Читать книгу Lady Trents Erbe: Aus der Finsternis zum Licht - Marie Brennan, Marie Brennan - Страница 19
ОглавлениеVon: Charlotte Camherst
An: Audrey Camherst
23. Pluvis
Clarton-Platz 3, Falchester
Liebste Audrey,
wie du sehen kannst, bin ich in Falchester! Wir sind letzte Woche angekommen und waren seitdem so beschäftigt, dass das hier der erste Moment ist, den ich habe, um mich hinzusetzen und dir zu schreiben. Gibt es kein Telefon, wo du bist? Papa hat mir erzählt, dass Stokesley nicht so sehr weit entfernt ist, nur über die Grenze in Greffen – bitte sag mir, dass du zu Besuch kommst, während ich hier bin. Ich weiß, dass du formelle Bälle und so etwas verabscheust, aber es würde mir so viel bedeuten, dich wenigstens für ein paar Tage bei mir zu haben.
Wenn sonst schon nichts, musst du einfach das Kleid sehen, das ich zu meiner Präsentation bei Hof getragen habe. Es ist absolut antik – nicht buchstäblich, weil es natürlich speziell für mich genäht werden musste, aber es unterscheidet sich nicht sehr von dem, das Großmama getragen haben muss, als sie präsentiert wurde. Warum müssen verstaubte alte Zeremonien in verstaubter alter Kleidung durchgeführt werden? […]
[…] Aber ich möchte dich nicht mit Gerede über Leute langweilen, die du nicht kennst und um die du dich nicht scherst. Ich habe Lady Cossimere nur erwähnt, weil ich dir von der seltsamen Sache erzählen wollte, die an jenem Abend passiert ist.
Irgendwann, als ich stehen geblieben war, um wieder zur Puste zu kommen, habe ich gehört, wie Lord Gleinleigh angekündigt wurde. Also bin ich natürlich sofort an eine Stelle gesprintet, von wo aus ich den Eingang sehen konnte, weil ich wissen wollte, wie er aussieht. Ich dachte, tja, wenn meine Schwester Tafeln für ihn übersetzt, sollte ich Hallo sagen. (Es gibt immer noch Leute hier, die darauf beharren, dass eine Dame nie ein Gespräch mit einem Mann anfangen sollte, dem sie nicht vorgestellt worden ist – kannst du das glauben? Zum Glück habe ich Cousine Rachel hier, um ein vernichtendes Starren einzusetzen, wenn nötig.)
Also habe ich Lord Gleinleigh gesehen. Aber dann musste ich mit Mr. Trunberry tanzen, und eines kam zum anderen, und eine ganze Stunde verstrich, ehe ich eine Gelegenheit bekam, auch nur daran zu denken, mit Lord Gleinleigh zu reden, und dann musste ich ihn natürlich im Gedränge suchen. Schließlich fand ich ihn oben auf der Galerie, die um den Ballsaal von Lady Cossimere führt … wo er mit Mrs. Kefford sprach.
Ich war so schockiert, wie du jetzt bist! Und ja, ich bin sicher, dass sie es war. Vergiss nicht, dass ich an jenem Tag bei dir war, als wir Großpapa zum Mittagessen getroffen haben – wie du dich erinnerst, nachdem er das Synedrion dazu bekommen hatte, dafür zu stimmen, den Kongress auszurichten, und danach diesen unglaublich öffentlichen Streit mit ihr in der Säulenhalle draußen hatte.
Es sollte mich nicht überraschen, dass sie bei Lady Cossimere war. Jeder, der jemand ist oder sein will, kommt zu ihren Gesellschaften, und Mrs. Kefford ist unbestreitbar jemand, selbst wenn ich wünschte, sie wäre es nicht. Aber mit Lord Gleinleigh zu reden? Und es wirkte auch wie ein richtiges Gespräch. Ich meine, dass sie einander eindeutig kannten, und wenn sie nur das Wetter diskutiert hätten, dann habe ich nie gewusst, dass Regen eine so ernste Sache sein kann. Es wirkte, als würde Lord Gleinleigh versuchen, Mrs. Kefford von irgendetwas zu überzeugen. Er war sehr ernst und energisch, und sie wirkte fasziniert, aber auch ein wenig verärgert. Ich wollte wirklich nähertreten und lauschen, aber es bestand absolut keine Chance – besonders nicht, weil es bei diesen Veranstaltungen wenige Mädchen gibt, die so dunkelhäutig sind wie ich. Lord Gleinleigh hätte mich auf jeden Fall als deine Schwester erkannt, und Mrs. Kefford hätte sich vielleicht an mich erinnert, besonders weil ich ihnen sehr nahe hätte kommen müssen, um irgendetwas zu hören.
Aber ist das allein nicht seltsam? Ich hatte keine Ahnung, dass Lord Gleinleigh Mrs. Kefford überhaupt kennt, ganz zu schweigen davon, dass er ihr so nahesteht. Ich vermute, dass er wohl im Synedrion ihrem Mann hätte begegnen können, aber sie vertreten Sitze in unterschiedlichen Kammern und sind nicht als Freunde bekannt. Oder vielleicht haben Mrs. Kefford und er sich auf dem Kontinent kennengelernt. Wie ich höre, verbringt sie dort sehr viel Zeit, und sie könnte uns allen einige Kopfschmerzen ersparen, wenn sie dauerhaft in Ecraie wohnen bleiben würde. (Na ja, es würde Scirland einige Kopfschmerzen ersparen. Aber dann hätten die Leute in Thiessin diese stattdessen.) Sie sammeln beide drakoneische Antiquitäten, also könnten sie sich vielleicht über jene Kanäle kennengelernt haben. Aber sie ist extrem gehässig zu ihnen – den Drakoneern, meine ich, nicht den Antiquitäten –, und Lord Gleinleigh nicht, erst recht nicht, wenn er dich jene Tafeln für ihn übersetzen lässt. Ich bin überrascht, dass er überhaupt gewillt ist, ein zivilisiertes Wörtchen mit Mrs. Kefford zu sprechen, oder sie mit ihm. Wenn sie nicht so viel von ihrem Vermögen für Antiquitäten ausgeben würde, würde ich schwören, sie sei eine Hadamistin, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, wie sie mit einer roten Maske herumläuft.
Jetzt habe ich mit gemeinen Spekulationen die Stimmung völlig gekippt. Und dennoch ist das einzige andere Thema, über das ich schreiben könnte, Firlefanz und die Jagd nach einem Ehemann, also werde ich aufhören, bevor ich noch irgendetwas schlimmer mache. Ich bleibe, wie immer,
Deine dumme und frivole Schwester
Lotte