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Historisches zur Ehe

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Hilfreich ist der Blick auf die historischen Anfänge dessen, was wir unter Familie verstehen. Im hellenischen Griechenland war mit „Oikos“ die Haushaltsgemeinschaft des freien Mannes, die die Ehefrau, die Kinder und die Bediensteten umfasste, gemeint und die auch die Wirtschaftsgemeinschaft umfasste. Die Ehe diente der Sicherstellung der leiblichen Nachkommenschaft, die für die Weitergabe des Erbes wichtig war.

Die historische Bezeichnung „Familia“ bedeutete im antiken Rom zum einen Haus, Hausstand, Vermögen und Besitz, zum zweiten Geschlecht und Familie und zum dritten Dienerschaft, Leibeigene und Hörige (Petschenig 1971). Das römische Patriarchat, gleichbedeutend mit „Herrschaft des Vaters“, unterwarf die Ehefrau, die Kinder und Sklaven dem Willen des „pater familias“. Dies schloss historisch seine sexuelle, rechtliche und ökonomische Verfügungsgewalt über die gesamte Haushaltsgemeinschaft ein. Der römische Mann heiratete, um sich die Mitgift der Frau zu sichern – ein beliebtes Mittel, um wohlhabend zu werden – und um in „rechtmäßiger Ehe“ Nachkommen zu zeugen, die als legitime Kinder das Erbe antraten (Veyne 1989). Es galt, für den Fortbestand des Staates zu sorgen; Kinder zu zeugen war „staatsbürgerliche Pflicht“.

Während die Vorstellung von der ehelichen Liebe später durch die christliche Doktrin eingeführt wurde, machte man sich im antiken Rom keine Illusionen über die Partnerliebe, wie das folgende Zitat zeigt:

Um das Jahr 100 v.u.Z. äußerte ein Zensor vor einer Versammlung von Bürgern: „Die Ehe ist, wie wir alle wissen, eine Quelle des Verdrusses; dennoch muss man heiraten, und zwar aus Bürgersinn.“ (Veyne 1989, 49)

Die Griechen verordneten dem antiken Oikos nicht nur die Ab- und Unterordnung unter das Gemeinwesen, sondern machten die Privatheit zum Ort der Bewahrung von Sittlichkeit. Auch kirchliche Theoretiker verbanden von Anfang an die Familie mit der christlichen Moral. Die Ehe wurde zum einzigen Ort der erlaubten Ausübung von Sexualität erklärt, was unzählige Probleme [27] verursacht hat. Darüber hinaus wurde sie als heilig erklärt und damit gefeit gegen alle rationalen Gegenargumente.

Kennzeichen von Familie in vorindustrieller Zeit war die Haushaltsgemeinschaft, zu der auch nichtverwandte Personen gehörten, da sich die Familie primär als Produktionsgemeinschaft verstand. Mitterauer (1978) hat zwar analysiert, dass es die Drei-Generationen-Familie früher nicht in dem Ausmaß gegeben habe, wie gemeinhin angenommen, die Kleinfamilie also nicht erst ein Produkt der Moderne sei. Trotzdem gilt, dass sie als exklusiver Ort der emotionalen Versorgung und Erziehung historisch neu ist.

In Österreich war die Ehe lange Zeit ein Privileg der Besitzenden und damit dem Bürgertum vorbehalten. Es galten zahlreiche Heiratsverbote für die mittellosen Klassen: Knechte, meist Geschwister der Bauernhof-Erben, durften nicht heiraten. In der Habsburgermonarchie galt für über der Hälfte der Untertanen ein Heiratsverbot, was auch die hohe Zahl der unehelich Geborenen besonders in landwirtschaftlichen Gebieten erklärt. Heiraten als Privileg der Oberschicht wurde daher zum ersehnten Ziel, das diesen Kindern und deren Eltern, die per Gesetz rechtlos und sozial sanktioniert waren, vorenthalten blieb.

In den letzten Jahrhunderten haben sich in Bezug auf die Funktionen von Familie einschneidende Veränderungen vollzogen. Einerseits verlor die Familie als Produktionsgemeinschaft an Bedeutung, dieser Bereich wurde in die Ökonomie verlagert. Außerhäusliche Berufstätigkeit wurde für Frauen aus der Arbeiterschaft seit Beginn der Industrialisierung üblich. Nur bürgerliche Frauen waren nicht berufstätig. Andererseits gewann der Zugriff des Staates durch den Ausbau des öffentlichen Erziehungswesens und der Sozialpolitik an Bedeutung – bisher familiale Aufgaben wurden zunehmend verstaatlicht. Und nach wie vor geriert sich das Eherecht als Garant für Privilegien, die dem unverheirateten Paar vorenthalten bleibt.

Das Versagen der Kleinfamilie

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