Читать книгу Circles of Fate (1). Schicksalsfluch - Marion Meister - Страница 5

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Misanos hoffnungsvoller Blick ruhte auf Zaras schmalem Gesicht. Blässe hatte sich auf ihre Wangen und dunkle Schatten um ihre bernsteinfarbenen Augen gelegt.

Zaras Blick hielt sich an dem makellosen Blau des Himmels fest, das sich über ihnen wölbte. Es war ein helles Blau. Eines, das Frühling, Neubeginn und Leben versprach. Mit einem tiefen Atemzug versuchte sie, es in sich aufzusaugen. »Es ist perfekt«, flüsterte sie und zog seinen Arm, in den sie sich eingehakt hatte, enger zu sich.

»Genau wie du«, säuselte er zurück und erntete dafür einen tadelnden Klaps, zart wie ein Schmetterling auf seiner Hand.

»Lass das, Misano! Wir beide wissen es besser.«

Sie tat einen Schritt, verharrte jedoch sogleich wieder, um sich zu einer Rosenblüte hinabzubeugen und ihren Duft einzuatmen. Die Rose strahlte in einem feurigen Fuchsia, das zur Mitte hin in ein Burgunderrot überging. Misano wusste, wie sehr Zara solch ein Farbspiel liebte. Er kannte so vieles von ihr: den Duft ihrer Haut am Morgen. Den Klang ihres Lachens, wenn sie ihn bei einer Schachpartie schlug. Ihr leises Summen, wenn sie im Herbst die Tulpenzwiebeln für den Frühling in die Erde bettete.

Er sah prüfend durch den Garten. Zufrieden glitt sein Blick über die üppigen Rosen, den herrlichen Lavendel, der Hunderte von Schmetterlingen angelockt hatte. Nirgends konnte er ein welkes Blatt, eine verblühte Blume ausmachen. Sehr gut. Nichts durfte heute an die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens erinnern.

Dieser Garten war sein Geschenk an sie. Er hatte ihn auf diesem Hügel platziert, damit es wirkte, als sei diese Oase vom Blau des Himmels umspült. Verschlungene Pfade liefen auf den plätschernden Brunnen in der Mitte des Gartens zu. Ein marmornes Becken, in dessen Mitte die Quelle hervorsprudelte, steinerne Vögel aller Art saßen darum und tranken. Auf die Skulpturen war Misano besonders stolz. Er wusste, wie sehr Zara Vögel bewunderte, sie um ihre Kunst des Fliegens beneidete.

Auch bei der Bepflanzung hatte Misano sämtliche Register gezogen. In allen Farben blühte es. Jegliche Schattierung von Orangerot über Karmesin bis Purpur. Rosen, Lupinen, Lavendel, Malven, Sonnenhut – egal, was es war, er hatte es pflanzen lassen.

Gerade wollte er sich wieder Zara zuwenden, als er auf der gegenüberliegenden Seite des Rosenrondells drei Männer entdeckte. In ein Gespräch vertieft, lustwandelten sie durch den Garten. Wie konnten sie es wagen! Unwillkürlich ballte Misano eine Faust. In Gedanken schleuderte er eisige Blitze zu ihnen, doch sie achteten nicht auf ihn. Er erkannte Enki, Pothos – und der Dritte? War das Doh? Er hatte ihnen nicht gestattet, hier zu sein. Nicht heute!

Als könne er ihre Gedanken beeinflussen, stierte er sie an, aber er riss sich zusammen. Zaras Tadel für einen Wutausbruch wäre ihm sicher gewesen. Und unter keinen Umständen wollte er auch nur eine Sekunde dieses Tages an Streitigkeiten vergeuden. Genau deshalb hatte er den Zutritt zum Garten untersagt. Nur er und seine Zara. Auf ewig. Er schluckte und versuchte, seine Angst zu verbergen.

