Читать книгу Circles of Fate (1). Schicksalsfluch - Marion Meister - Страница 7

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Hanna starrte hinaus in den strömenden Regen. »Lita hat sicher keinen Schirm dabei.« Ihre Tochter hatte nie irgend was dabei. Sie war naiv und hatte keine Ahnung, was da draußen auf sie lauerte. Doch ihre Tochter war fast erwachsen und sie konnte ihr keine Fesseln mehr anlegen. All die Verbote ... Lita ignorierte die meisten und Hanna starb jedes Mal tausend Tode, wenn sie nicht wusste, wo ihre Tochter war.

Angst war Hannas Schatten. Seit sie mit Lita geflohen war, kannte sie kein anderes Gefühl mehr als die beständige Angst, Litas Schicksal könnte sich erfüllen.

Hinter Hanna lachte Faine auf. Der junge Mann lümmelte in dem altmodischen, mit purpurfarbenem Samt bezogenen Ohrensessel. Seine langen Beine ruhten auf dem bunt bestickten Hocker. »Du machst dir Sorgen, ob deine Tochter nass wird?«

Hanna senkte den Kopf und lächelte unglücklich. Sie ließ den Vorhang wieder zurückgleiten, den sie beiseitegeschoben hatte, um einen besseren Blick auf die Straße zu haben.

»Ich mache mir immer Sorgen um sie.« Vielleicht das Los einer jeden Mutter. Aber weder war sie eine normale Mutter, noch war Lita ein gewöhnliches Kind. »Seit wir unsere Familie verlassen haben.« Für einen Augenblick überfiel sie Sehnsucht nach ihrer Heimat. Hanna strich ihre cremefarbene Strickjacke glatt und versuchte, nicht daran zu denken.

Seufzend nahm Faine einen Schluck Tee aus einer japanischen Teeschale, die mit einem Kirschblütenmotiv bemalt war. »Und du bist dir wirklich sicher?«

»Ich kann es fühlen. Es passiert.« Hanna begann, im Wohnzimmer auf und ab zu gehen. Was nicht so einfach war, denn sie hatte ein Faible für Grünpflanzen. Das Wohnzimmer ähnelte einem Dschungel. Auf dem Boden, den Stühlen, Sideboards, Regalen – überall standen Farne, Palmen, Gräser. Sogar von der Decke wucherten Blattpflanzen aus Hängeampeln.

Nervös knetete Hanna ihre Finger, die sich kalt anfühlten, obwohl ihr viel zu warm war. Wenn sie nur daran dachte, schnürte es ihr die Kehle zu. »Hast du nichts gehört? Mir ist, als würde mein Kopf summen. Ich bin mir sicher, Faine, es hat begonnen.«

Draußen schüttete es, als gäbe es kein Morgen. Sie hoffte wirklich, dass Lita auf dem Weg war. Dass es ihr gut ging. Hanna verharrte vor dem kleinen Hausaltar, der gegenüber dem Sessel aufgestellt war, in dem Faine saß. Der Altar war aus Holz und wie ein kleiner Tempel gestaltet. Der dunkelblaue Lack mit den goldenen Verzierungen zeigte feine Risse, was ihn aber seltsamerweise nur noch hübscher aussehen ließ. Nachdem sie mit Lita geflohen war, hatte sie ihn auf einem Flohmarkt erstanden. Eine der besten Entscheidungen, die sie bisher getroffen hatte.

»Ich weiß nicht, Hanna. Erinnerst du dich noch? Vor ein paar Jahren warst du auch überzeugt gewesen, dass Tag X vor der Tür steht.«

»Diesmal ist es anders. Ich sehe Dinge im Traum«, murmelte sie.

Faine horchte auf. Er nahm seine Beine vom Hocker und setzte sich aufrecht hin. »Dinge?«

Um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen, prüfte sie, ob der Blütenzweig, der am Altar stand, noch genügend Wasser hatte.

