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6.
ОглавлениеTief atmete Susanne Schäfer die frische Abendluft in die Lungen. Seit Tagen war sie nicht mehr auf der Straße gewesen, sie fühlte sich plötzlich wieder befreit, alle Angst war verschwunden.
Weit ausschreitend erreichte sie in wenigen Minuten die Kreuznach, einen schmalen kleinen Fluß, kaum größer als ein Bach, der sich teils über-teils unterirdisch durch die alte Stadt und den Kurpark schlängelte.
Auf der Brücke bei der Promenade blieb sie stehen. Sie nahm den Zettel mit der bösen Anschuldigung aus der Tasche, zerriß ihn in unzählige kleine Schnipsel, ließ sie in das hurtig dahinfließende Wasser hinabschweben. Dann holte sie den schweren kantigen Stein heraus, warf ihn mit kräftigem Schwung von sich – die Wellen spritzten hoch auf.
Lange starrte sie in das klare, rasch dahinströmende Wasser. Der Fluß war hier nur sehr niedrig, sie konnte im Licht der Laterne die braunen und grünlichen Steine auf dem Grund sehen.
Aber Susanne Schäfer wußte, daß die Kreuznach draußen vor der Stadt hinter dem Wehr tief und reißend wurde. Im vorigen Jahr hatte man einen jungen Mann dort geborgen, der aus Liebeskummer seinem Leben ein Ende gesetzt hatte. Wer dort einen Sprung wagte, war alle Sorgen los. Der Fluß gab keinen wieder heraus, den er einmal gepackt hatte.
War das der Ausweg? Die Rettung?
Susanne Schäfer war ein gläubiger Mensch. In ihrer Vorstellung war Selbstmord nicht nur Feigheit, sondern auch Sünde.
Und dennoch – was blieb ihr, da alle sich von ihr abgewandt hatten, noch anderes als der Tod? Und was hatte sie sonst verdient, wenn sie wirklich das war, was die Leute von ihr hielten – eine Mörderin? Wie konnte sie weiter leben mit dem Gefühl der Schuld, mit dem Gedanken an die tödlich verletzten kleinen Mädchen, die doch ihr anvertraut gewesen waren?
Susanne Schäfer zitterte nicht vor dem Tod, nicht einmal mehr vor der ewigen Verdammnis. Zu viel war über sie hereingebrochen. Sie empfand es als eine tiefe Beruhigung, als einen wirklichen Trost, daß sie die Kraft haben würde, sich selber zu richten, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gab.
Sie straffte die Schultern und ging weiter.
Sie schritt hoch erhobenen Kopfes aus, ohne nach links und rechts zu sehen, aber auch ohne vor entgegenkommenden Passanten auszuweichen oder auch nur das Gesicht zur Seite zu drehen. Sie wußte jetzt, wie die Stadt über sie dachte, und nahm es hin – die Jungen, die den Stein geworfen hatten, hatten nur das ausgedrückt, was sie von den Erwachsenen gehört hatten.
Das Haus, in dem Rektor Kagerer wohnte, grenzte an den großen Hof der Pestalozzi-Schule. Es war ein weißes Gebäude von fast klassischer Einfachheit, einstöckig, quadratisch, dessen einziger Schmuck in einem schmalen Sims und den knallgrün gestrichenen Fensterläden bestand.
Im Augenblick, da Susanne Schäfer klingelte, drohte Unsicherheit sie aufs neue zu überfallen: wenn Rektor Kagerer nun gar nicht da, wenn er mit seiner Familie verreist war?
Aber dann hörte sie schon leichte Schritte im Inneren des Hauses, das Licht im Treppenhaus flammte auf, die Türe wurde geöffnet. Susanne Schäfer sah sich ihrem Vorgesetzten gegenüber, einem schlanken, zierlichen Mann, dessen graues Haar weit aus der Stirn zurückwich und den Eindruck von ruhiger Intelligenz, den er ausstrahlte, noch verstärkte.
