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3 Die Ringstraße am Attersee. Familie Paulick Seewalchen, Promenade 12

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»Fast in allen Monumentalbauten die den Glanz der Ringstraße ausmachen, hat Paulick die inneren Einrichtungen besorgt oder zumindest hat er daran mitgewirkt. So in der Hofoper, in der neuen Universität, im Rathause, in den beiden Hofmuseen, im neuen Burgtheater, im kaiserlichen Jagdschlosse im Lainzer Tiergarten und im Sühnhause auf dem Schottenring. Unter Hansen war er Bauleiter bei der Erbauung des Arsenals. In der Votivkirche ist die prächtig geschnitzte, mit Intarsien gezierte ›Session‹ das heißt das Gestühle vor dem Hochaltar, ein Geschenk Paulicks. Mit den großen Architekten und Künstlern, die an der Verschönerung Wiens mitwirkten, war Paulick vielfach befreundet.«18

Friedrich Paulick prägt das Bild der Ringstraße im Inneren – und trägt den Historismus in seiner intensivsten Ausprägung auch an den Attersee. Es ist kein Zufall, dass sich die Villa Schmidt (siehe Kapitel 4) und die Villa Paulick in nachbarschaftlicher Nähe zueinander befinden, bieten sie doch beide tiefe Einblicke in die Architektur und Innenausstattung ihrer Zeit. Die Villa Paulick sticht sofort ins Auge: der hohe Turm, die asymmetrische Bauweise, die vielen Erker, Balkone und Details, die auf einmal gar nicht zu erfassen sind. Friedrich Paulick, der studierte Architekt, hat für die Planung zwei Kollegen aus seiner Studienzeit bei Siccardsburg und van der Nüll, den Erbauern der Wiener Staatsoper, zu Hilfe geholt, die seit 1874 ein gemeinsames Architekturbüro betreiben: Friedrich König und Rudolf Feldscharek. Unter Mitwirkung des Bauherrn realisieren sie in nur zwei Jahren eine Villa, die ein Muster des Historismus darstellt und in ihrer Unregelmäßigkeit gleichzeitig jede Norm sprengt. »Die ›Verunklärung‹ der ›Ordnung‹ im Grundriß geht so weit, daß das Stiegenhaus nicht nur abseits des Haupteinganges als Wendeltreppe im Turm untergebracht ist, sondern nicht einmal durch alle Stockwerke durchlaufend ist,«19 versucht Monika Oberhammer die Verwirrung in Worte zu fassen. Wie oft sich die Besucher wohl verirrt haben?

»Für die Konzeption der Pläne war vor Allem der Punkt massgebend, dem Bauherrn selbst möglichst Gelegenheit zu geben, mit seinen eigenen, trefflichen Arbeiten hervortreten zu können. In Folge dessen wählten die Architekten eine Holzgiebel-Architektur, und die Anlage der Giebel war wieder bestimmend für die Grundriss-Anordnung«, informiert die Allgemeine Bauzeitung 1880, drei Jahre nach Fertigstellung.


Die beeindruckende Architektur der Villa Paulick, abgebildet in der Allgemeinen Bauzeitung, 1880

Von den Veranden »geniesst man die herrlichste Aussicht über den ganzen See bis Weissenbach«20. In diese Richtung blickt häufig Friedrich Paulick junior, denn vis-à-vis verbringt eine junge Dame ebenfalls ihren Sommer: Hedwig Brauner, deren Vater Josef federführend am Aufbau einer der größten und bedeutendsten Wagenfabriken, der späteren »Lohnerwerke«, beteiligt war. Diese gehen mit der Zeit: Prachtvolle Kutschen werden im Sortiment von Pferdewagen abgelöst, später folgen Automobile mit Benzin- oder Elektromotor. Die technische Entwicklung bestimmt das Geschäftsmodell: In den 1920er-Jahren faszinieren Flugzeuge und Motorboote die Menschen – auch am Attersee, wo im Jahr 1930 das erste Motorbootrennen veranstaltet wird. Und am nahe gelegenen Wolfgangsee wird im Jahr 1925 sogar eine Flugverbindung von Wien nach St. Wolfgang eingerichtet – die Technikbegeisterung reicht bis in die Sommerfrische.


Ansichtskarte der Villa Brauner, später Villa Langer

Friedrich und Hedwig heiraten, ihre Tochter Hedwig wird der väterlichen Villa später durch ihre Heirat mit Gustav Langer den wohlbekannten Namen Villa Langer verleihen, der auch heute noch in großen Lettern an der Fassade prangt.

