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Fantasy & Feminismus

»Weißt du, was mich echt nervt?«

Emily stöhnte gereizt und vertiefte sich wieder in ihr Popcorn. »Dich nervt doch alle fünf Minuten was anderes. Was ist es denn diesmal?«

Lyra blieb stehen, stemmte ihre Fäuste in die Hüften und sah Emily entrüstet an. Diese blickte gerade traurig in ihre leere Popcorntüte, zerknüllte das bunte Papier und steckte es in die Tasche ihrer viel zu engen Jacke.

Warum muss sie eigentlich immer so viel essen?, dachte Lyra heimlich und bekam im selben Augenblick ein schlechtes Gewissen. Nicht nur, weil Emily ihre beste Freundin war. Auch Lyra hatte einige Pfunde zu viel auf den Rippen. Genau wie Emily war es ihr zu Beginn der Pubertät irgendwie nicht gelungen, das richtige Maß zu finden. Regina, ihre Oma väterlicherseits, lag Lyra seither in den Ohren, dass man mit zunehmendem Alter nicht mehr alles sinnlos in sich hineinstopfen könne, ohne dabei zu einem Walross zu mutieren. Insgeheim gab Lyra ihrer Oma sogar recht, dieser blöden Kuh. Jedoch würde sie es niemals zugeben. Sie konnte dieses keifende alte Ding einfach nicht ausstehen.

Wenn meine Klamotten an mir genauso beschissen aussehen wie an Emily, dann …

»Was geht dir denn nun auf die Nerven?«

Lyra schreckte aus ihren Gedanken und fand sich auf der Straße vor dem alten Kino wieder, aus dem sie gerade mit ihrer besten Freundin gekommen war. Sie hatten sich einen uralten Horrorstreifen angesehen. Aus den Siebzigern oder so. Noch komplett ohne Computerbearbeitung, mit langen Dialogen und schräger Kameraführung. Sie standen beide auf diese Old-School-Movies.

»Hallo? Jemand zu Hause? WAS! GEHT! DIR! AUF! DIE! NERVEN?«

Emily ballte nun ihrerseits die kleinen Hände zu Fäusten, stemmte sie in die plumpen Hüften und funkelte ihre Freundin aus blauen Augen an. Eine kleine Falte auf ihrer Stirn verriet Lyra, dass jetzt Gefahr im Verzug war und sie schleunigst antworten sollte.

»Sorry, ich war in Gedanken. Weißt du, was mich echt nervt?«

»Herrgott noch mal, nun sag’s doch endlich!!!«

»Haha, ich weiß. Aber was mich wirklich richtig nervt, ist …« Lyra machte eine weitere Pause, nur um Emily zu ärgern. Ihre Freundin stöhnte und lief ein Stück voraus.

»… dass es keine weiblichen Werwölfe gibt.«

Abrupt blieb Emily stehen und blickte interessiert über die Schulter. Die kleine Falte auf ihrer Stirn vertiefte sich. »Was zum Geier meinst du?«

Grinsend verschränkte Lyra die Hände auf dem Rücken und begann zu referieren: »Na, es gibt nur Kerle, die sich verwandeln. Keine Mädels. Was soll das?« Emily schüttelte entgeistert den Kopf, ließ ihre Freundin aber weiter lamentieren.

»Okay, im 18. Jahrhundert oder wann immer diese Stories um Werwölfe, Gestaltwandler und so entwickelt wurden, da kannte man noch keinen Feminismus, kein Gleichbehandlungsgesetz und vor allem keine Frauenquote. Aber genau deshalb könnte sich doch mal jemand finden, der diese Ungerechtigkeit aus dem Weg räumt. Wenigstens auf dem Papier. In der Twilight-Saga hat es doch auch geklappt, die alten Geschichten in die Neuzeit zu verlagern. Auch wenn man sich durch drei Bücher lesen musste, bevor Bella dann endlich zum Vampir wurde. Mir hat ja Rosalie und vor allem Victoria viel besser gefallen, als dieses ewige Gejammer um Schuld und so. Ich verstehe bis heute nicht, warum Bella ewig darauf warten musste, bis dieser versnobte Edward seine beschissenen Gewissensbisse im wahrsten Sinne überwunden hat. Dieser Schleimer!«

Emily verdrehte belustigt die Augen. »Du schweifst vom Thema ab, Lyra! Außerdem warst du selber ganz verknallt in Robert Pattinson.«

»Da war ich fünfzehn! Das ist doch ewig her. Aber du hast recht. Wir waren ja gerade bei der chauvinistischen Tatsache, dass es keine Werwölfinnen gibt. Okay in den neueren Büchern und Filmen gibt es schon ein paar Mädels, die sich gnädigerweise in pelzige Ungeheuer verwandeln dürfen. Aber allein schon die germanische Vorsilbe Wer deutet auf die rein maskuline Bedeutung hin. Im Althochdeutschen wurden die Lykantrophen auch Mannwolf genannt. Tja, da gibt es kaum Spielraum für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Ich staune, dass da noch keine Emanze drauf gekommen ist. Vielleicht heißt es aber zukünftig auch Werwolf*innen. Haha! Fantasy und Feminismus.«

Emily kramte in ihrer Tasche auf der Suche nach etwas Essbarem. Sie kannte die philosophischen Ausflüge ihrer Freundin. Das dauerte erfahrungsgemäß länger und machte sie immer hungrig. Dennoch hörte sie Lyra aufmerksam zu. Schließlich war auch sie ein großer Fan des Fantasy-Genres und fand den Denkansatz durchaus faszinierend. Deshalb ließ sie von ihrer Tasche ab und nickte zustimmend: »Genau, Lyra. Richtig! Und was soll eigentlich diese zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit, dass Vampire ausnahmslos superschön und wahnsinnig klug sind, während Werwölfe lediglich die stinkenden Köter sein dürfen?«

Beide Mädchen sahen sich an und begannen zu kichern. Sie kannten sich seit dem Kindergarten. Wenn jemand wusste, wie Lyra tickte, dann war es ebendieses Mädchen, das sie nun wissend anlächelte und in gespielter britischer Steifheit konstatierte: »Das ist tatsächlich eine unerhörte Angelegenheit. Was gedenken Sie zu tun, Miss Holmes?«

Theatralisch stolzierte Lyra die Straße entlang, die eine Hand hinter dem Rücken und den gekrümmten Zeigefinger der anderen unter ihrem Kinn: »Ich habe noch keine Ahnung, Fräulein Watson. Warten wir es ab. Meistens entwickeln sich die Dinge vielleicht nicht so, wie man es gern hätte. Aber manchmal geschieht ein Wunder … irgendetwas liegt da in der Luft. Das spüre ich ganz deutlich.«

#1 MondZauber: VERWANDLUNG

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