»Guten Abend, Herr Rektor«, sagte die junge Lehrerin, »entschuldigen Sie, bitte, daß ich Sie überfalle …«
Er unterbrach sie. »Ich hatte Sie schon seit langem erwartet, Fräulein Schäfer!« Er ließ sie eintreten, schloß die Tür hinter sich. »Um die Wahrheit zu sagen … es war einer der Hauptgründe, warum ich meine Familie vorerst alleine aufs Land geschickt habe.«
Susanne Schäfer hatte plötzlich das Gefühl, sich entschuldigen zu müssen. »Ich war krank, Herr Rektor … und ziemlich durcheinander, deshalb habe ich erst jetzt …«
Wieder fiel er ihr ins Wort. »Das ist mir völlig klar, Fräulein Schäfer, ich mache Ihnen keinen Vorwurf daraus.«
Er ging vor ihr her, öffnete die Türe linker Hand, die in sein großes, ebenerdiges Arbeitszimmer führte. Der Schein der Schreibtischlampe fiel auf Bücher und Hefte, ließ die Farben eines kleinen handgewebten Teppichs aufleuchten. Bücher, Hefte, Zeitungen, Zeitschriften und Kunstkalender lagen auf den Sesseln.
Rektor Kagerer schaffte für Susanne Platz. »Man merkt, daß die Frau nicht da ist«, sagte er, »ich gehöre leider zu den Männern, die dann ganz schnell wieder in ihre Junggesellenmanieren zurückverfallen … darf ich Ihnen etwas anbieten, Fräulein Schäfer? Vielleicht ein Glas Wein?«
Sie hätte gerne zugestimmt, aber sie wollte ihm nicht noch mehr Mühe machen – sie hatte den Eindruck, daß er nicht recht wußte, wo die Gläser standen, und daß die Küche noch voll benutztem Geschirr war. »Nein, danke«, sagte sie deshalb, »sehr nett von Ihnen.«
Sie setzte sich auf den Stuhl, den er ihr zuwies, sehr aufrecht, die Füße nebeneinander, die Knie aneinander gepreßt. Er zog sich einen Sessel zu ihr heran, rückte an den Gläsern seiner Brille, als wenn er sich noch besser betrachten wollte.
»Tja«, sagte er endlich, »da sind wir in eine schlimme Geschichte hineingeraten.«
Susanne Schäfer atmete tief durch. »Bitte, Herr Rektor, sagen Sie mir ganz ehrlich … war es meine Schuld?«
»Nun ja, vom Standpunkt Goethes ausgehend … wie sagt doch der Dichter? Ihr laßt den Armen schuldig werden, dann überlaßt ihr ihn der Pein …«
»Entschuldigen Sie, Herr Rektor«, sagte Susanne Schäfer schärfer, als sie es beabsichtigt hatte, »der Standpunkt Goethes interessiert mich überhaupt nicht. Das ist ja alles schon so lange her.«
Rektor Kagerer hob die schmale Hand. »Und doch ewig wahr. Sehen Sie, Fräulein Schäfer, man kann jedes Geschehen und somit auch diesen entsetzlichen Unfall, von den verschiedensten Aspekten aus betrachten.«
»Das weiß ich«, sagte Susanne Schäfer, »die Leute hier in Bad Kreuzfeld geben mir die Schuld daran … aber ich will wissen, ich muß wissen, was Sie darüber denken, Herr Rektor!«
Rektor Kagerer legte die Fingerspitzen seiner beiden Hände gegeneinander, betrachtete angestrengt seine sehr kurz geschnittenen Nägel. »Nun, es steht fest«, sagte er zögernd, »Sie haben sich Ihrer Aufgabe nicht ganz gewachsen gezeigt. Sie wissen ja selber, daß es auf dem kürzesten Weg zwischen Freibad und Schule einige ziemlich gefährliche Straßenübergänge gibt …«
»Ja, aber, wir hatten uns verspätet! Hätte ich es denn riskieren sollen, daß die Eltern sich Sorgen wegen der Kinder machten?«
»Natürlich nicht«, sagte Rektor Kagerer ruhig, »der Fehler, den Sie tatsächlich gemacht haben, geschah schon früher. Sie hätten die Kinder so rechtzeitig aus dem Wasser treiben sollen, daß Sie auf keinen Fall in Zeitnot hätten geraten können. Man muß immer unerwartete Zwischenfälle, wie etwa das Absakken der beiden kleinen Jungen, miteinkalkulieren, verstehen Sie, wie ich das meine?«
Susanne Schäfer ließ den Kopf sinken. »Ja, Sie haben recht, Herr Rektor. Ich … das Schreckliche ist, ich habe von Anfang an das Gefühl gehabt … es ist meine Schuld. Aber ich wußte nicht, was ich falsch gemacht habe. Erst jetzt, da Sie es mir sagen …« Sie erhob sich. »Ich danke Ihnen, Herr Rektor!«
»Wohin denn so eilig? Aber bleiben Sie doch, Fräulein Schäfer! Wir haben doch gerade erst angefangen, miteinander zureden.«
»Danke. Ich weiß jetzt alles. Alles, was ich wissen wollte.« Susanne Schäfer ging mit hölzernen Schritten zur Türe.
