, dass die besetzten Estrogen-Rezeptoren beispielsweise durch östrogenartig wirkende Umweltproblemstoffe (z. B. DDT) stimuliert werden können, wodurch deren krebserregender Effekt ausbleibt. Jedenfalls liegen mittlerweile zahlreiche Studien vor, die auf eine krebsfeindliche Wirkung der Phytoöstrogene schließen lassen. Eine Studie des japanischen nationalen Krebsinstituts konnte beispielsweise nachweisen, dass Isoflavone das Brustkrebsrisiko um bis zu 30 Prozent senken. Das Deutsche Krebsforschungsinstitut in Heidelberg konnte dies nur bestätigen: Die Zufuhr von Isoflavonen und Lignanen ergab ein um bis zu 50 Prozent vermindertes Krebsrisiko. In einigen Studien untersuchte man darüber hinaus, ob sich vielleicht das Brustgewebe durch die Isoflavone verdichten könnte. Doch die mammografischen Untersuchungen ergaben keine Hinweise auf eine gewebsverdichtende Wirkung der Phytohormone. Bislang unerforscht ist dagegen die hochdosierte Dauereinnahme von isolierten Isoflavonen aus genmanipulierten Sojapflanzen. Aufgrund der Genmanipulation könnte es möglicherweise zu einer modifizierten Hormonwirkung kommen, so dass eine Wachstumsstimulation von Tumorzellen nicht mehr völlig ausgeschlossen werden kann. Nicht zuletzt hat sich im Umgang mit Pflanzen stets gezeigt, dass ein isolierter Wirkstoff eigentlich immer unerwünschte Nebeneffekte hervorbringt oder verstärkt – im Gegensatz zum natürlichen Wirkstoffgemisch, das so in der Pflanze vorkommt und sich in der Regel als weit verträglicher erweist.

Die Existenz der unterschiedlichen Estrogen-Rezeptoren erklärt auch, warum die Phytohormone mal eine östrogenartige und mal eine antiöstrogene Wirkung haben. Vor der Menopause besetzen Phytohormone nämlich die Rezeptoren und verhindern, dass diese durch körpereigene Sexualhormone oder durch krebserregende Chemikalien wie etwa DDT stimuliert werden. Somit wirken Phytohormone vor dem Wechsel antiöstrogen. Wenn jedoch ab dem Wechsel die körpereigene Östrogenproduktion allmählich nachlässt, dann gleichen die östrogenartigen Pflanzeninhaltsstoffe den Östrogenmangel auf sanfte Weise aus und entfalten somit ihre östrogenartige Wirkung. Die durch Phytohormone erzielten Effekte werden von Experten jedoch um ein Vielfaches schwächer eingestuft als die der körpereigenen Sexualhormone: Isoflavone aus der Sojapflanze haben schätzungsweise eine hundert- bis tausendfach schwächere hormonelle Aktivität als Steroidhormone wie etwa 17-β-Estradiol. Allein deswegen birgt die Einnahme von Phytohormonen ein wesentlich geringeres Krebsrisiko in sich als die übliche Hormonersatztherapie.

Allerdings genügt es keineswegs, die krebsfeindlichen und hormonell ausgleichenden Phytohormone einfach nur mit der Nahrung oder als Nahrungsergänzung zuzuführen, denn vor allem die Verwertung der Soja-Isoflavone hängt von mehreren Faktoren ab, besonders von einer intakten Darmflora. In der Pflanze liegen die Phytohormone nämlich meist als inaktive Vorstufen vor, die erst mit Hilfe von Darmbakterien aufgeschlossen und in hormonartig wirkende Stoffe umgewandelt werden. Experten vermuten, dass bis zu 30 Prozent der Bevölkerung westlicher Industrienationen die inaktiven Vorstufen gar nicht in die hormonell wirksamen Verbindungen umwandeln können. Das dürfte auch der Grund sein, warum die eine Frau sich durch den regelmäßigen Genuss von Sojamilch oder Sojakapseln spürbar wohler fühlt, wohingegen die andere Frau trotz konsequenter Einnahme hochdosierter Isoflavon-Präparate keine Linderung ihrer Wechseljahrsbeschwerden erfährt.

