Читать книгу Über die großen Fragen des Lebens sprechen - Marie Krüerke - Страница 11
Wie unruhig ist es eigentlich bei uns?
ОглавлениеIn vielen Einrichtungen werden zwischen den Mahlzeiten Gruppenaktivitäten oder Einzelbetreuung angeboten. Diejenigen, die nicht daran teilnehmen (können), sitzen währenddessen im Gruppenraum oder Speisesaal und werden mit Radio oder Fernsehen beschallt. Häufig ist das Anschalten der Geräte eine reine Routine der Pflege- oder Betreuungskraft, keine bewusste Entscheidung für ein bestimmtes Konzert im Klassikradio oder eine ausgewählte Sendung im Regionalprogramm des Fernsehsenders. Entsprechend willkürlich und bedeutungslos ist die Musik oder das Geplapper, das vom Bildschirm ausgeht. Dadurch wird eine Stille im öffentlichen Raum der Einrichtung vermieden, eine tatsächliche Aktivierung oder Beschäftigung der zufällig anwesenden hochaltrigen Menschen wird damit aber nicht erreicht. Häufig entsteht einfach nur ein Klangteppich, der durch die Geräusche des Putzteams und der Küche verstärkt wird. Mit den Rufen von Kolleginnen, Kollegen und den teils unartikulierten Äußerungen kognitiv schwer betroffener Seniorinnen und Senioren summiert sich eine Geräuschkulisse, die primär unruhig und anstrengend ist. Da die Hörgeräte oft den Störschall genauso verstärken wie den gewollten Nutzschall (sprachliche Äußerungen in der Umgebung, Musik), verdoppelt sich häufig die akustische Unruhe in der Wahrnehmung der Bewohner:innen.
Viele hochaltrige Menschen reagieren dadurch nervös, gereizt, unkonzentriert und fahrig. Statt Radio und Fernseher lauter zu stellen, damit sie abgelenkt sind, wäre eine konsequente Reduktion der Unruhe viel zielführender.
Wann darf es bewusst ruhig auf der Station sein?
Wann bemüht sich das Team gemeinsam, die Bewohner:innen zu animieren und zu einem gemeinsamen Erlebnis mitzureißen?
Wann ist im zeitlichen Ablauf von Pflege und Mahlzeiten der passende Zeitraum für Gemeinschaft?
Wann kann die Zeit der Betreuung für einzelne Seniorinnen und Senioren genutzt werden?
Wann schalte ich das Radio oder den Fernseher ein? Für welche Person und warum?
Entspricht die Dauerbeschallung dem Wunsch der betroffenen Person tatsächlich oder möchte ich eine scheinbar drückende Stille vermeiden?
Welche Person mag die Stille lieber als Radio und Fernsehen?