Rektor Kagerer sprang auf, erreichte sie mit wenigen Schritten, packte sie bei den Schultern. Er war einen halben Kopf kleiner als sie, dennoch strahlte sein ganzes Wesen eine Autorität aus, der sich auch die junge Lehrerin nicht entziehen konnte.
»Bleiben Sie und setzen Sie sich wieder!« befahl er. »Unser Gespräch ist noch nicht zu Ende. Sie werden nicht eher gehen, als ich es erlaube.«
Susanne Schäfer gehorchte. Sie starrte mit blicklosen Augen vor sich auf den bunten Fleckerlteppich. Ohne es selber zu merken, zerrte und drehte sie ihr Taschentuch zwischen den Fingern.
»Ich muß Ihnen das sagen, Fräulein Schäfer«, erklärte Rektor Kagerer, »es sollte Ihnen eine Lehre für die Zukunft sein. Kinder sind unberechenbar. Es ist falsch, sich darauf zu verlassen, daß alles wie am Schnürchen abläuft, wenn man vierzig Kinder beieinander halten muß.«
Susanne Schäfer sagte immer noch nichts. Sie hatte nur den einen Wunsch, daß Rektor Kagerer sie so bald wie möglich gehen lassen sollte. Sie wollte allein sein, keinen Menschen mehr sehen, niemanden mehr sprechen.
Aber Rektor Kagerer ließ nicht locker. »Verstehen Sie, was ich Ihnen sagen will?« fragte er direkt.
Susanne Schäfer nickte stumm.
»Sie haben also einen Fehler gemacht … aber tatsächlich steht dieser Fehler in keinem Verhältnis zu dem, was später passiert ist. Die Art, wie Sie dann mit der Klasse die Straße überquert haben, war völlig korrekt.«
Susanne glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. »Aber dann …«
»Selbst wenn die Klasse wie eine Hammelherde über die Straße gelaufen wäre«, sagte Rektor Kagerer, »hätte der Kraftwagenfahrer rechtzeitig bremsen müssen. Schließlich befanden sich alle Kinder auf dem Zebrastreifen. Nein, eine Schuld im juristischen Sinne kann Ihnen nicht angelastet werden, Fräulein Schäfer … um ehrlich zu sein, nicht einmal eine menschliche. Denn wer möchte schon von einem jungen Mädchen Vollkommenheit erwarten?«
»Aber die Leute«, sagte Susanne Schäfer, »alle sehen in mir die Schuldige. Sie wissen nicht, wie das ist, Sie können es sich nicht vorstellen … man schneidet mich auf der Straße, Was soll ich denn nur tun, um mich zu verteidigen?!« Sie konnte sich nicht länger beherrschen, rief verzweifelt: »Helfen Sie mir, Herr Rektor … nur Sie können mir helfen!«
Rektor Kagerer bewegte sich unruhig. »Nun, ich hoffe, daß unsere Aussprache Ihnen doch in gewissem Sinne Klarheit geschenkt hat …«
»Ja, ja! Ich bin froh, ich bin unendlich froh, daß Sie mich nicht wie die anderen für eine Mörderin halten! Ich hatte schon begonnen, an mir selbst zu zweifeln, ich konnte einfach nicht mehr klar sehen. Jetzt weiß ich endlich wieder …«
Rektor Kagerer fiel ihr ins Wort. »Schön«, sagte er, »sehr schön. Das freut mich ungemein, Fräulein Schäfer. Sie wissen ja, ein gutes Gewissen ist der beste Trost, den es in schweren Zeiten geben kann.«
