Читать книгу Circles of Fate (4). Schicksalserwachen - Marion Meister - Страница 8
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Misano spürte Jins Blick. Doch er hielt die Augen geschlossen und ließ sich von Charles Mingus’ Musik mitnehmen.
»Findest du nicht, die Menschen haben angenehmere Musik hervorgebracht?«, störte ihn Jin. Er klang ärgerlich. Und ungeduldig. Der Kerl hatte nach all den Jahrtausenden noch immer nicht begriffen, dass man sich die Zeit zu seinem Freund machen musste. Man ging mit ihr, ließ sich von ihr tragen. Doch Jin arbeitete, solange sich Misano erinnern konnte, gegen die Zeit. Was für eine Verschwendung von Kraft.
»Seit wann bist du einer, der die Auseinandersetzung scheut? Wenn du Music for Airports hören willst, geh nach Hause, Jin.« Misano atmete tief ein und ließ die Bilder, die die Musik vor seinen Augen malte, auf sich wirken. Es waren nicht nur friedliche Bilder. Da war Streit und Wut. Aber auch Leidenschaft. Diese Musik war wie Leben und Liebe. Hell und leicht, aber auch dunkel und fordernd. Das Zusammenspiel machte den Zauber aus.
Zara hatte ihm die Platte geschenkt.
»Und wer passt dann auf dich auf?«, zerschnitt Jins Stimme das Saxofon. »Du hattest versprochen, dich wieder in einen annehmbaren Zustand zu versetzen.«
Müde öffnete Misano ein Auge. »Was fürchtest du? Dass ich aus meiner unauslöschlichen Existenz scheide?« Er konnte Jin seine nervöse Anspannung regelrecht ansehen. Der Unsterbliche saß auf der vorderen Kante des Sessels und hibbelte mit einem Bein.
Grummelnd leerte Jin das Glas. »Ich hatte auf ein fröhliches Ende gehofft. Ich wollte Ekstase, frenetisches Jubeln.«
Misano hob den Kopf, öffnete nun beide Augen und musterte Jin. »Welches Ende?« Was war nur mit diesem Kerl los? Hatte er tatsächlich versucht, sich in Misanos Küche das Leben zu nehmen? Litt der Unsterbliche unter Demenz?
In diesem Moment klopfte es an der Fensterscheibe. Sofort sprang Jin auf und öffnete die Terrassentür. »Willkommen, werte Freunde. Nun? Was habt ihr in Erfahrung gebracht?«
Zwei Tauben stolzierten auf der Dachterrasse herum, die Köpfe vor- und zurückruckend. Sie gurrten und blickten schließlich schief zu Jin auf.
Misano verstand kein Wort, dafür waren sie zu leise. Er stand auf und ging zur Tür. Hatten die Tauben Zara gefunden? Er merkte, dass sein Herzschlag sich beschleunigte. Jin war inzwischen auf die Knie gesunken und starrte die beiden Tauben mit offenem Mund an. »Wiederhol das noch mal!«, flüsterte er ungläubig.
»Was ist los? Haben sie Zara gefunden?« Nun schlug Misanos Herz nicht aus Vorfreude, Zara endlich wieder in die Arme zu schließen, sondern aus Furcht, dass er sie endgültig verloren hatte.
Als keine Reaktion von Jin kam, trat Misano ebenfalls auf die Dachterrasse. Der sonst so smarte Unsterbliche sah nicht nur reichlich dämlich aus, wie er da vor den Vögeln hockte. Er war auch ziemlich blass, seine Augen starr auf einen Punkt in der Ferne gerichtet. »Jin?« Misano wandte sich an die Tauben. »Was habt ihr ihm gesagt?«
Wieder gurrten und ruckten sie und Misano runzelte die Stirn. »Rukar und das Mädchen, das Zaras Faden eingeflochten hat, sind mit Zara verschwunden?« Unschlüssig sah er zu Jin, der noch immer unbeweglich auf dem Boden kauerte. »Und ihr habt keine Ahnung, wohin? Keine Spur? Hat sie denn jemand swipen sehen?« Bei ihrer Antwort zog sich Misanos Herz zu einer harten Kugel zusammen. Das Atmen fiel ihm schwer. Wohin war Zara geflohen?
Anders konnte er es kaum nennen. Sie war vor ihm weggelaufen! Hatte sich an die Weberin und seinen Ex-Gehilfen gewandt!
»Jin!« Etwas unsanft trat er nach dem Unsterblichen. »Was ist los? Was hat Zara mit dieser Weberin und diesem Halbblut zu schaffen? Verschweigst du mir etwas?«
Jin erwachte wie aus einer Trance. »Das … Das kann nicht sein. Sie haben keine Chance, was immer sie sich ausgedacht haben!«
»Verdammt, Jin, du redest in Rätseln!« Charles Mingus peitschte seinen Zorn an und Misano wurde bewusst, dass der Kampf, der in der Musik tobte, ihn anstachelte. »Du weißt mehr, als du mir sagen willst! Was ist mit Zara? Wo ist sie hin? Wird sie zu mir zurückkommen?«
Doch statt einer Antwort schnippte Jin und ein Lichtblitz verschluckte ihn. Zurück blieben nur die Tauben und Misanos hilflose Wut.