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Mosca ließ sich von einem deutschen Träger die Koffer aus dem Flugzeug holen, und dann sah er Eddie Cassin die Rampe herunter und auf ihn zukommen. Sie schüttelten einander die Hände. »Schön, dich wiederzusehen, Walter«, begrüßte ihn Eddie Cassin mit seiner ruhigen, sorgfältig modulierten Stimme, die von jener Aufrichtigkeit geprägt war, die er stets zur Schau trug, wenn er sich unsicher fühlte.

»Ich danke dir, daß du das mit dem Job und mit den Papieren so schnell hingekriegt hast«, sagte Mosca.

»Keine Ursache«, erwiderte Eddie Cassin. »Einen von der alten Garde hier zu haben, das war mir die Sache schon wert. Wir haben allerlei zusammen erlebt, Walter.«

Er packte einen von Moscas Koffern, Mosca nahm den anderen und die blaue Tasche, und dann verließen sie das Flugfeld und gingen die Rampe hinauf.

»Wir gehen erst mal auf einen Drink zu mir ins Büro und sagen ein paar Jungs guten Tag«, schlug Eddie vor. Für eine kurze Weile legte er seinen freien Arm um Moscas Schulter. »Du, Alter«, fuhr er mit ganz natürlicher Stimme fort, »ich freue mich wirklich, daß du da bist, weißt du das?« Und Mosca empfand, was er bei seiner Heimkehr in den Staaten nicht empfunden hatte: das Gefühl, wirklich daheim zu sein, seinen wahren Bestimmungsort erreicht zu haben.

Sie gingen einen Drahtzaun entlang und gelangten zu einem kleinen Ziegelbau, der sich in einiger Entfernung von den anderen Gebäuden der Flugbasis befand. »Hier bin ich Herr und Gebieter«, erklärte Eddie, »Zivilpersonalbüro, und ich bin der Assistent des Zivilpersonaloffiziers, der seine ganze Zeit im Flugzeug verbringt. Für fünfhundert Deutsche bin ich der liebe Gott, und davon sind hundertfünfzig Frauen. Ist das nicht ein schönes Leben, Walter?«

Das Haus hatte nur ein Stockwerk. In dem großen Amtsraum eilten deutsche Angestellte geschäftig hin und her, und ein Haufen anderer Deutscher wartete geduldig darauf, vorgelassen zu werden, um sich als Mechaniker in der Fahrbereitschaft, als Küchenhelfer in den Messen oder als Aufseher in der Kantine zu bewerben. Es waren rauhe Männer, alte Frauen, junge Burschen und eine ganze Menge junger Mädchen, darunter auch ein paar sehr hübsche. Als Eddie vorbeiging, folgten sie ihm mit den Augen.

Eddie stieß die Tür zum Büro auf. Hier standen zwei Schreibtische einander gegenüber, so daß die Dahintersitzenden sich in die Augen sehen konnten. Ein Schreibtisch war völlig leer bis auf ein grün-weißes Namensschild mit der Aufschrift Lt. A. Forte, CPO, und einen kleinen, sauber geschichteten Stoß Papiere, die auf Unterschrift warteten. Auf dem anderen Schreibtisch standen von Papieren überquellende doppelte Ablagekästen. Nahezu verdeckt von anderen Papieren, die über den Schreibtisch verstreut lagen, war ein kleines Namensschild mit der Aufschrift Mr. E. Cassin, Asst. CPO. In der Ecke stand ein weiterer Schreibtisch. Ein großgewachsenes und sehr häßliches Mädchen schrieb auf der Schreibmaschine und unterbrach ihre Arbeit gerade nur so lange, um zu sagen: »Guten Tag, Mr. Cassin. Der Oberst hat angerufen. Sie sollen ihn zurückrufen.«

Eddie zwinkerte Mosca zu und nahm den Hörer auf. Während er sprach, zündete Mosca sich eine Zigarette an und versuchte sich zu entspannen. Er zwang sich dazu, nicht an Hella zu denken, und ließ seinen Blick auf Eddie ruhen. Eddie schien sich nicht verändert zu haben. Graues, welliges Haar umrahmte die feingeschnittenen, aber energischen Züge. Der Mund war weich wie der eines Mädchens, die Nase lang und groß, und sein Kinn zeugte von Entschlossenheit. Die Augen waren sinnlich dunkel, und das Grau seines vollen Haares schien auf die Haut abgefärbt zu haben. Dennoch war er ein Mann von jugendlichem Aussehen und von einer Wärme des Ausdrucks, die geradezu naiv anmutete. Aber Mosca wußte, daß, wenn Eddie Cassin betrunken war, sich der weiche, volle Mund zu einem häßlichen Strich verzerrte und er das Gesicht eines bösen alten Mannes zeigte. Und weil sich dieses Böse auf keine echte Stärke stützen konnte und weil die Leute darüber lachten, so wie Mosca selbst oft genug darüber gelacht hatte, ließ er seine Bösartigkeit an seiner jeweiligen Gefährtin oder Geliebten aus. Moscas Meinung über Eddie Cassin stand fest: ein Verrückter, wenn es sich um Frauen handelte, ein miserabler Säufer, aber sonst ein wirklich netter Kerl, der alles tat, um einem Freund zu helfen. Und er war klug genug gewesen, Hella nie nahezutreten. Mosca wollte Eddie jetzt fragen, ob er Hella gesehen hatte oder wußte, wie es ihr ergangen war, aber er brachte es nicht über sich, das Thema anzuschneiden.