Abgesehen von den Phytohormonen, die aus der Sojapflanze oder vom Rotklee stammen, gibt es natürlich noch unzählige weitere Pflanzen, die Einfluss auf das Hormonsystem nehmen. Viele sind noch nicht ausreichend erforscht, um genau sagen zu können, welcher Wirkstoff für die hormonell regulierenden Eigenschaften verantwortlich ist. Greift man zum Beispiel einmal den Frauenmantel heraus, so wird deutlich, dass die Erforschung der hormonartig wirkenden Pflanzeninhaltsstoffe noch in den Kinderschuhen steckt. Frauenmantelarten haben sich seit vielen Jahrhunderten als sanftes Frauenmittel in der Volksmedizin behauptet. Gleich, ob es sich um Stimmungsschwankungen vor der Regel, um ungewollte Kinderlosigkeit oder um eine Fehlgeburtsneigung handelt – der Frauenmantel erweist sich bei hormonell bedingten Frauenleiden als mildes, aber zuverlässiges Mittel, ohne dass man hormonartige Stoffe in ihm gefunden hätte. Dennoch beeinflusst er das Hormonsystem in einer Weise, dass man ihn in der ersten Zyklushälfte als östrogenisierend und dem Eisprung förderlich bezeichnen muss, wohingegen er in der zweiten Zyklushälfte mehr die Produktion der Gelbkörperhormone begünstigt. Wegen dieser Heileigenschaften wird der Frauenmantel von Kräuterkennern bei Funktionsschwäche der Fortpflanzungsorgane sowie als Gebärmuttertonikum geschätzt.


Wegen der hormonartigen Wirkung schätzen Asiaten die Ginsengwurzel seit Jahrtausenden als Aphrodisiakum und Lebenselixier. (Sammlung Kräutergarten, München; Foto: O. Rippe)


Mönchspfeffer (Lonitzer [Lonicerus], 1560)

Die Früchte des Keuschbaums dienten bereits den Mönchen im Mittelalter als triebdämpfender Pfefferersatz. Sie stellen darüber hinaus das Gleichgewicht zwischen Östrogenen und Gelbkörperhormonen her und bewähren sich daher in der naturheilkundlichen Fruchtbarkeitsbehandlung.


Schwangerschaft (Pregnatio, J. D. Mylius, 1628)


Weidenkätzchen (Foto: M. Madejsky)

In den männlichen Blüten fand der Pflanzenforscher Gerhard Madaus männliche Sexualhormone.


Blühendes Süßholzpflanze. Aus dem eingedickten Wurzelsaft stellt man Lakritze her, die eine corticoidähnliche Wirkung hat. (Foto: M. Madejsky)


In den Brutzwiebeln der Tigerlilien finden sich hormonähnliche Stoffe. Daher verbessern homöopathische Verdünnungen der Tigerlilie auf ähnliche Weise die Bildung von Gelbkörperhormonen wie der Mönchspfeffer. (Foto: M. Madejsky)


Hermes, Fresko von Giambattista Tiepolo, 18. Jahrhundert.


Yamswurzel auf dem Viktualienmarkt in München (Foto: I. und P. Schönfelder).


In der Homöopathie gehört die Küchenschelle (Pulsatilla) zu den großen Frauenmitteln bei Gelbkörperschwäche. (Foto: M. Madejsky)

Folglich ist eine hormonelle Wirkung vorhanden, der genaue Wirkmechanismus blieb bislang jedoch ungeklärt. Ähnlich verhält es sich mit vielen weiteren Pflanzen, denen vor allem Volksmediziner eine hormonartige Wirkung zusprechen, zum Beispiel Anis, Fenchel, Koriander, Melisse oder Walnuss.

Viele Arzneipflanzen haben einen mehr oder weniger starken Einfluss auf hormonabhängige Körperfunktionen wie etwa auf die Milchbildung, die durch die Hormone Prolaktin und Oxytozin reguliert wird. Andere Pflanzen wirken wehenerregend und zeigen damit oxytozinähnliche Wirkung, etwa Beifuß, Eisenkraut, Rainfarn oder Raute. Wieder andere beeinflussen die Schilddrüsenfunktion, was sich auf das übrige Hormonsystem sowie auf den Gesamtstoffwechsel auswirkt, beispielsweise Blasentang, Efeu, Eisenkraut, Melisse oder Wolfstrapp.

