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Von: Büro des Kurators für drakoneische Antiquitäten

An: Alan Preston

14. Nivis

Tomphries-Museum

Chisholmstraße 12, Falchester

Lieber Alan,

also gut, du gewinnst. Lord Gleinleigh ist jedes bisschen so unausstehlich, wie du mich gewarnt hast. Ich bin durch die Dunkelheit gefahren, nur um in einem Gasthof zu übernachten, statt die Gastfreundschaft dieses Mannes für die Nacht anzunehmen.

Seine Privatsammlungen sind auf jeden Fall so erstaunlich, wie die Gerüchte behaupten, aber es ist schwierig für mich, irgendetwas zu bewundern, wenn ich weiß, dass er die Hälfte davon auf zweifelhaften Märkten in Übersee und die andere Hälfte auf zweifelhaften Märkten hier in Scirland erstanden haben muss. Er ist genau die Art von Kunde, die Joseph Dorak und sein Schlag gerne kultivieren: Er schert sich eindeutig gar nichts um die Artefakte an sich, nur um das Prestige, das sie ihm bringen, besonders das drakoneische Material. Wenn ich allein an die Flachreliefs denke – Schätze, die von ihren ursprünglichen Heimen abgemeißelt wurden, um die Mauern jenes Klotzes zu dekorieren, den er einen Landsitz seiner Vorfahren nennt, und die wahrscheinlich an unsere Küsten geschmuggelt wurden –, ich sage es dir, dann könnte ich weinen. Die akhische Regierung hätte ihm nie die Erlaubnis gegeben, den Qajr abzusuchen, wenn sie die geringste Ahnung gehabt hätte, dass er dort irgendetwas Wertvolles finden würde. Jetzt besitzt er das, was die Zeitungen beharrlich »den größten archäologischen Fund seit dem Herz der Wächter« nennen (pah – ich würde wetten, dass er diese Berichterstattung selbst bezahlt hat), und es gibt nichts, was irgendjemand dagegen tun kann.

Ich kann mich nicht entscheiden, ob es besser oder schlimmer wäre, wenn er überhaupt irgendein Talent für Sprachen hätte. Solches Wissen würde ihm noch größere Hochachtung für das schenken, was er gefunden hat. Auf der anderen Seite würde er sich wahrscheinlich dazu entschließen, die Inschriften selbst zu erforschen, und es zweifellos vergeigen, denn er besitzt nicht die Geduld, um es gut zu machen. So wie es aussieht, bewacht Lord Gleinleigh seinen Fund so eifersüchtig, dass ich stundenlang mit ihm diskutieren musste, ehe er mich überhaupt das Ganze sehen lassen wollte statt einiger verstreuter Tafeln – unbenommen der Tatsache, dass man keinesfalls von mir erwarten kann, eine gut informierte Beurteilung des Materials abzugeben, wenn ich keine Informationen habe, nach denen ich urteilen kann.

Aber schließlich habe ich ihn überzeugt, und so kommt hier der langen Rede kurzer Sinn:

Der Hort besteht aus zweihunderteinundsiebzig Tafeln oder deren Fragmenten. Einige von diesen Fragmenten gehören wahrscheinlich zusammen. Es gibt zumindest drei Paare, bei denen ich mir sicher bin, aber deutlich mehr, die weiterer Untersuchungen bedürfen. Wenn ich raten müsste, liegt die endgültige Zahl näher an zweihundertdreißig.

Ihr Zustand ist höchst unterschiedlich, obwohl unklar ist, wie viel davon an einer schlecht gemachten Konservierung liegt. So viel muss ich ihm zugestehen. Gleinleigh war zumindest vernünftig genug, sich sofort darum zu kümmern, also sollten wir hoffentlich keine weiteren Schäden durch Salz sehen. Aber einige Tafeln sind ziemlich verwittert (das waren sie schon, bevor sie vergraben wurden, kann ich mir vorstellen), und manche sind an der Oberfläche stark abgebröckelt, was, wie ich befürchte, eine Entzifferung jener Abschnitte schwierig, wenn nicht unmöglich machen wird.