Eddie Cassin beendete sein Gespräch und zog eine Lade auf. Er nahm eine Flasche Gin und eine Dose Grapefruitsaft heraus. »Ingeborg«, wandte er sich an die Stenotypistin, »gehen Sie die Gläser waschen.« Sie nahm die Gläser, die in Wirklichkeit leere Behälter von Käseaufstrich waren, und verließ das Büro. Cassin ging zu einer Tür, die zu einem kleineren Büro führte. »Komm, Walter, ich möchte, daß du ein paar Freunde kennenlernst.«

Im angrenzenden Zimmer stand ein kleiner, stämmiger Mann mit käsiger Gesichtsfarbe neben einem Schreibtisch. Der Mann trug die gleiche olivgrüne Uniform wie Eddie, hatte einen Fuß auf die Sprosse eines Stuhls gestützt und den Körper vornübergebeugt, so daß sein Wanst auf seinen Schenkeln zu ruhen schien. In der Hand hielt er einen Fragebogen, den er aufmerksam studierte. Die unvermeidliche Wehrmachtsmütze unter dem Arm, stand ein Deutscher in straffer Habtachtstellung vor ihm. Am Fenster saß ein schlaksiger Zivilbeamter mit dem langen Kinn, dem kleinen Mund und dem auf ichbezogene Kraft begründeten Gehabe eines amerikanischen Farmers.

»Wolf«, sagte Eddie zu dem kleinen, dicken Mann, »das ist ein alter Kumpel von mir; Walter Mosca. Walter, Wolf ist unser Sicherheitsmann. Er siebt die Deutschen, die sich hier auf dem Stützpunkt um Arbeit bewerben.«

Sie schüttelten einander die Hände, und Eddie fuhr fort: »Der Typ da am Fenster ist Gordon Middleton. Er hat keinen richtigen Job, und darum hilft er bei uns aus. Der Oberst versucht ihn loszuwerden; das ist der Grund, warum er keinen richtigen Job hat.« Da Middleton sich nicht erhob, um dem Neuankömmling die Hand zu geben, nickte Mosca ihm bloß zu, und der andere erwiderte diese Begrüßung mit einer weitausholenden Geste seines vogelscheuchendürren Armes.

Wolf wies mit dem Daumen auf die Tür und bedeutete dem Deutschen, der immer noch in Habtachtstellung verharrte, draußen zu warten. Der Deutsche knallte die Hacken zusammen, verbeugte sich und tat eilig, wie ihm geheißen. Wolf lachte und warf den Fragebogen mit einer geringschätzigen Geste auf den Schreibtisch.

»Nie in der Partei, nie in der SA, nie in der Hitlerjugend. Mann, ich möchte nur einmal einen richtigen Nazi kennenlernen.«

Alle lachten. Eddie nickte weise. »Sie kommen alle mit der gleichen Geschichte. Mein Freund Walter hier ist ein Mann nach deinem Geschmack, Wolf. Hat eine rauhe Sprache mit den Nazis gesprochen, als wir zusammen bei der Militärregierung waren.«

»Wirklich?« Wolf zog eine rotblonde Augenbraue hoch. »Na, anders geht’s ja gar nicht.«

»Jawohl«, sagte Eddie, »wir hatten da ein Problem in der Militärregierung. Die Deutschen lieferten die Kohle an alle deutschen Dienststellen aus, aber wenn es darum ging, Samstag die jüdischen Flüchtlingslager oben in Grohn zu beliefern, dann brachen entweder die Lastwagen zusammen, oder der deutsche Verwalter erklärte, er hätte keine Kohle mehr übrig. Mein Freund Walter löste das Problem.«

»Würde mich interessieren, wie er das gemacht hat«, sagte Wolf. Er hatte eine gewinnende, einschmeichelnde, fast ölige Redeweise und überdies noch die Gewohnheit, ununterbrochen zu nicken, um dem Gesprächspartner sein volles Verständnis anzuzeigen.

