Читать книгу Daskind - Brandzauber - Angeklagt - Mariella Mehr - Страница 9
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ОглавлениеEin Frostflaum auf den Lippen des Kindes. Auf der Suche nach dem ordentlichen Leben wandert es zum Friedhof, der hinter der Michaelskirche liegt. Kann sich selbst nicht gelingen, wenn es die Toten zu lange meidet. Der Friedhof, für Daskind die siebente Tür, hinter der das Paradies sich befindet. Von der Welt abgenabelt, liegen sie unter der Erde, harren geduldig der Zersetzung durchs Gewürm. Das muss das Paradies sein, diese passive Art, sich des lästigen Körpers zu entledigen. Die einzige Möglichkeit, dem Herrn die Macht über das gewesene Fleisch zu stehlen, sich zurückzuholen, was ihm angeblich gehört. Weil keine Maden zur Hand sind, legt sich Daskind rote Regenwürmer auf die nackten Beine, hofft es auf die Gier der roten Fresser und bietet ihnen seine Haut bedingungslos zum Fraß. Aber die wollen nichts vom Kind, fallen vom Bein, verschwinden in der Erde. Bedauernd verfolgt Daskind ihren Rückzug.
Im hintern Teil des Friedhofs, unweit der Friedhofsmauer, die alte Eibe. Der Baum wächst in den Himmel wie die Tannen. Daskind weiß nicht, was für ein Schmerz so hoch hinauf zwingt, wie viel Glanz man ihm genommen oder welchem Gesang er sich so verzweifelt entgegenstreckt. Jedenfalls scheint er ein trauriger Baum zu sein. Daskind streicht mit den Händen über die rötlich braune Rinde, umfasst den Stamm, um das Herz schlagen zu hören. Mit den Bäumen kennt es sich aus. Und die Bäume mit dem Kind. Dieser hier ist nicht nur ein trauriger Baum, in der Blüte wird er ausgesprochen freundlich, wenn sich ein Mensch in seinen Schatten legt. Das tut Daskind im Frühling, wann immer es kann, denn auch für die Friedhofspaziergänge muss man sich davonschleichen, Frieda Kenel überlisten, das Haus ungesehen verlassen und dafür sorgen, dass die Gartentür nicht knarrt. Bleibt der Weg durchs Dorf, an Kellers Laden vorbei zum Italiener, der in seinem Schaufenster Kämme, hübsche Frauenfrisuren, Scheren, Rasiermesser, Seifen und dicke Pinsel aus Dachshaar feilbietet. Dann der Hauptstraße entlang zur alten Schule, wo jetzt im Dachgeschoss die zwei Lehrerinnen wohnen, Nonnen in schwarzen Gewändern und Schleiern. Schwester Guido Maria betreut die erste Klasse, Schwester Eva die zweite und dritte, die höheren Klassen werden von Lehrern unterrichtet.
Die unteren Stockwerke des alten Holzbaus dienen nicht mehr als Schule. Daskind liebt diese Räume, die knarrenden Bretter unter den Füßen, das weiche Licht, wenn die Sonne die langen Fensterreihen mit den staubigen Scheiben bescheint. Die niedrigen Bänke sind mit Nachrichten vollgekritzelt; Bruno libt Mari, die Vreni den Josef, auch: Rösi ist eine tume Kuh, Zahlen, pfeildurchbohrte Herzen, Gedächtnisstützen, Fratzen und Karikaturen. In den Tintenfässern vertrocknet die Tinte zu unansehnlichen Klümpchen, da und dort liegen noch angekaute Federhalter, gebrauchte Löschblätter, alte Schulbücher. An den Wänden hängen Zeichnungen, das Papier schon etwas vergilbt und brüchig.
Der blau gekachelte Holzofen ist nicht ausgeräumt. Niemand hat sich nach dem Umzug die Mühe genommen, die Schulräume zu reinigen. Als hätten die Kinder in letzter Minute flüchten müssen, alles zurücklassend, was nicht unbedingt notwendig war, so sieht es aus, und das liebt Daskind, das nicht flüchten kann.
