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Der Kartoffelverkäufer

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Sie sahen ihn schon von weiten auf sich zukommen, denn er fiel auf. Er war ein knurriger, unzufriedener Mann. Seine olle Jacke war halb geöffnet. Um den Hals trug er ein speckiges, rotes Halstuch und unter dem braunen Hut lugten fettige Haare hervor. Pünktlich war er an den Markttagen auf seinem zugewiesenen Platz. An seinem Zweimeterstand verkaufte er Kartoffeln. Kam eine Kundin und wollte ein halbes Kilo, machte er nur abweisende Handbewegungen, was so viel bedeutete wie „Weitergehen.“ Dafür stand er nicht von seiner ihm als Sitz dienenden Kiste auf, wenn er gerade nicht sowieso Kundschaft hatte. An einem frühen Markttag kam der Marktmeister mit einer jungen Frau und sagte, „Hier sind noch drei Meter frei, da können sie vorerst verkaufen!“. Die junge Frau brachte Obst und Gemüse mit, wollte auch sogleich den Stand aufstellen. Der Kartoffelverkäufer wurde mürrisch, drohte und schimpfte. Sich laut aufplusternd fragte er, „Was tust du hier? Bleib wo du bist. Keinen Zentimeter geb ich ab!“ Die junge Frau ließ sich nicht einschüchtern. Sie lächelte nur. Gegen Mittag packte er seine Sachen zusammen, lud alles auf einen kleinen Anhänger, spannte sein Moped davor, schob sein Gespann die kurze Straße entlang und fuhr davon.

Am anderen Morgen wurde er wieder laut. Sein Verhalten glich einem drohenden Gewitter. Er polterte und donnerte, um genug Platz zu haben. Als er für kurze Zeit seinen Stand verließ, legte die junge Frau ihm eine Birne in die Als er dies sah, stand er wie angewurzelt da. Er nahm die Birne aus der Waagschale, als müsse er Kohlen aus dem Feuer holen. Seine Blicke sagten das aus, was er dachte. Die junge Frau sah, wie er die Birne aß – er verschlang sie in seinem fast zahnlosen Mund. Der Saft tröpfelte durch seinen stoppeligen grauen Bart herunter auf seine staubige Hose. Mit dem Handrücken wischte er den Mund ab. Noch schmatzend sagte er zur jungen Frau „Wieg mir zwei Kilo davon ab!“ Ein zu erahnendes Lächeln lag auf seinen Lippen.

In den nächsten Wochen wurde der Markt wegen Bauarbeiten verlegt. Alle Stände waren schon am neuen Standort aufgebaut, nur der alte Kartoffelverkäufer wollte seinen angestammten Platz nicht verlassen. Er wurde von Bauarbeitern mitsamt seiner Kartoffelkiste auf die andere Straßenseite getragen. Seit diesem Tag ist der Kartoffelverkäufer nicht mehr gesehen worden.

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