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Bäckermeister Habetswallner

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Als Gustl nach dem Oratorium einen Streit mit Habetswallner anzettelt, erkennt er in ihm den Bäckermeister, der auch in dem von ihm selbst häufig besuchten Kaffeehaus seit Jahren Gast ist. Fortan bezeichnet er seinen Gegner als Bäckermeister. Erst als der Kellner von dessen Tod Bericht erstattet, erfahren wir seinen Nachnamen; Gustls Familienname aber gibt der Autor nicht preis.

Habetswallner ist ein angesehener Geschäftsmann, der sein geliebtes Kaffeehaus-Ritual nicht missen möchte, »der jeden Nachmittag neben die Herren Offiziere seine Tarokpartie hat … mit’n Herrn Schlesinger und ’n Herrn Wasner von der Kunstblumenhandlung vis-à-vis!« (S. 43)

Ein Schlüsselwort der Novelle ist der » Der »dumme Bub«dumme Bub« (S. 15), als den der Bäckermeister den Leutnant bezeichnet, was eventuell gar nicht böse, sondern eher mitleidig von ihm gemeint ist. Gustl benimmt sich in seinem anerzogenen Standesdünkel so arrogant gegenüber einem lebenserfahrenen, reifen Menschen, dass dieser ihn fast väterlich als das bezeichnet, was er wirklich ist: ein dummer Junge.

Offenbar ist Habetswallner nicht nur an seinem Handwerksberuf interessiert, sondern darüber hinaus ein halbwegs Musischer Bäckermeistermusischer, für Höheres empfänglicher Mensch, da er ein klassisches Konzert besucht. Nach Gustls Beleidigung reagiert er selbstbewusst und ruhig, im Unterschied zu seinem streitbaren und ängstlichen Widerpart (S. 15). Habetswallner kennt den Verhaltenskodex des Militärs sehr genau, er weiß, dass Gustl ihn töten müsste, deshalb hindert er ihn unverzüglich daran, seinen Säbel zu ziehen. Der Bäckermeister möchte dem aufgebrachten Leutnant und seiner Karriere gleichwohl nicht schaden, deshalb reagiert er souverän, beinahe väterlich und fürsorglich: »So, hab’n S’ keine Angst, ’s hat niemand was gehört … es ist schon alles gut … so!« (S. 16)

Gustl dagegen ist überhaupt nicht in der Lage, Habetswallners Fürsorge zu schätzen, weil er nur auf seinen von Teilen der Wiener Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits als anachronistisch erachteten militärischen Ehrbegriff fixiert ist. Und am Ende der Novelle, nachdem der Bäckermeister an einem Schlaganfall Habetswallner ist tot.verstorben ist, beleidigt der Leutnant seinen Gegner, indem er die von Habetswallner gebackene »Semmel« (S. 45), eine Metapher für dessen souveräne bürgerliche Weltanschauung, aber auch für seinen Körper, Stück für Stück genussvoll isst: »Komisch, wie ich mir da immerfort die Semmel einbrock’, die mir der Herr Habetswallner gebacken hat!« (S. 45) Obendrein erhebt er den Verstorbenen voller Hohn in den Adelsstand: »Schmeckt mir ganz gut, Herr von Habetswallner! Famos!« (S. 45) Der Autor spielt hier auch mit dem zweideutigen »einbrocken«: Habetswallner hat Gustl etwas eingebrockt, ihn in eine peinliche Lage gebracht; nun aber ist Gustl handelndes Subjekt, er brockt sich selbst die Semmel ein.

Lieutenant Gustl von Arthur Schnitzler: Reclam Lektüreschlüssel XL

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