Den Kiesplatz vor dem neuen Schulhaus durchquert Daskind im Laufschritt. Das rhythmische Knirschen unter den Sohlen nicht achtend, huscht es an den blank geputzten Fensterreihen vorbei und übersieht die glotzenden Kinder hinter den Scheiben. Dann ist das Schulhausportal zu überwinden, wo der Schulwart mit der Pfarrhaushilfe plaudert und mit der Faust droht, wenn Daskind zu nahe kommt. Das Schulhaus, den Schulwart und die Pfarrhaushilfe im Rücken, streicht es auf Zehenspitzen der Rosenhecke des Kirchgartens entlang, am schlafenden Köter des Sigristen vorbei, dringt zur St. Michaelskirche vor und nähert sich endlich dem Friedhofstor. Das heisere Geräusch des eisernen Tors zerschneidet Stille und Zeit, dem Kind fällt das Dorf ab, es ist für die Eibe bereit.
Die Freundlichkeit des Baumes liegt in seinem Duft, den er großzügig verströmt. Ein bitterer, schwerer Geruch, der sich zuerst auf Gaumen und Nasenschleimhäute legt und das Irdische in den Gedanken begrenzt. Nach einem leichten Brechreiz und einer kurzen Dumpfheit in Gehirn und Gliedmaßen füllen sich die Lungen mit weicher, leicht salziger, fließender Luft. Diese Luft nimmt dem Körper die Schwerkraft und gibt ihm die Bedürfnislosigkeit der Zeit im mütterlichen Bauch zurück. Der Duft der blühenden Eibe bemächtigt sich der Haut, macht sie fügsam und willig, dringt in die Poren vor, in jene Bereiche, die selbst Liebenden verborgen bleiben. Mit unsichtbaren Händen streichelt er die Haut und das Verborgene, beruhigt das gequälte Geschlecht, Daskind lächelt im Schlaf.
Abgestorbene Nadeln der Eibe bedeckten die am nächsten gelegenen Gräber und das grüne Band hinter der Friedhofsmauer. Hier waren des Kindes liebste Toten zu Hause, die Selbstmörder, Verbrecher und die Ungetauften. Ihre Leichen wurden im Morgengrauen verscharrt. Kein Pfarrer war zugegen, wenn der Ochsner Toni den schmucklosen Sarg in das Loch versenkte. Das war es ja gerade, was man den Unglücklichen vorenthalten wollte, den Segen der Kirche. Schweigend ließen der Sigrist und der Ochsner Toni die Särge ins Loch gleiten, schütteten das Grab zu und bedeckten die im Morgengrauen dampfende Erde mit den vorher ausgestochenen Grassoden. Dann klopften sie sich die Hände an den Hosen sauber, gingen wortlos davon.
Solche Begräbnisse sind selten. Seit Daskind ins Dorf geholt wurde, musste man nur drei Menschen hinter der Friedhofsmauer verscharren. Wenn die Frauen im Dorf davon sprachen, bekreuzigten sie sich und murmelten amen. Einmal wurde ein Neugeborenes verscharrt, der Sarg war so klein, dass ihn der Ochsner Toni wie ein Postpaket unter den Arm geklemmt trug und dabei nicht einmal ächzte.
Nachts scheinen die Pflegeeltern schwerhörig zu sein. Nichts stört ihren Schlaf in der Kammer gegenüber der Küche. Hören nicht das leise Knarren der Treppenstufen, nicht die vorsichtigen Schritte des Kindes, wenn es das Haus verlässt. Beim Gartentor angekommen, hält Daskind atemlos inne. Die Straßenlaterne verschluckt die Sterne.
Die Nacht des Kindes ist ein undefinierbarer Ort. Ungeduldig zehrt die Nachtluft von der Wärme am Kind.