Mit anderen Worten: Hormonartig wirkende Pflanzen sind so weit verbreitet, dass diese selbst beim allerbesten Willen nicht alle aufgezählt werden könnten. Interessant ist dabei, dass man inzwischen in unzähligen Pflanzen östrogenartig wirkende Stoffe finden konnte. Gerhard Madaus, der die Pflanzenhormone in den dreißiger und vierziger Jahren ausgiebig erforscht hat, wies darauf hin, dass die Pflanzenöstrogene auch mit dem jeweiligen Geschlecht der Pflanzen zu tun haben: »Das Follikelhormon findet sich bekanntlich besonders angereichert im Urin trächtiger Stuten und auch, wie später festgestellt wurde, im Urin schwangerer Frauen. Bei den Pflanzen befindet es sich hauptsächlich in weiblichen Blütenorganen, so z. B. in Nuphar luteum (12–20 ME), in den weiblichen Blüten von Salix caprea (48–200 ME je kg Feuchtorgan), weiter in Helianthus annuus, Holunder- und Nesselblüten … Dagegen fand man es wieder angereichert in Weizen, Gerstenkeimlingen, Kartoffeln, Körnerfrüchten, Kirschen, Zuckerrüben, Rhabarber und vielen pflanzlichen Arzneidrogen« (Gerhard Madaus, Lehrbuch der biologischen Heilmittel, 1938).

Pflanzeninhaltsstoffe mit gelbkörperhormonähnlicher oder mit testosteronartiger Wirkung sind dagegen eher selten. Gestagenregulierend wirken beispielsweise Frauenmantel, Mönchspfeffer, Nachtkerze und Tigerlilie. Die Inhaltsstoffe der Yamswurz müssen erst teilsynthetisch im Labor umgewandelt werden, um ihre gelbkörperhormonartige Wirkung zu erlangen. Pflanzen mit androgenähnlicher oder testosteronähnlicher Wirkung werden von den Forschern nur überaus selten erwähnt. Zum Beispiel führt Madaus die männlichen Blüten einer Weidenart (Salix caprea) als natürliche Quelle männlicher Sexualhormone auf. Dabei wirken zahlreiche Pflanzen auf die männlichen Sexualorgane ein. Zum Beispiel führen Brennnesselsamen und Ginseng dazu, dass männliche Tiere ihr Hochzeitskleid anlegen, und Salomonssiegel (Polygonatum officinale) wird vermutlich wegen seiner hormonähnlichen Eigenschaften mit Erfolg in Salbenform bei Vorhautverengung eingesetzt. In jedem Fall also können die nächsten Jahre und Jahrzehnte bezüglich der hormonaktiven Pflanzeninhaltsstoffe noch einiges an Aufklärung bieten.