»Wenn Sie auf meiner Seite stehen«, sagte Susanne Schäfer, »habe ich keine Angst mehr. Dann kann die ganze Stadt sich gegen mich stellen, ich bin sicher, dann muß alles wieder gut werden.«
Rektor Kagerer hatte sich erhoben. Er begann mit großen Schritten, die Hände auf dem Rücken, im Raum auf und ab zu gehen. Sein Schatten wurde übermächtig gegen die weiß gekälkte Rückwand des Zimmers geworfen. »Was Sie da von mir verlangen, Fräulein Schäfer«, erklärte er mit Überwindung, »geht über meine Kräfte. Es würde meine Kompetenzen bei weitem überschreiten. Ich kann in einer solchen Sache nicht Partei ergreifen.«
»Auch, wenn Sie wissen, daß man mir Unrecht tut? Wenn man mit Steinen nach mir wirft? Mich Mörderin schimpft?«
Rektor Kagerer blieb stehen. »Hat man das getan?«
»Ja«, sagte Susanne Schäfer.
»Das tut mir leid, tut mir aufrichtig leid. Aber ich ahnte, daß es so weit kommen würde. Ich ahnte es in dem Augenblick, als ich erfuhr, daß Dr. Wünning sich von Ihnen zurückgezogen hat. Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch, das soll keine Kritik an Dr. Wünning sein, ich bin ganz sicher, er wird seine guten Gründe gehabt haben, nur hat er den falschen Moment gewählt.«
Das Taschentuch, das Susanne Schäfer zwischen den Fingern gedreht hatte, zerriß mit einem scharfen Ton – sie merkte es erst, als sie die beiden Fetzen in Händen hielt. »Lassen wir meinen ehemaligen Verlobten aus dem Spiel«, sagte sie scharf, »jetzt geht es um Ihr Verhalten, Herr Rektor! Sie wissen, daß ich schuldlos bin … und dennoch wollen Sie sich weigern, mich zu schützen?«
»Ich bin Leiter einer Schule, es ist meine Aufgabe, über den Dingen zu stehen.« Rektor Kagerer brach ab, fügte in verändertem Ton hinzu: »Außerdem bin ich Familienvater, versuchen Sie, das doch zu begreifen. Ich muß an meine Stellung denken, meine Frau, meine Kinder.«
Sie hatte eine heftige Antwort schon auf der Zunge, da sah sie das Flackern in seinen Augen und begriff: Rektor Kagerer hatte Angst. Sie verstand, daß er sich beim besten Willen nicht von dieser Angst freimachen konnte, obwohl er sich seiner Feigheit schämte und sich seines Versagens bewußt war. Er hatte nicht die Kraft, über seinen Schatten zu springen.
Susanne Schäfer schluckte. »Ich verstehe«, sagte sie trocken, »aber wie soll es nun weitergehen? Wie soll ich nach den Ferien vor meine Klasse treten? Wie soll ich mir Respekt verschaffen? Und werden die Eltern es überhaupt zulassen?«
Rektor Kagerer zuckte die Achseln. »Wie sollte man Sie denn hindern?« fragte er unsicher.
»Das wissen Sie ganz genau. Es lassen sich immer Mittel und Wege finden. Wenn nicht einmal Sie hinter mir stehen, bin ich einfach … ausgeliefert.«
Rektor Kagerer sah an ihr vorbei, schien einen bestimmten Punkt oberhalb ihrer Schulter zu fixieren. »Selbstverständlich werde ich mich bemühen, Sie zu halten, solange es irgend möglich ist«, sagte er ausweichend.