Ingeborg brachte die Gläser, die Flasche und den Obstsaft herein. Eddie mixte vier Drinks, aber einen ohne Gin. Diesen gab er Gordon Middleton. »Der einzige Angehörige der Besatzungsmacht, der weder spielt noch trinkt, noch hinter den Weibern her ist. Das ist auch der Grund, warum der Oberst ihn loswerden will. Er ist ein schlechtes Beispiel für die Deutschen.«

»Erzählen Sie doch mal Ihre Geschichte«, sagte Gordon. Es klang wie ein Vorwurf, aber wie ein leiser, ein geduldiger.

»Das war also so«, erzählte Eddie, »daß Mosca jeden Samstag mit ins Lager hinausfahren mußte, wenn er sicher sein wollte, daß die Kohle auch richtig ankam. An einem Sonntag aber blieb er bei einem Würfelspiel hängen und ließ die Lastwagen allein fahren. Resultat: keine Kohle. Er wurde gehörig heruntergeputzt. Ich werde das nie vergessen. Ich fuhr mit ihm hinaus, wo die Lastwagen zusammengebrochen waren, und dort hielt er den Fahrern eine kleine Rede.«

Gegen den Schreibtisch gelehnt, zündete Mosca sich eine Zigarre an und paffte nervös. Er entsann sich des Zwischenfalls und konnte sich vorstellen, was Eddie jetzt für eine Geschichte daraus machen würde. Er würde ihn zu einem echt harten Knochen stempeln, und dabei war die Sache ganz anders gewesen. Er hatte den Fahrern nur gesagt, daß er bereit war, sie ihrer Verpflichtung zu entbinden, wenn sie nicht fahren wollten, und daß ihnen auch kein Schaden daraus erwachsen würde. Wenn sie aber ihren Arbeitsplatz behalten wollten, dann war es ihre Obliegenheit, darauf zu sehen, daß die Kohle pünktlich im Flüchtlingslager eintraf – und wenn sie das Zeug auf dem Buckel hinschleppen müßten. Ein Fahrer hatte gekündigt, und Mosca hatte sich seinen Namen notiert und an die anderen Zigaretten verteilt. Eddie stellte die Sache so dar, als ob er sich mit den Sechsen geschlagen und sie allesamt fertiggemacht hätte.

»Dann ging er zum Verwalter und knöpfte sich den vor. Der schiß sich richtig ein. Und von diesem Tag an spielte er jeden Samstag Würfel, und die Kohle traf pünktlich im Lager ein. Ja, ja, Mosca versteht sein Geschäft.« Eddie schüttelte bewundernd den Kopf.

Wolf nickte befriedigt. »Solche Leute brauchen wir hier«, sagte er. »Diese Germanen glauben, sie können sich alles erlauben.«

»Heute kannst du so etwas nicht mehr machen, Walter«, bemerkte Eddie.

»Ja, wir bringen ihnen jetzt Demokratie bei«, sagte Wolf in so trockenem Ton, daß Mosca und Eddie lachen mußten; selbst Middleton lächelte.

Sie schlürften ihre Drinks, dann ging Eddie ans Fenster, um einer Frau nachzusehen, die zum Ausgang unterwegs war. »Das ist ’ne nette Lustschnecke«, sagte er. »Wär’ das nicht was für dich?«

»Das ist eine Frage für den Fragebogen«, antwortete Wolf und wollte noch etwas hinzufügen, als die Tür zum Gang aufgestoßen und ein großgewachsener blonder Junge ins Zimmer geschoben wurde. Er war mit Handschellen gefesselt und weinte. Hinter ihm kamen zwei Männer in dunklen Straßenanzügen. Einer von ihnen trat vor.

»Herr Doman«, sagte er, »wir haben den Kerl, der die Seife gestohlen hat.« Wolf brach in schallendes Gelächter aus.

»Der Seifenräuber«, erklärte er Eddie und Mosca. »Uns hat ’ne ganze Menge Rotkreuz-Seife gefehlt, die für deutsche Kinder bestimmt war. Diese Herren sind Kriminalbeamte aus der Stadt.«

Einer der zwei Männer machte sich daran, die Handschellen aufzuschließen. Er hielt dem Jungen seinen Zeigefinger unter die Nase, eine fast väterliche Geste, und sagte: »Keine Dummheiten, eh?« Der Junge nickte.

»Lassen Sie sie zu«, wies Wolf ihn barsch an. Der Kriminalbeamte trat einen Schritt zurück.

Wolf pflanzte sich vor dem Jungen auf und sah ihn an. »Wußtest du, daß diese Seife für deutsche Kinder bestimmt war?« Der blonde Junge ließ den Kopf sinken und antwortete nicht.