Einige hormonartig wirkende Heilpflanzen und Pflanzeninhaltsstoffe

Pflanze (Stamm­pflanze)Hormon­artiger Stoff (Wirk­stoff­gruppe)Nutzung
Alfalfa (Medicago sativa)Cumestane (Lignan)Östrogen­artig wirkende Nahrungs­pflanze; eignet sich zur Auffüllung der Fettdepots bei Magersucht.
Besenginster (Cystus scoparius)Genistein (Isoflavonoid) und Diosgenin­derivateVolks­medizinisch bei Gebär­mutter­blutungen, Wechsel­jahrs­beschwerden sowie bei Herz­rhythmus­störungen.
Bockshornklee (Trigonella foenum-graecum)Östrogen­artige Iso­flavone (Formon­nonetin)Alte Nahrungs- und Frauen­pflanze, die schon im alten Ägypten zur Geburts­einleitung sowie zur Anregung der Milch­bildung gebraucht wurde.
Brennnessel (Urtica dioica)Beta-Sitosterol und Neo-Olivil in der Wurzel (anti­östrogenes Lignan)Bewährt in der Behandlung von Prostata­adenom und Reizblase der Frau. Extrakte heben zum Teil die Wirkung von Dehydro­testo­steron auf (vgl. Kürbis).
Eisenkraut, Echtes (Verbena officinalis)Oxytozin­ähnlicher Bitterstoff Verbenalin (Glykosid)Volks­medizinisch zur Anregung der Wehen­tätigkeit sowie zur Austreibung der Nachgeburt.
Färber­ginster (Genista tinctoria)Östrogen­artige Iso­flavone (Genistein und Genestin)Empfohlen zur Osteo­porose­prophy­laxe sowie zur Behandlung leichter Wechsel­jahrs­beschwerden.
Frauen­mantel (Alchemilla xantho­chlora)Das hormonell wirksame Prinzip konnte noch nicht identifiziert werden.Volksmedizinische Universal­heil­pflanze bei Frauen­leiden; wirkt in der ersten Zyklushälfte empfängnis­fördernd und in der zweiten Zyklushälfte regulierend auf die Gelb­körper­hormon­produktion.
Ginseng (Panax ginseng)Ginsenoside (steroid­hormon­ähnliche Glykoside)Sexual­tonikum, Lebens­elixier und Neben­nieren­stimulans aus dem Arznei­schatz der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM).
Granatapfel (Punica granatum)Östron (schwach wirksames Östrogen) im Samen­mantelSymbolpflanze der ewigen Jugend; Attribut vieler Göttinnen. Gilt als reichste Quelle für Östron, das mit den weiblichen Sexual­hormonen identisch ist. Heute als anti­oxidative und mild östrogen­artige Nahrungs­ergänzung ab dem Wechsel.
Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris)Das oxytocin­ähnliche Wirkprinzip ist noch weitgehend unbekannt; eventuell sind Flavonoide oder ein Peptid verantwortlich.Für die uterus­kontra­hierende und blut­stillende Wirkung soll ein oxytocin­ähnliches Peptid verantwortlich sein. Volks­medizinisch zur Regulation von Gebär­mutter­blutungen sowie zur Ausstoßung der Nachgeburt und zur Anregung des Wochen­flusses.
Hopfen (Humulus lupulus)Östrogenartiges Prenyl­naringenin (prenyliertes Flavonoid)Zur volks­medizinischen Hormon­regulation bei Wechsel­jahrs­beschwerden wie Hitze­wallungen und Schlaf­störungen.
Indigo, Wilder (Baptisia tinctoria)Östrogen­artige Isoflavone (Genistein, Formononetin)Überwiegend als Bestandteil immun­stimulierender Komplexmittel in Gebrauch (z. B. Esberitox-N-Tabletten von Schaper & Brümmer).
Kleearten (z. B. Rotklee, Trifolium pratense)Isoflavone (Genistein) und Cumestane (Cumestrol)Heimischer Sojaersatz. Vor allem in Form von Nahrungs­ergänzungs­mitteln zur sanften Hormon­substitution bei Wechsel­jahrs­beschwerden.
Kudzu (Pueraria mirifica)Östrogen­artige Iso­flavo­noide und Deoxy­miro­estrolThailändisches Verjüngungs­mittel für Frauen; soll die Fruchtbarkeit erhalten, das Klimakterium verzögern, die Libido steigern, die Brust vergrößern etc.
Kürbis (Cucurbita pepo)Steroide (vor allem Delta-7-Sterole)Auch »Herkules­samen« genannt, weil potenz­erhaltend und heilsam für die Prostata. Delta-7-Sterole senken bei Prostata­hyper­trophie erhöhte Dihydro-Testo­steron-Werte. Die anti­östrogene Wirkung lindert auch die Reiz­blasen­beschwerden von Frauen.