»Ich wette, du hast all deine Gärtner bis in die Nacht hinein gescheucht«, meinte sie amüsiert. Ihre schmalen Finger streichelten die Rosenblüte.

»Wie?« Er wandte den Blick von den Eindringlingen ab. »Wie kommst du darauf, meine Liebste?« Er lächelte.

Seufzend tat sie zwei weitere Schritte an seinem Arm. Das lange meeresgrüne Gewand folgte ihren Bewegungen wie ein leichter Nebel, zart und schwerelos. »Keine einzige Blüte ist welk.«

»Natürlich nicht!«, entrüstete er sich. »Wie sähe das denn aus!«

Sie schmiegte ihre Wange an seine Schulter. »Wie sähe die Welt aus, wenn du sie geschaffen hättest?«

Er sah zum Himmel hinauf. Vielleicht, damit die Träne, die sich im Augenwinkel gesammelt hatte, nicht entkommen konnte. »In meiner Welt gäbe es keinen Winter. Und du wärst immer an meiner Seite.«

Zara lachte leise. »Oh, was würden wir streiten, Misano.«

»Ich streite zu gern mit dir.« Er beugte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss, den sie sanft erwiderte. »Wäre die Welt in meinen Händen, ich legte dir die Sonne und den Mond zu Füßen.«

Ein Schmetterling tanzte vor ihnen durch die Luft, Zara löste sich von Misano, folgte dem Schmetterling für einige Schritte zum Brunnen. »Und ich würde sie sogleich zurück an den Himmel hängen, damit alle ihre Schönheit bewundern können.«

Misano zuckte mit den Schultern und folgte ihr eilig. »Du bist das Schönste, das diese Welt jemals geboren hat. Mir egal, was du mit Mond und Sonne anstellst. Hauptsache, du bleibst bei mir.« In diesem Moment strauchelte Zara.

Misano eilte zu ihr, um sie zu stützen. »Zara!«

Ihr Atem ging flach. Er umfing sie und hielt sie fest. Sie wog nichts in seinen Armen. Die Krankheit hatte ihren jungen Körper von innen verzehrt. Dünn und schwach hatte sie seine Zara werden lassen.

»Es ist gut, Misano.«

»Nein! Nichts ist gut!« Er musste die Wut, die in ihm aufbrandete, mit aller Macht unterdrücken. »Ich hab noch nie um etwas gebeten«, grollte er. »In all der Zeit! Und es hätte wahrlich einiges gegeben. Nein. Nicht ich! Nicht Misano! Ich habe alles alleine geregelt. Ich habe etwas gut bei ihr!«

Zara rang nach Atem. »Siehst du. Wir streiten.« Ihr Lächeln war nur noch ein Schatten. Eine Erinnerung an das ansteckende Lachen, das er so liebte, dass es ihm jedes Mal eine Freude gewesen war, sich für sie zum Narren zu machen. Nur um ihr Lachen zu hören.

»Ich wollte für dich die Welt aus den Angeln heben«, murmelte er.

»Für mich?« Ihre Beine gaben nach und sie sank in seine Arme.

Er ging in die Knie, bettete sie auf seinen Schoß. Sie war so blass. So leicht und durchsichtig. Wo war die Frau hin, die mit ihrer Lebenslust seine seit Ewigkeiten eingerostete Existenz auf den Kopf gestellt und unter Strom gesetzt hatte?

»Ich kann dich nicht verlieren, Zara. Du bist alles für mich. Du bist der Schlüssel zu dieser Welt! Ohne dich ist alles sinnlos.«

»Nicht doch.« Wieder der sanfte Schmetterling ihrer Berührung. »Du wirst darüber hinwegkommen. Es wird wieder eine Frau an deiner Seite geben.«

Er wandte sich ab. Verbarg sein Gesicht im Kragen seines Hemds. Er wollte nicht, dass sie ihn weinen sah. Doch ihr nahender Tod brannte so tief in seiner Brust. Dieses Gefühl machte ihn rasend. »Ich werde es Elaine nie verzeihen! Sie hätte dich retten können.« Seine Stimme brach.