Ein schwaches Licht beleuchtet die Stelle, wo das Neugeborene begraben werden soll. Ein bescheidener Hügel ausgehobener Erde ist nötig, um dem kleinen Holzsarg Platz zu schaffen. Bald werden sich Maden und Würmer an das Ungetaufte heranmachen, werden es von innen her zersetzen, bis nichts mehr bleibt als ein paar Knöchelchen und ein winziger Schädel. Sogar ein Neugeborenes kann sich der Allmacht Gottes entziehen, denkt das Kind, dem Herzen Jesu, der das unbesudelte Fleisch erbarmungslos zu sich holt.
Die Männer können das lauernde Kind nicht sehen. Gleichmütig gehen sie ihrer Arbeit nach. Daskind kauert fröstelnd an der Mauerstelle, wo ein faustgroßes Loch den Blick auf den verwunschenen Ort freigibt. Dem Kind entgeht nichts, nicht die blinde Sicherheit der arbeitenden Hände, das rohe Holz des Kindersargs, der dampfende Schlund der Erde.
Durch die Tannenbretter hindurch sieht Daskind das Kind.
Will weinen.
Spürt die rätselhafte Wärme des Unglücks.
Ragt mit seinen Antennen fürs Tote in die Friedhofsnacht, mit nichts als einer Sehnsucht bekleidet.
Als der kleine Sarg in den dampfenden Schlund gesenkt wird, sinkt auch Daskind. Hat die Nacht ein Rechteck Klarheit ausgespart, in dem Daskind versinkt, langsam, unterm Arm des Ochsner Toni, der ein großer Tröster ist, ein Erzengel, dem Herz Jesu trotzend.
Im Kind schneit es, wird es weiß und nachgiebig.
Tief gräbt eine Scherbe sich dem Kind in die Haut, als das Bamert Anneli begraben wird. Ein Höhepunkt im Leben der kleinen Dorfgemeinde. Das Unglück wird während Wochen besprochen, nicht nur in der Nähstube der Schneiderin Frieda Kenel, auch an den Stammtischen der Dorfvereine, selbst in der Sennhütte konnten sie sich nicht satt reden an dem Geschehen. Obwohl niemand genau wusste, was sich an jenem Tag tatsächlich ereignet hatte, als sich Louis Schirmer, auf dem schweren Motorrad vom Vorderberg kommend, und das Bamert Anneli, das Fahrrad den Stutz hinaufschiebend, am frühen Morgen auf halber Höhe am Vorderberg begegneten. Keiner ahnte, was Louis Schirmer, ein reicher Bauernsohn aus der Nachbargemeinde, um diese Zeit auf dem Vorderberg zu suchen gehabt hatte, und der Umstand, dass sich die Bamert Anni just an jenem Morgen eine halbe Stunde später als sonst auf den Weg zum Vorderbergseppli gemacht habe, verweise geradezu schreiend auf einen Plan des Teufels. Ein Goschmar sei es, mit oder ohne des Teufels Hilfe, wisperte die Freudenstau über den Ladentisch der Kellers, wobei sie das O so raffiniert in die Länge zog, dass aus dem Wort fast ein Jodel wurde.
Anni Bamert hatte das Wärchen früh lernen müssen. Der kleine Hof der Bamerts warf kaum etwas ab. Vater Bamert hatte sich außerdem mit dem Kauf einer elektrischen Baumsäge so hoch verschuldet, dass er beim Wuchermoritz vorstellig werden und ein Darlehen erbetteln musste. Der, mit richtigem Namen Schirmer, Vater ebenjenes Louis Schirmer, bot Hand zum Handel und setzte einen derart unverschämten Zins fest, dass auch der Hinterletzte begriff, weshalb man ihn Wuchermoritz nannte. Wuchermoritz, von ungetrübter Habgier, lachte sich nach dem Handschlag ins Fäustchen; hatte er doch den Bamert soeben zum Pächter seines eigenen Hofes gemacht.