Meerträubel (Ephedra spp.)Adrenalin­artige Alkaloide (Ephedrin)Stark wirksames Asthma­mittel und Aphrodi­siakum für Frauen (Ephedrin ist bis einschließlich D3 rezeptpflichtig).
Mönchs­pfeffer (Vitex agnus-castus)Vermutlich sind Diterpene (u. a. Rotundifuran) für die stimulierenden Effekte auf Dopamin-D2-Rezeptoren verantwortlich.Bewährte Frauenpflanze bei Gelb­körper­schwäche (stellt das Östrogen-Gestagen-Gleichgewicht her) sowie zur Senkung des Prolaktin­spiegels bei Mastodynie, Zyklus­störungen, Unfrucht­barkeit etc.
Muskateller­salbei (Salvia sclarea)Ätherisches Öl mit östrogenartigem Sclareol (Diterpenol)Mild aphrodi­sierende Aromapflanze für sinnliche Bäder, Körperöle, Duft­mischungen, Spülungen usw.
Raute (Ruta graveolens)Unbekannt (eventuell ätherische Öle)Wegen der östrogen­artigen Wirkung einst als trieb­dämpfendes Mittel der Mönche in Gebrauch.
Rhapontik­rhabarber (Rheum rhaponticum)RhaponticinTeilsynthetisch umgebautes Rhaponiticin (z. B. in Phyto-Strol von Müller Göppingen), wird von manchen Gynäkologen zur sanften Hormon­substitution in den Wechseljahren verordnet.
Roggen (Secale cereale)Östrogen­artige Lignane (u. a. Matairesinol, Secoisolari­ciresinol)Die östrogenartig wirksamen Lignane sind nur im Vollkorn-mehl enthalten, weswegen Vollkornbrot auch »Brot für die Frau« genannt wird.
Sägepalme (Sabal serrulatum)Sterole (vor allen Beta-Sitosterol in den Früchten)»Pflanzlicher Katheter«; volks­medizinisch bei Blasen­entzündungen, Reizblase und Prostata­leiden.
Salbei (Salvia officinalis)Ätherisches Öl mit östrogen­artigem Salviol (Diterpenol)Volks­medizinische Frauen­heilpflanze mit schweiß­hemmender Wirkung, bei leichten Wechsel­jahrs­beschwerden sowie zum Abstillen.
Salomons­siegel, Wohl­riechendes (Polygonatum odoratum)Diosgenin (Steroid­saponin)Salomons­siegel hieß im Volksmund »Schminckwurz«, weil es als Kosmetikum in Gebrauch war, und »Springwurz«, weil es alle Schlösser öffnen soll. (Schließt es möglicherweise den Geburtsschoß auf?)
Silberkerze (Cimicifuga racemosa)Östrogenartiges Formononetin (Isoflavon)Kardinal­heilpflanze für die Wechsel­jahre. Sehr bewährte Frauen­heil­pflanze zur sanften Hormon­substi­tution im Klimakterium.
Soja (Glycine max)Isoflavone (Daidzein, Genistein) und Cumestane (Cumestrol)Aufgrund der östrogenartigen Wirkung als Nahrungs­ergänzungs­mittel in den Wechsel­jahren oder in Form von Sojaprodukten wie etwa Sojamilch zur sanften Hormon­regulation in Gebrauch.
Steinsame (Lithospermum officinale)Anti­thyreotrope und anti­gonadotrope Lithosperm­säureDie Pflanze diente den Indianerfrauen als Verhütung­smittel, weil die anti­gonadotrope Lithosperm­säure ähnlich wie die Pille den Eisprung unterdrückt.
Süßholz (Glycyrrhiza glabra)Östrogen­artige Isoflavone (Formononetin) und corticoid­artiges GlycyrrhizinHauptsächlich wegen der corticoid­artigen Wirkung zur Linderung des Hustenreizes bei akuter Bronchitis sowie zur Behandlung von Magen-Darm-Geschwüren in Gebrauch. Gilt wegen der Süße als »Medizinpferd«, mit dem andere Arzneistoffe in den Körper gelangen.
Tigerlilie (Lilium tigrinum)Steroid­saponine in den BrutknospenMadaus fand in den Brutknospen hormonartige Steroid­saponine, die ähnlich wie beim Mönchspfeffer das relative Gestagen­gleichgewicht wiederherstellen.
Wolfstrapp (Lycopus europaeus)Anti­thyreotrope und anti­gonadotrope Lithosperm­säureDie schilddrüsen­dämpfende Wirkung wird bei leichten Formen der Schilddrüsen­überfunktion genutzt.
Yamswurzel (Dioscorea villosa)Diosgenin (Steroidsaponin)Die Yamswurz lieferte einst die Ausgangs­substanzen zur Herstellung der Antibabypille. Heute wird Diosgenin teil-synthetisch abgewandelt und beispiels­weise in Form von Progesteron­creme zur Gelbkörper­hormon­substitution vor allem im Prä­klimakterium verordnet.
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