»Und was dann? Herr Rektor, ich habe durch das Unglück viel verloren. Ich will mich nicht beklagen, denn die Eltern der Mädchen sind weit schlimmer dran, ich weiß. Ich bin bereit, jedes Urteil anzunehmen, wenn es zu einer Verhandlung gegen mich kommt … aber ich bin nicht bereit, mich ohne Gerichtsverhandlung und ohne Urteil in Acht und Bann tun zu lassen. Ich bin nicht bereit, meinen Beruf aufzugeben …«
»Aber nein, das verlangt doch auch niemand von Ihnen!«
»Nicht?« Susanne Schäfer hatte einen seltsam bitteren Geschmack im Munde. »Dann habe ich Sie wohl falsch verstanden.«
»Sie wollen mich falsch verstehen«, erwiderte Rektor Kagerer ärgerlich. »Herrgott, Mädchen, warum machen Sie es mir denn so schwer?! Begreifen Sie denn nicht, daß ich in einer Zwangslage stecke?!«
»Nein, beim besten Willen nicht.«
»Ich kann Ihnen doch nichts befehlen!«
»Das erwarte ich auch nicht von Ihnen«, Susanne Schäfer stand auf, strich sich den Rock glatt. »Ich habe Sie um einen Rat gebeten, Herr Rektor … was soll ich tun? Wie soll ich mich jetzt verhalten?«
Rektor Kagerer fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen. »Am besten wäre es natürlich, Sie würden um eine Versetzung eingeben!«
Susanne Schäfers Augen wurden sehr groß. »Ich soll … fliehen? Obwohl ich nichts verbrochen habe?«
Er fuhr sich mit der Hand in den Kragen. »Warum müssen Sie immer alles so übertreiben! Von Flucht kann doch keine Rede sein. Ich meine einfach … ziehen Sie sich vorläufig zurück, nur solange, bis die Gerichtsverhandlung stattgefunden hat. Ich bin sicher, dann werden Sie rehabilitiert, die Gemüter werden sich inzwischen beruhigt haben … glauben Sie mir doch, Fräulein Schäfer, das wäre die beste Lösung für alle!«
»Besonders für Sie!« sagte sie und um ihre Mundwinkel zuckte es.
»Auch für mich«, gab er unumwunden zu, »ich habe kein Interesse daran, zwischen den Fronten aufgerieben zu werden.«
Susanne schwieg, biß sich auf die Lippen.
»Glauben Sie mir«, sagte Rektor Kagerer warm, »ich meine es nur gut mit Ihnen. Sie sind zu schwach, diesen Kampf auszukämpfen, auch wenn Sie tausendmal im Recht sind … Sie können es einfach nicht, ganz allein und auf sich gestellt. Ersuchen Sie um Versetzung … die Zeit wird für Sie arbeiten.«
Er ging zum Schreibtisch, zog ein Formblatt unter der Briefmappe hervor.
»Kommen Sie«, sagte er, »füllen Sie das hier am besten gleich aus … ich werde meine Befürwortung darunter setzen. Das Schulamt wird bestimmt verstehen …«
Susanne Schäfer kam langsam näher. »Bis zum Beginn des neuen Schuljahres«, sagte sie, »bleiben noch immerhin vier Wochen … bis dahin könnte sich doch noch einiges ändern.«
Er verstand sie falsch, und sie hatte das Gefühl, daß er es absichtlich tat. »Ich kann verstehen, daß Sie keinen Tag länger als nötig hierbleiben möchten«, sagte er, »aber da kann ich Ihnen glücklicherweise helfen. Auf Schloß Kleeberg beginnt Anfang nächster Woche ein Kurs für Junglehrer und Junglehrerinnen … möchten Sie da nicht teilnehmen? Der Kursusleiter, Professor Silberschmied, ist ein guter Freund von mir, ich könnte …«
Rektor Kagerer redete noch viel, er redete weiter und weiter, aber alles, was er sagte, rauschte an Susanne Schäfers Ohren vorbei. Halb betäubt von der Erkenntnis, daß selbst der Mann, auf dessen unbeugsamen Gerechtigkeitssinn sie sich fest verlassen hatte, ihr nicht helfen konnte und nicht helfen wollte, unterschrieb sie alles, was er ihr vorlegte.