Kaum aus der Schule, verdingte sich die Bamert Anni dem ledig gebliebenen Vorderbergsepp als Magd. Schließlich hatte man vom Herrgott zwei Hände bekommen, die anpacken konnten. Mägde waren noch billiger zu haben als Knechte, darum erledigte das Anneli zusätzlich zur Hausarbeit auch die Arbeiten im Stall, nachdem der Sepp in der Frühe die Kühe gemolken und, wenn es die Jahreszeit erlaubte, am steilen Hang ein paar bescheidene Schübel Gras gemäht hatte. Der Sepp hätte die Anni gerne geheiratet, aber da war der beträchtliche Altersunterschied, das Gespött und Gerede hätten nicht lange auf sich warten lassen. Der Sepp, ein Sonderling, im Dorf nur einmal jährlich gesehen, während des Jahrmarkts auf Schättis Viehweide. Da stand dann der Sepp mit einem melancholischen Staunen in den Augen vor den gut genährten Kühen mit ihren prallen Eutern, staunte noch mehr ob der geballten Kraft der Stiere, deren Felle, in schönes Licht getaucht, seidig glänzten. Wehmütig dachte er an das magere Vieh auf dem Berg. Das würde er sich nie leisten können, nicht eine einzige dieser Kühe, nicht einmal einen Ochsen, der ihm einen Teil der Arbeit abnehmen könnte.
Ein Auge auf das Bamert Änneli hatte auch Louis Schirmer geworfen. Der, gewohnt zu bekommen, was er begehrte, strich dem Mädchen nach. Kein Ort im Dorf, wo sich Anni vor seinen Nachstellungen hätte verstecken können. Louis spürte es selbst in der Kirche auf. Bei der Kommunion, wenn sich Frauen und Männer aus ihren Bänken zwängten und beide in getrennten Reihen, aber nebeneinander, nach vorne schlurften, um den Heiland zu empfangen, schaffte es Louis Schirmer, neben Anni Bamert an den Altar zu treten, um, wiewohl ungläubig, in gotteslästerlicher Weise vor dem heiligen Sakrament das freche Maul aufzureißen. Der Triumph war nicht zu übersehen, wenn er, das hilflose Änneli im Visier, an der Hostie lutschte und an ihrer Seite ins Kirchenschiff zurücktrat. In der er als nicht Einheimischer eigentlich nichts zu suchen hatte. Die Nachbargemeinde hatte schließlich ihren eigenen Pfarrer in der eigenen Kirche, aber das kümmerte Louis Schirmer nicht.
Von Schirmers Nachstellungen eingeschüchtert, wurde Anni Bamert immer stiller. Im Dorf flüsterten sich die Frauen mitleidig zu, dass selbst ihr Schneewittchenhaar an Glanz verloren habe und die milchweiße Haut noch durchsichtiger geworden sei. Scheu und niedergeschlagen machte sie die täglichen Einkäufe für den Vorderbergsepp. An den wenigen Tanzanlässen im Schwanen fehlte sie ebenso wie in der Frauenriege. Wenn es ihre Aufgaben nicht erforderten, mied sie das Dorf.
Von der Kanzel wetterte Pfarrer Knobel über die Abtrünnigen, drohte ihnen Tod und Hölle an, wenn sie nicht in den Schoß der Kirche zurückfänden, aber Anni Bamert war nicht mehr zu bewegen, die Michaelskirche zu betreten, so groß war die Scham, Gegenstand eines solch unverschämten Begehrens zu sein.
Nach dem Unglückstag meinte mancher, man habe das arme Kind schmählich im Stich gelassen. Wenn jetzt die Anni zusammen mit ihrem Freier außerhalb der Friedhofsmauer liege, könne sich der eine oder andere ruhig ins Gewissen schreiben, dass die Geschichte auch wegen der Bigotterie der Dörfler ein schlimmes Ende gefunden habe.
An diesem Tag vergaß der Vorderbergbauer seine Grundsätze, die ihm verboten, den Hof mehr als einmal jährlich zu verlassen. Noch nie war es vorgekommen, dass die Anni nicht pünktlich zur Arbeit erschien. Er hätte seine Uhr nach ihr richten können. Beunruhigt zerrte Sepp sein verrostetes Motorvelo aus dem Schuppen und schwang den Hintern unbeholfen auf den speckigen Ledersitz. Dem stotzigen Hang entlang fuhr er zur Stelle, wo der Waldweg in seinem kargen Weideland endete, in der Erwartung, hinter der ersten Wegbiegung Anni entgegenkommen zu sehen, die sich, kann ja einmal vorkommen, nur verspätet hatte. Als er Anni nicht antraf, fuhr er vorsichtig den schmalen Waldpfad hinunter in Richtung Dorf.
