Читать книгу Die Familie - Mario Puzo - Страница 3
ОглавлениеMag ich verflucht sein, mag ich niedrig und gemein sein, doch lasst mich auch den Saum des Gewandes küssen, in das sich mein Gott hüllt; mag ich auch zur selben Zeit dem Teufel folgen, so bin ich doch Dein Sohn, Herr, und liebe Dich und empfinde die Freude, ohne die die Welt nicht bestehen und nicht sein kann!
FJODOR DOSTOJEWSKI,
Die Brüder Karamasow
Prolog
Als der Schwarze Tod in Europa um sich griff und die Hälfte der Bevölkerung mit sich riss, wandten viele Menschen die Blicke verzweifelt vom Himmel zur Erde. Dort hofften die philosophischen Geister, um Herrschaft über die Welt zu erlangen, die Geheimnisse der Existenz aufzudecken und die großen Mysterien des Lebens zu entschlüsseln, während die Armen nur wünschten, von ihren Leiden erlöst zu werden.
Und so geschah es, dass Gott zur Erde fiel als Mensch und die starre religiöse Lehre des Mittelalters ihre Macht verlor und durch das Studium der großen antiken Zivilisationen Roms, Griechenlands und Ägyptens ersetzt wurde. Während der Kreuzzugsgeist schwand, wurden die Herren des Olymps wiedergeboren und die olympischen Schlachten von neuem geschlagen. Der Menschengeist forderte Gott heraus und die Vernunft regierte.
Dies war eine Zeit großer Leistungen in der Philosophie, den Künsten, der Medizin und Musik. Die Kultur blühte auf mit großer Pracht und an Mitteln wurde nicht gespart. Alte Gesetze wurden gebrochen, ehe neue geschaffen wurden. Der Übergang von der gehorsamen Befolgung von Gottes Wort und dem Glauben an die ewige Seligkeit zur Hochachtung des Menschen und der Erwartung einer Belohnung in der materiellen Welt – der Übergang zum Humanismus (wie man den neuen Glauben nannte) – war in Wahrheit nicht einfach zu finden.
Damals war Rom keine Heilige Stadt, sondern ein gesetzloser Ort. Auf den Straßen war man seines Lebens nicht sicher, Raub und Prostitution waren allgegenwärtig und wöchentlich wurden Hunderte von Menschen ermordet.
Zudem existierte damals noch kein italienischer Staat. Die unabhängigen Stadtstaaten des Landes – Venedig, Mailand, Florenz, Neapel und Rom – wurden von alten Familien regiert, die Könige mit örtlich begrenzter Macht ließen Herzöge und Bischöfe aus ihren eigenen Reihen regieren. Benachbarte Stadtstaaten kämpften um territoriale Gewinne. Und die Sieger in diesen Kriegen mussten immer auf der Hut sein, denn sie konnten sich nie darauf verlassen, das Eroberte in Frieden zu genießen.
Von außen drohten stets Überfälle anderer Mächte, die bestrebt waren, ihre Reiche zu vergrößern. Die Herrscher Frankreichs und Spaniens kämpften um neue Territorien und die unchristlichen barbarischen Türken bedrohten den Kirchenstaat.
Kirche und Staat stritten um die Vorherrschaft. Nach der Tragikomödie des großen Schismas – wo sich zwei Päpste, die in zwei Städten regierten, die Macht und Einkünfte teilen mussten – war jetzt die Kirche wieder vereinigt, stand der Papstthron wieder in Rom, und diese Konsolidierung der kirchlichen Macht gab den Kirchenfürsten neue Hoffnung. Sie hatten sich jetzt nur noch mit der weltlichen Macht, den Königen, Königinnen und Herzögen der Stadtstaaten und Lehnsfürstentümer auseinander zu setzen. Dennoch war die Heilige Katholische Kirche in Aufruhr, denn die grassierende Gesetzlosigkeit machte vor dem Klerus nicht Halt.
Kardinäle schickten ihre Bediensteten mit Steinen und Armbrüsten in Straßenschlachten mit der römischen Jugend, die Inhaber hoher Kirchenämter – die von Amts wegen auf die Ehe verzichten mussten – besuchten Kurtisanen und hielten zahlreiche Geliebte aus, Bestechungen waren gang und gäbe, und gegen Zahlung angemessener Beträge war der hohe Klerus nur allzu gewillt, jeden von den Gesetzen der Kirche zu dispensieren und selbst die scheußlichsten Verbrechen zu rechtfertigen.
Im Volke hieß es, dass in Rom alles käuflich sei. Hatte man Geld genug, so konnte man Kirchen, Priester, Dispens und sogar die Vergebung Gottes kaufen.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wurden damals die Männer Priester und traten in den Kirchendienst, weil sie jüngere Söhne ihrer mächtigen Väter waren, als solche deren weltliche Macht daher nicht erben konnten und deshalb von Kindesbeinen an für den geistlichen Beruf erzogen wurden. Die Wenigsten empfanden wahre Berufung zum geistlichen Amt, aber da die Kirche noch immer die Macht hatte, Könige zu krönen und großen Segen auf Erden zu erteilen, brachte jede adlige Familie Italiens Geschenke und Bestechungsgelder auf, um sich die Ernennung ihrer Söhne in das Kardinalskollegium zu sichern.
Das war die Renaissance. Die Zeit des Kardinals Rodrigo Borgia und seiner Familie.