Was die Themen betrifft, gibt es eine ganze Reihe, und ich hatte nicht genug Zeit, um mir mehr als einen kurzen Überblick zu verschaffen. Einige Listen von Königinnen, manche, die in Kalkstein geritzt sind und wie königliche Dekrete aussehen, ziemlich viele, die wie völlig prosaische Steuerlisten erscheinen. (Manchmal glaube ich, dass die literarische Produktion der drakoneischen Zivilisation zu fünfzig Prozent, wenn nicht mehr, aus Steuerlisten besteht.)

Aber was den Rest angeht … Ja, die Gerüchte sind wahr, oder zumindest denke ich das. Vierzehn der Tafeln sind auf die gleiche Größe und Dicke behauen, und wie es aussieht, war die Hand desselben Schreibers bei ihnen an der Arbeit. Sie scheinen einen fortgesetzten Text zu bilden, der auffällig archaischen Eigenschaften der Sprache nach zu urteilen – sie ist mit obsoleten Zeichen durchzogen, die es zu einer ziemlichen Herausforderung machen, irgendetwas zu entziffern. Das Wenige, was ich auf den ersten Blick erkennen konnte, ist anscheinend eine Erzählung. Ob Lord Gleinleigh damit recht hat, es die »verlorene Geschichte der drakoneischen Zivilisation« zu nennen, kann ich ohne weitere Untersuchungen nicht sagen, aber es ist fraglos ein atemberaubender Fund.

Und bei einem solchen Mann völlig verschwendet.

Allerdings gibt es Hoffnung! Angesichts dessen, wie widerwillig Gleinleigh war, mich die Tafeln sehen zu lassen, dachte ich, ich müsste Monate damit verbringen, ihn zu überreden, sie übersetzen und veröffentlichen zu lassen. Aber offenbar ist ihm bewusst, dass sich in fünf Jahren niemand mehr darum scheren wird, was er gefunden hat, außer man weiß, was da steht, denn er schlug vor, sie zu übersetzen, bevor ich dies überhaupt ansprechen konnte. Noch dazu habe ich ihn überzeugt, dass die Würde seines uralten Namens verlangt, dass man diesen Tafeln die größtmögliche Sorgfalt und Aufmerksamkeit widmet. Deine Gedanken schweifen schon in eine bestimmte Richtung, da bin ich sicher, aber ich möchte dich überraschen, indem ich dich zwei Generationen weiter lenke: Ich denke, wir sollten Audrey Camherst rekrutieren.

Meiner Meinung nach ist sie, was Kenntnisse in der drakoneischen Sprache angeht, ihrem Großvater locker ebenbürtig. Darüber hinaus hat sie den Vorteil ihres Geschlechts. Du hast selbst gesagt, dass Lord Gleinleigh jeden Mann, der in seine Nähe kommt, entweder als Untertan oder Bedrohung für sein eigenes Prestige betrachtet, was uns zu dieser Gelegenheit beides nicht gut dienen würde. Miss Camherst wird ihn, weil sie eine Frau ist, nicht zu solchen Überlegenheitsdarstellungen provozieren. Und wenn er doch versucht, mit seiner Bedeutung aufzutrumpfen – tja, Audrey kann den Namen ihrer Großmutter als Waffe und Schild gleichsam führen. Dadurch, dass die Aufmerksamkeit ihrer Familie sich derzeit darauf konzentriert, den Kongress in Falchester nächsten Winter vorzubereiten, bezweifle ich, dass ihr Großvater die Zeit und Sorgfalt aufbringen könnte, die diese Aufgabe verlangt, aber Audrey würde die Chance ergreifen.

Ich habe sie noch nicht bei Lord Gleinleigh empfohlen, weil ich denke, dass die Dame eine gewisse Warnung verdient, bevor ich ihn an ihrer Türschwelle auftauchen lasse. Aber wenn du kein starkes Gegenargument hast, habe ich vor, ihr so bald wie möglich zu schreiben. Die Welt lechzt danach zu sehen, was jene Tafeln zu sagen haben, und wir sollten sie nicht warten lassen.

Dein Freund

Simeon

Lady Trents Erbe: Aus der Finsternis zum Licht

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