»Du hast hier gearbeitet, und wir haben dir vertraut. Du wirst nie wieder für uns arbeiten. Aber wenn du ein Geständnis unterschreibst, werden wir nicht gegen dich vorgehen. Bist du damit einverstanden?«

Der Junge nickte.

»Ingeborg«, rief Wolf. Die deutsche Stenotypistin kam herein. Wolf nickte den zwei Männern zu. »Gehen Sie mit ihm ins andere Büro; das Fräulein weiß, was sie zu tun hat.« Er wandte sich Eddie und Mosca zu. »Eine einfache Lösung«, sagte er und lächelte sein freundliches Lächeln. »Aber damit erspare ich uns allen eine Menge Kopfzerbrechen, und der Junge bekommt seine sechs Monate.«

»Mann«, sagte Mosca, den die Geschichte eigentlich ziemlich kalt ließ, »Sie haben ihm doch versprochen, ihn laufenzulassen.«

Wolf zuckte die Achseln. »Tue ich auch, aber die deutschen Bullen sperren ihn ein, weil er die Seife auf dem Schwarzen Markt verkauft hat. Der Polizeichef in Bremen ist ein alter Freund von mir. Wir arbeiten zusammen.«

»Justiz in Reinkultur«, murmelte Eddie. »Der Junge hat ein paar Stücke Seife gestohlen. Na, wenn schon? Gib ihm eine Chance.«

»Kann ich nicht machen«, konterte Wolf rasch. »Sie würden uns das Weiße aus den Augen stehlen.« Er setzte seine Mütze auf. »Na, ich habe heute abend noch einiges zu tun. Leibesvisitation für das gesamte Küchenpersonal, bevor sie den Stützpunkt verlassen. Ganz große Aktion.« Er grinste. »Sie haben da auch eine Polizistin aus Bremen; die durchsucht die Frauen. Kommt immer mit Gummihandschuhen und einem großen Stück Seife. Ihr solltet mal sehen, wo diese Frauen ein Päckchen Butter verstecken. Pfui.« Er spuckte aus. »Ich hoffe nur, daß ich nie so hungrig sein werde.«

Nachdem Wolf gegangen war, erhob sich Gordon Middleton und sagte mit seiner tiefen, harten Stimme: »Der Oberst kann ihn gut leiden.« Dabei lächelte er Mosca gutmütig an, so als ob das etwas wäre, was ihn belustigte und was er keinem übelnahm. Bevor er das Büro verließ, sagte er noch zu Eddie: »Heute werde ich wohl einen früheren Bus nehmen«, und zu Mosca, in einfachem und freundlichem Ton: »Wir werden uns ja später noch sehen, Walter.«

Der Arbeitstag war zu Ende. Durch die Fenster konnte Mosca die deutschen Arbeiter sehen, die sich beim Ausgang drängten und darauf warteten, von der Militärpolizei durchsucht und überprüft zu werden, bevor sie den Stützpunkt verlassen durften. Eddie kam ans Fenster und blieb neben ihm stehen.

»Du wirst jetzt wohl in die Stadt fahren und nach dem Mädchen sehen wollen«, sagte er und lächelte ein süßliches, fast weibisches Lächeln. »Das ist der eigentliche Grund, warum ich mir solche Mühe gemacht habe, hier einen Job für dich zu organisieren, als du mir schriebst. Das Mädel war doch der Anlaß zu deinem Brief, habe ich recht?«

»Ich weiß es nicht. Zum Teil wohl.«

»Willst du dir zuerst dein Quartier in der Stadt anschauen oder gleich zu ihr gehen?«

»Schauen wir uns zuerst das Quartier an.«

Eddie lachte. »Wenn du jetzt gehst, erwischst du sie noch zu Hause. Bis wir das Quartier unter Dach und Fach haben, ist es acht, und dann ist sie vielleicht ausgegangen.« Er streifte Mosca mit einem scharfen Blick.

»Mein Pech.«

Wieder nahmen sie jeder einen Koffer und gingen auf den Parkplatz hinaus, wo Eddie seinen Jeep abgestellt hatte. Aber noch bevor er den Motor startete, wandte er sich an Mosca und sagte: »Du wirst mich nicht fragen, aber ich antworte dir trotzdem. Ich habe sie nie in einem Offiziersklub, nie in einer Kantine und nie mit einem GI gesehen. Ich habe sie überhaupt nie gesehen.« Und nach einer kleinen Pause fügte er verschmitzt hinzu: »Und ich hatte nie das Gefühl, es könnte dein Wunsch sein, daß ich sie aufsuche.«

Die dunkle Arena

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