Doch nicht nur Friedrich Paulicks Sohn genießt die Sommerfrische, auch seine drei Töchter prägen die Traditionen der Villa in unterschiedlicher Art und Weise. Emmas Mann Paul Bacher übernimmt im Jahr 1904 die angesehene Kunsthandlung und Galerie Miethke im Palais Eskeles in der Wiener Dorotheergasse und ändert deren Ausrichtung der Zeit entsprechend radikal: Statt Verlassenschaften ehrwürdiger Zeitgenossen seines Schwiegervaters zu vermarkten, möchte er als Freund Gustav Klimts der Secession eine Plattform für den Verkauf ihrer Werke bieten – doch das kommt bei seinem Kollegen Josef Engelhart gar nicht gut an. Am Ende der daraus folgenden Auseinandersetzungen steht 1905 Klimts Austritt aus der Secession. Zwei Jahre später stirbt Paul Bacher mit nur 40 Jahren. Emmas zweiter Mann, Richard Teschner, spielt ebenfalls eine sehr spezielle Rolle in der Kunstszene. Er geht als Künstler vielfältige Wege, arbeitet erfolgreich als Maler und Grafiker, stattet eine sensationelle und bahnbrechende Aufführung von Pelléas et Mélisande am Neuen Deutschen Theater Prag aus und findet dann seine Berufung: sein Puppentheater eigenwilliger und verzaubernder Prägung, das heute im Österreichischen Theatermuseum nach wie vor seinen speziellen Zauber entfaltet. Seine Figuren werden durch Puppen auf Stäben zum Leben erweckt, die Teschner selbst schafft und auf der von ihm konstruierten und ausgestatteten Bühne in Szene setzt. Seine 1911 mit Emma Bacher geschlossene Ehe bietet dem Künstler die finanzielle Basis für sein künstlerisches Wirken – und auch viele Sommer in Seewalchen, wovon zahlreiche Fotos zeugen. Denn auch Emma ist nicht untätig, sie leitet nach Pauls Tod die Galerie und bannt die Sommergesellschaft in der Villa Paulick auf Fotos – es entstehen wunderbare Aufnahmen, die die Unbeschwertheit und Fröhlichkeit der hier verbrachten Wochen deutlich erkennen lassen.

Richard Teschner erhält 1914 den Auftrag, das Palais des Großindustriellen Josef Kranz auszustatten. Dieser empört die Wiener Gesellschaft zu jener Zeit mit einer Beziehung zur Schriftstellerin Gina Kaus, 30 Jahre jünger als er. Die Situation wird unhaltbar, daher greift Kranz zu einem Trick und adoptiert Gina im Jahr 1916, um die äußere Form zu wahren. Gina bricht jedoch aus dem goldenen Käfig aus, Kranz heiratet 1921 die 40 Jahre jüngere Lilly Geiringer – und dies führt uns wiederum an den Attersee (siehe Kapitel 19). Nach zehn Jahren beendet Richard Teschner seine Tätigkeit für Kranz und wendet sich wieder verstärkt dem Kunsthandwerk zu. Entwürfe für die renommierten und alteingesessenen Wiener Firmen Lobmeyr und Klinkosch zeugen davon.21

Eine sehr kunstbeflissene Familie also, die Paulicks. Emmas Schwester Marie heiratet den Hofburgschauspieler Jakob Schreiner, ihre Schwester Therese ehelicht 1906 Hermann Flöge, der als Prokurist in der Wiener Niederlassung der Dornbirner Spinnereifabrik Herrberger & Rhomberg tätig ist – und damit in einem Metier, das auch ihm die Möglichkeit für künstlerische Interessen bietet: Seine Meinung zu Stoff-Designs zählt. Kein Wunder, denn der Modesalon seiner Schwestern erfreut sich großer Wertschätzung.


Gustav Klimt beobachtet vom Bootshaus der Villa Paulick den Fortschritt einer Regatta, 1904.

Doch wie lernen sich Therese und Hermann kennen? Sechs Jahre zuvor, im Jahr 1900, bringt Paul Bacher seinen Freund Gustav Klimt nach Seewalchen – eine auf vielen Ebenen glückliche Fügung. Klimt findet Inspiration in der Landschaft, den Häusern und dem See, in Wiesen und Wäldern – zahlreiche seiner Gemälde sind der wunderbaren Landschaft des Salzkammergutes in den verschiedenen charakteristischen Sommerstimmungen zu verdanken. Er bringt Emilie Flöge samt Familie mit nach Seewalchen, und daraus entwickelt sich eine freundschaftliche, bald familiäre Beziehung zwischen den Paulicks und den Flöges, Gustav Klimt gehört selbstverständlich dazu. Die Sommer plätschern dahin – dieses Gefühl vermitteln jedenfalls viele erhaltene Briefe dieses Kreises. Spaziergänge, Jausen und Bootsfahrten wechseln einander ab, Klimt sucht Ruhe und Inspiration und erfreut sich zugleich an der anregenden Gesellschaft – eine gute Mischung, aus der Bilder entstehen, in denen die Atmosphäre der Attersee-Sommer in unvergleichlicher Weise erhalten bleibt.

Die Villen vom Attersee

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