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Viktor

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Da war dieses grüne Licht gewesen, das ihn umhüllte wie eine toxische Wolke. Und ein unbekanntes Gefühl floss so plötzlich durch sein Inneres, als hätte man ein Feuer entfacht und Öl hineingegossen. Ein rhythmisches Hämmern wummerte in seinem Inneren, BA-DUM, BA-DUM. Er, den der Künstler George Steam Viktor genannt hatte, spürte Leben in seiner Brust. Er wurde befreit von seiner steinernen Hülle, die sich abpellte wie die Haut eines Basilisken. Viktor war orientierungslos, alles, was er sah, war dieses grüne Licht. Instinktiv öffneten sich seine Flügel und hoben ihn in die Luft. Seine Augen suchten nach einem Fluchtpunkt und fanden ihn. Purpurnes Licht traf seine Netzhaut und blendete ihn. Er war von einem grünen Inferno in ein rotes Meer geflogen. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis seine Augen sich auch an diese Farbe gewöhnten und seine Sicht zurückkehrte. Er erblickte seltsame Gebilde, die dicht aneinandergereiht die Kulisse zierten. Und zwischendrin sah er Gewächse aus dem Erdreich ragen wie grüne Finger. Figuren aus Fleisch und Blut, deren Münder auf und zu gingen und dadurch eine hohe Geräuschkulisse erzeugten, tummelten sich unter seinen Füßen. Sie wirkten wie ein Strom aus Ameisen. Wie betäubt durch die vielen Eindrücke, die mit eiserner Wucht auf ihn einschlugen, bemerkte der Gargoyle nicht, dass er Gesellschaft bekommen hatte. Jemand berührte seine Hand, er drehte sich hoch oben in der Luft um und blickte in die gütigsten Augen, die er je zu Gesicht bekäme. Lavendia war ihm gefolgt und hatte ihn gefunden. Sie wirkte hilflos, verängstigt, obwohl sie wusste, dass Viktor wie sie war. Viktors Finger vergruben sich in ihre. Wie Todesengel folgten sie dem Sonnenaufgang, der sie mit seinem Lichtspiel aus roten, goldenen und violetten Strahlen weg von dem Tumult der Stadt führte. Ihr Weg brachte sie auf eine weite Wiese, wo erst kürzlich jemand das Gras mit einer Sense geschnitten hatte, denn die Luft war noch erfüllt vom Geruch der abgetrennten Grashalme. Für Lavendia hatte es nie einen schöneren Duft gegeben, doch er würde aus ihrem Gedächtnis verschwinden, da die Gargoyles zu der Zeit noch keine Ahnung hatten, welches düstere Zeitalter ihres werden würde. Viktor blickte nochmals in Lavendias Augen, in denen er sich komplett verlor. Sie waren von einem mystischen Violett, umrandet von einem tiefschwarzen Kreis. Nicht einmal der Himmel brachte mit seiner Tag und Nachtgleiche einen solchen Farbton zustande. Das Pochen in seiner Brust wurde stärker, aber es fiel ihm schwer, das Gefühl zu deuten. Prinzipiell gesehen waren sie beide nach ihrer Erweckung durch den Fluch der Hexe wie neugeborene Säuglinge, betrachtete man die Umstände, dass sie die Welt mit ihren Gebräuchen, Formen und Farben, ihrem Wissen, ihren Gerüchen und alledem erst kennen und verstehen lernen mussten. Desto erleichtert waren beide, dass sie einander hatten. Sie waren keine einsamen Löwen in der Prärie, sie waren zwei ausgeklügelte Wölfe. Ein Herdentier, dessen Stärke das Rudel ist. Und wie auch der Wolf seine Kameraden selbst in der finstersten Nacht findet, bemerkten die beiden Gargoyles ein ihnen bekanntes Geräusch; es war das Auf und Abschlagen von Flügeln, das sich über ihren Köpfen bildete. Zwei weitere ihrer Gattung hatten in ihren Kreis gefunden und gesellten sich hinzu. Es waren Orgun und Augustine. Von ihren tristen, steinernen Hüllen befreit, gaben Orgun und seine Gefährtin Augustine ein ebenso prächtiges Gemälde ab wie die beiden anderen Gargoyles. Orguns tiefseeblaue Augen waren mit einer kalten Strenge auf Viktor gerichtet. Er musterte ihn, seine Körperhaltung blieb indes gelassen. Seine schmalen Lippen verzogen sich hernach zu einem beruhigten Lächeln.

„Wir sind gleich“, bemerkte er.

„Sind wir eben nicht“, höhnte Viktor in einem schon fast verächtlichen Tonfall. Er streckte seine Hand aus und deutete mit dem Zeigefinger auf Orguns Flügel.

„Deine Flügel haben andere Merkmale als die unseren.“

Es stimmte, Orguns und Augustines Flugwerk wies ein paar Unterschiede zu den der beiden anderen auf. So war der Knochen, der am obersten Punkt der Flügel herausragte bei Viktor und seiner Begleiterin nach hinten gekrümmt, während die von Orgun und seiner Partnerin jeweils zu den Seiten rechts oder links zeigten. Zudem waren diese nicht mottenzerfressen und von einem weit kleineren Adernetzwerk geprägt.

„Trotz allem teilen wir ein gemeinsames Schicksal“, merkte Orgun etwas gekränkt an, „wir sollten uns nicht an Kleinigkeiten festmachen. Ich würde vorschlagen, wir suchen uns fürs Erste ein sicheres Versteck.“

Sie einigten sich darauf, gen Westen zu fliegen. Schon bald hatten sie andere ihresgleichen gefunden und der ursprüngliche Kreis der Gargoyles war wieder vereint. Sie erkannten die Unterschiede in ihrer Spezies und teilten sich fortan in zwei Gruppen auf, die Grimm und die Pearce. Da Orgun und Viktor solch schillernde Persönlichkeiten waren, überließ man ihnen die Rädelsführung. So formten die beiden Anführer ihre Klans nach ihren Wünschen. Sie hielten sich abseits der Menschenwelt, noch. Denn die glitzernden Lichter, die prächtigen Farben und die vielen Gerüche hatten ihren unsichtbaren Zauber auf die Welt der geflügelten Wesen geworfen und ihre Existenz unter ihnen schon bald zurückgefordert. Ein schwerer Fehler.

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