»Schhht.« Zara seufzte. Sie legte den Kopf an seine Brust. »Nicht. Misano. Es ist mein Schicksal. Ich habe es angenommen. Es ist in Ordnung …« Ihr Blick suchte seinen. Der Schmerz schnürte ihm die Kehle zu. Er klammerte sich an sie, an ihren Blick, der so tief in seine Seele drang. »Lass mich gehen. Ich bin nun mal ein Mensch. Wir sterben, Misano.«

»Nein! Nicht du! Du bist alles für mich!« Hastig musste er eine Träne fortwischen. »Ich zerschmettere Berge, teile Ozeane. Beschwöre Armeen und lege Länder unter Eis. Doch meine einzige Liebe kann ich nicht retten?«

Sie lächelte. »Du bist eben doch nicht allmächtig. Und es ist gut so, Misano. Bitte.«

Trotzig schüttelte er den Kopf. »Elaine hätte diese Krankheit von dir nehmen können.«

»Bitte …« Ihre Worte waren nur noch ein Hauch. »Kein Krieg, Misano. Für mich –«

Flehentlich blickte sie ihn an, doch er konnte ihr nicht versprechen, dass er ihren Tod einfach hinnehmen würde. Elaine hatte ihm ihre Hilfe verweigert. Sie hatte Zaras Tod zu verantworten!

»Versprich es«, hauchte sie, doch dann verließ sie die Kraft. Der Glanz aus ihren Augen verschwand und ihr Kopf sackte gegen seine Brust.

Sie war fort.

Mit einem gellenden Schrei drückte er Zara an sich.

Die Männer, die eben noch im Garten gelustwandelt waren, zuckten zusammen. Hastig suchten sie den Ausgang aus diesem Paradies, als fürchteten sie um ihr Leben.

Die Erde schien zu erzittern unter Misanos Trauer. Er sah weder die flüchtenden Männer noch das Frühlingsblau des Himmels oder die Farbenpracht, die er für Zara arrangiert hatte.

»Zara!«, brüllte er, die tote Zara weiter an sich gedrückt. Er hievte sich auf die Füße, seine Geliebte fest in den Armen.

Vor Schmerz konnte er kaum atmen. Ein endliches Leben! Ausgelöscht. Einfach so, weil etwas in dieser schwachen Hülle kaputtgegangen war.

Verzweifelt klammerte er sich an den leblosen Körper und weinte. Niemals würde er wieder lachen können. Dieser Schmerz, den Zaras Tod ihm zufügte, wie könnte der jemals verblassen!

Mit Zaras Leichnam in den Armen stand er da und blickte in den makellosen Himmel. Zorn wuchs in ihm. Zorn auf dieses Unrecht, ihm Zara zu nehmen. Dunkle Wolken wuchsen heran. Ein Grollen, so laut und tief, dass es die Erde und den Himmel erschütterte.

Elaine hatte Zaras Leben beendet. Obwohl er sie angefleht hatte, Zara leben zu lassen.

Regen prasselte herab. Hart und stechend. Doch Misano war es egal. Er reckte sein Gesicht den kalten Tropfen entgegen. Niemals wird dieser Schmerz vergehen. Mit Zara in den Armen, sank er auf die Knie. Was hätte es schon ausgemacht, Zaras Leben einfach weiterlaufen zu lassen? Nichts. Elaine hatte keine Ahnung, wie es sich anfühlte, solchen Schmerz zu fühlen. Ihn bis in alle Ewigkeit ertragen zu müssen.

»Elaine!«, brüllte er in den Regen. »Ich werde dich meinen Schmerz spüren lassen! Und wenn es das Ende der Welt ist!«

Circles of Fate (1). Schicksalsfluch

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