»Hanna! Ich bin doch für euch da! Rede mit mir!«

Tränen hatten sich in Hannas Augen gedrängt. Sie blinzelte sie weg und sah zu Faine hinüber. Wie immer trug er diesen moosgrünen Samtanzug, der einen wunderbaren Kontrast zu seinem kupferroten Haarschopf bildete. »In meinen Träumen sehe ich Asche.«

Mit ernster Miene blickte Faine sie an. Er wartete, dass sie ihm mehr erzählte. Es gab keinen Grund, ihm etwas zu verheimlichen. Sie vertraute ihm – seit Ewigkeiten. Er war ihr bester Freund. Doch wer war er schon? Würde er ihnen wirklich helfen können?

»Asche? Du siehst Asche in deinen Träumen? Das ist alles?« Der schlaksige junge Mann lehnte sich wieder zurück. »Und deshalb schlägst du Alarm?«

»Nein. Nicht nur. Ich habe mit der Unke gesprochen.«

»Mit Ima?«

Hanna konnte ihm ansehen, dass er nicht viel von Imas seherischen Fähigkeiten hielt. »Sie ist zu mir gekommen, Faine. Sie ist beunruhigt. Und sie wusste es. In ihrer Vision hat sie gesehen, dass es beginnt.«

Nun wurde Faine ebenfalls unruhig. Er rutschte im Sessel hin und her, als wäre er plötzlich unbequem. »Auch ein blindes Huhn ... na, du weißt schon. Aber wenn sie über Lita Bescheid weiß … Nun, dann ...« Er stand auf. »... dann wird es aber wirklich höchste Zeit, dass das Mädchen nach Hause kommt.« Bedacht, als platziere er ein rohes Ei auf dem Tisch, stellte er die Teeschale ab und ging auf Hanna zu. Ohne zu fragen, nahm er sie in den Arm. »Ich pass auf euch auf. Versprochen.«

Dankbar lehnte Hanna sich an ihn. Er roch immer ein wenig nach frischen Blumen und Tee. Ein Duft, der sie lächeln ließ. »Ich habe die Koffer schon gepackt. Heute Abend sind wir raus aus der Stadt.«

An den Schultern schob Faine sie von sich und blickte ihr prüfend in die Augen. »Du hast was? Wie kommst du denn darauf, dass eine Flucht euch rettet?«

Verärgert wich Hanna zurück. »Ich werde doch nicht hier auf sie warten!«

»Du kannst nirgends hin. Nicht auf dieser Welt!«

Inzwischen waren Hannas Fingerspitzen eisig, aber ihre Wangen glühten. Der Regen prasselte im Stakkato gegen die Scheiben. Im Grunde wusste sie, dass Faine recht hatte. Sie konnte nicht davonlaufen. »Lita ist geschützt.« Es war ihr Mantra. Wann immer sie die Panik vor dem Unvermeidlichen überfiel, sagte sie es sich vor: »Lita ist geschützt!«

»Es mag ja sein, dass Lita geschützt ist. Aber sie will nicht Lita. Sie will dich!«

Sie fuhr herum. »Meinst du, das weiß ich nicht?«

»Also, wie wirst du dich schützen? So lange du verwundbar bist, Hanna, ist Lita ebenfalls in Gefahr. Und ihr könnt euch nicht verstecken! Was willst du tun?«

»Ich weiß es nicht!«, fuhr sie Faine an und bereute es sofort. »Verzeih mir.« Sie zwang sich zur Ruhe. »Ich hatte immer gehofft, es würde nicht so weit kommen. Wieso passiert das alles nur, Faine?«

Faine leerte die Teeschale und gab sie Hanna zurück. »Was passieren wird, liegt nicht in meinen Händen. Aber ich passe auf euch auf, so gut ich kann. Versuch einfach, keine Dummheiten zu machen.«

Die Teeschale war noch warm. Hanna schmiegte ihre Finger um die Kirschblütenmalerei und spürte, wie mit der Wärme auch die Zuversicht in sie zurückfloss. Alles würde gut werden.

Circles of Fate (1). Schicksalsfluch

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