Was der Sepp auf halber Höhe des Vorderbergs wirklich sah, hat er sein Leben lang für sich behalten. Es kann kein schöner Anblick gewesen sein, die Bamert Anni, blutüberströmt und zerschmettert unter der Buche, die sie noch im Tod mit dreckverschmierten Händen umklammert hielt. Unweit davon der Schirmer, ein blutiges Bündel Fleisch im Gehölz. Die beiden Fahrzeuge lagen, ineinander verkeilt, auf dem matschigen Weg, einzelne Teile fand Sepp weit verstreut im Unterholz. Eine bedrückende Stille umgab den Schreckensort, kaum wagte Sepp zu atmen.
Auf dem Weg ins Dorf konnte Sepp dem Brechreiz nicht widerstehen. Wellen der Übelkeit schlugen über ihm zusammen. Er verlor die Gewalt über das Motorvelo, schwer schlug er auf, dann übergab er sich.
Später wischte sich der Vorderbergsepp Rotz und Kotze aus dem Gesicht und stellte das Motorvelo ordentlich an einen Baum. Zu Fuß erledigte er den Rest des Weges, schwach in den Knien.
Bei Kellers trat er ein, starrte am Gesicht des Ladenbesitzers vorbei zur Wand, als sei dort die Antwort auf sein Rätsel zu lesen. Gott musste besoffen gewesen sein, als er den Rüpel das Bamert Anneli überfahren ließ. Man habe da oben am Berg zu tun, knurrte Sepp, die Kellerin solle schon einmal dem Janser Wisi Bescheid geben und den Landarzt Mächler rufen, die Anni liege tot im Wald. Vom Schirmer Louis sprach er nicht.
Der absurde Tod der Bamert Anni war nicht schuld daran, dass die Tote ungesegnet neben den Louis und hinter die Friedhofsmauer zu liegen kam. Schuld daran war das Untersuchungsergebnis, Mächlers Obduktionsbericht, der die Schwangerschaft des Mädchens festhielt. Das war dann ein Wettern nicht nur von der Kanzel herunter, das ganze Dorf, vor allem die Frauen, einte der Gedanke an die Höllenqual, die jetzt das Anni zu erleiden habe. Zugeschlagen habe der da oben, mit strafender Hand ins Geschick der Anni eingegriffen, so weit komme es halt, wenn eine heimlich dem Laster fröne, das Heiligste schände, das eine Ehe zu bieten habe. Mit dem Allmächtigen sei nicht zu spaßen, donnerte Pfarrer Knobel von der Kanzel herunter, wehe dem Sünder, der Gott versuche. Sein sei die Rache, in Ewigkeit, amen.
Bei Anni Bamerts und Louis Schirmers Begräbnis ist das Kind nicht der einzige Zaungast. Stumm lehnt der Vorderbergbauer an der kalten Mauer. Die Hände unbeholfen ineinander verschlungen, hadert er mit seinem Gott. Er beachtet Daskind nicht, das neben dem Loch in der Mauer kauert und frierend dem harten Poltern der Särge lauscht. Es ahnt Daskind, dass da kein Frieden ist im Tun, dass sich der Herrgott, das Dorf und der Pfarrer, alle unter einer Decke, gegen die Anni verschworen haben.
Tief gräbt sich die Scherbe in die Haut des Kindes. Fast stöhnt es auf, Kind Selberschuld. Einsam wird aller Schmerz ausgekostet, den das Schicksal zu bieten hat. Auch den Schmerz der Anni muss Daskind trinken, allen Schmerz der Anni, damit die sich dem Frieden übergeben kann, der ein langer Tod ist und ein Licht.