Читать книгу Das Versagen der Kleinfamilie - Mariam Irene Tazi-Preve - Страница 22
[55] Wo stehen wir?
ОглавлениеIn den USA wurde die Benennung der „Mutter“ als solche erstmals in die Kategorie des „hate crime“ gerechnet, weil damit Männer und Transsexuelle ausgeschlossen würden. Die Anschuldigung klingt absurd, entspricht aber einer „konsequenten“ Umsetzung von „intersectionality“, die an amerikanischen Universitäten46 dazu geführt hat, die Anerkennung von Verschiedenheit ad absurdum zu führen. Niemand dürfe aufgrund des Geschlechts davon ausgeschlossen werden, auch „Mutter“ zu werden. Eine mögliche Einklagbarkeit gegen jede, die sich Mutter nennt, wird somit salonfähig und spielt der Reproduktionstechnologie und ihren Bestrebungen zur leiblichen Abschaffung der Mutter perfekt in die Hände. Nicht nur das. Der neue Totalitarismus kann nichts mehr neben sich dulden (Werlhof 2015) und verbietet, dass noch ausgesprochen werden dürfe, dass es weiterhin zu 99% Frauen sind, die die Kinder gebären.
Wir stehen einer Welt der „Stepford Wives“47 gegenüber, einer Welt, in der Frauen durch Roboter ersetzt werden, um ihre Pflichten als Frauen und Mütter so zu erfüllen, wie es (Vater) Staat für sie vorsieht.48 Zu diesem Zweck muss man sie vorher „alchemistisch mortifizieren“ und sie durch eine materialisierte männliche Phantasie ersetzen. Aus Sicht der patriarchatskritischen Theorie ergibt das Resultat Sinn: Wir sind weit über die Beherrschung und Herabwürdigung der Mutter hinaus und haben eine Stufe erreicht, auf der der symbolische Muttermord längst akzeptiert ist und Mütter nach ihrer eigenen künstlichen Ersetzung rufen.
Das Patriarchat als Denk- und Gewaltform gibt die Umstände vor, unter denen Mutterschaft gelebt werden darf. Eine Mutterschaft unter Zwang resultiert aber in eine Fürsorge, die in Hass und Gewalt gegen die Kinder umschlagen kann. D.h. das Patriarchat pervertiert das „Sich-kümmern“ und „Muttern“, das sich nur in Freiheit entfalten kann, in ihr Gegenteil. Und die Abhängigkeit vom Ehemann hat sich in eine vom – prekären – Arbeitsmarkt verlagert.
Wir müssen verstehen, dass Müttern im Patriarchat nie etwas anderes als die Option zwischen unakzeptablen Möglichkeiten offeriert werden wird – [56] politisch als „Wahlmöglichkeiten“ angepriesen. Das ist, was ich die Mutterfalle nenne. Die Analyse der Umstände, in denen patriarchale Mütter leben, zeigt, dass „Gleichheit“ für Frauen ohnehin nur für kinderlose Frauen intendiert war, als Motto gilt, die Mutterschaft selbst sei das Problem. Die Ironie daran ist, dass auch für Frauen ohne Kinder die „Gleichstellung“ gar nicht erreichbar ist.