Читать книгу Die Mineralwasser- & Getränke-Mafia - Marion Schimmelpfennig - Страница 14
ОглавлениеArglistige Täuschung oder listige Werbung?
Von verführerischen Fantasienamen über köstlich-appetitliche Abbildungen und clevere Werbeaussagen bis hin zu unverständlichen, fehlenden oder falschen Angaben auf dem Etikett – was uns Verbrauchern manchmal an Irreführung aufgetischt wird, ist mitunter so dreist, dass man sich vor Verwunderung die Augen reibt. Die Hersteller versuchen oft, dies mit der Begründung abzutun, der Verbraucher wisse doch ganz genau, was damit gemeint sei. Zuletzt zeigte Teekanne ganz offen, was sie von uns, den Verbrauchern, hält: nicht viel.
Verbraucher erwarten keine Ehrlichkeit
Im Dezember 2015 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) per Gerichtsbeschluss bekräftigt, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: Was auf der Verpackung abgebildet ist, muss auch drin sein. Die Firma Teekanne hatte dazu eine völlig andere Meinung, denn auf ihrem Kinder-Früchtetee „Himbeer-Vanille-Abenteuer“ war ein Häschen abgebildet, das zwischen Vanilleblüten und Himbeeren herumhüpft. Das Problem war nur, dass im Tee weder Vanilleschoten noch Himbeeren enthalten waren, noch nicht einmal deren Aromen, sondern künstliche Konstrukte, die den Geschmack lediglich nachahmen. Das Unternehmen, das den Tee mittlerweile aus dem Sortiment genommen hatte, versteht die ganze Aufregung nicht:
„Der Durchschnittsverbraucher wird mit der Abbildung von stilisierten Himbeeren und Vanilleblüten auf dem Produkt […] nicht ein Produkt mit Himbeeren und Vanille erwarten.“
Nein, natürlich nicht. Der Durchschnittsverbraucher ist auch mit Gänseblümchen zufrieden, wenn auf dem Tee Kamillenblüten abgebildet sind. Und wenn auf der Verpackung Haferflocken zu sehen sind, erwartet der Durchschnittsverbraucher auch keine Haferflocken, sondern schüttet sich mit demselben Appetit auch Holzspäne ins Müsli.
Repräsentative Studien zeigen natürlich etwas ganz anderes: Abbildungen auf Verpackungen – vor allem auf Lebensmittelverpackungen – bestimmen sehr wohl, was Kunden kaufen oder nicht. Und genau mit diesem Wissen spielen die Hersteller. Teekanne argumentierte jedoch noch weiter und betonte, die Angaben auf der Packung würden den Leitsätzen der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission für Tee entsprechen. Ich argumentiere damit, dass diese Leitsätze demnach dringend überarbeitet werden müssen …
Edelwasser aus dem Wasserhahn
Im Jahr 2004 musste Coca-Cola mit einem höchst peinlichen Geständnis an die Öffentlichkeit gehen. Das Mineralwasser Dasani, das pro halbem Liter für 95 Pence (damals etwa 1,43 Euro) verkauft wurde, war einfaches Leitungswasser aus einem Londoner Vorort. Doch es kam noch besser: Der Konzern versuchte, den Flaschenpreis mit einer „Veredelung“ zu begründen – das Wasser habe nämlich einen „ausgeklügelten Reinigungsprozess“ durchlaufen. Die örtlichen Wasserwerke quittierten dies mit feinem englischen Humor: „Wir denken nicht, dass es irgendwelche Unreinheiten im Leitungswasser gibt. Dass unser Wasser sauber ist, ist auch die Meinung der amtlichen Prüfer, die etwa drei Millionen Stichproben pro Jahr machen.“
Täuschung auf Kosten von Kindern
Es ist nicht nur besonders dreist, sondern auch völlig unverantwortlich: Irreführung auf Kosten von Kindern. Sie sind eindeutig das schwächste Glied in der Kette. Vielen Herstellern ist das egal.
Die Firma Zott bewarb ihren Monte Drink als „ausgewogene Zwischenmahlzeit“ und „idealen Pausensnack“, doch das Produkt ist alles andere als ausgewogen oder gesund. Sage und schreibe acht Stück Würfelzucker stecken in dem kleinen Fläschchen – mehr als in einem Cola-Getränk. Für diese Frechheit in Form einer Zuckerbombe erhielt Zott im Jahr 2010 die Auszeichnung „Goldener Windbeutel“, die jährlich von foodwatch vergeben wird.
Auch die SiSi-Werke erhielten diese Auszeichnung: für ihr Traditionsgetränk Capri-Sonne, das als „sportliches Getränk“ und mit „gesunden Früchten“ beworben wurde und ein guter Durstlöscher für Kinder sei. Die Verbraucher urteilten zu Recht, dass lediglich 12 Prozent Saft, der mit Wasser, einer Ladung Zucker (die auf der Verpackung verschwiegen wurde) und künstlichen Aromen aufgepeppt wurde, nicht gesund, sondern ungesund sind.
2014 wurde Nestlé von foodwatch abgewatscht, und zwar für ihre Alete Trinkmahlzeiten, die sehr kalorienreich sind, aber wie ein gesundheitsförderndes Produkt vermarktet wurden. Ärzte warnen seit langem davor, Babys hochkalorische Trinkmahlzeiten zu geben, weil sie Karies und Überfütterung fördern – Eltern können solche Produkte mit Getränken verwechseln. Auch die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) bewertet solche Trinkmahlzeiten als unverantwortlich, weil sie die Kindergesundheit gefährden. Nestlé änderte den Namen in Alete Mahlzeit zum Trinken, machte den Hinweis auf Karies besser sichtbar und ergänzte die Verpackung um „ersetzt einen Milch-Getreidebrei zum Löffeln“. Damit wüssten die Eltern nun ganz genau, dass es sich nicht um ein Getränk, sondern um eine vollwertige Mahlzeit handle. Ja, man verweist einfach auf die Verpackungsaufschrift, statt das Lebensmittel gesünder zu machen.
Selbstverpflichtung funktioniert nicht
Zahlreiche Lebensmittelunternehmen hatten 2007 im Rahmen einer Initiative der Europäischen Union in einer Selbstverpflichtung zugesichert, bestimmte Regeln einzuhalten, wenn sie Produkte für Kinder bewerben. So sollten beispielsweise nur noch Lebensmittel, die besondere Anforderungen an die Nährwerte erfüllen, an Kinder unter zwölf Jahren beworben werden. Die Verbraucherorganisation foodwatch prüfte, ob diese Selbstverpflichtungserklärung tatsächlich bewirkt hatte, dass nur noch ausgewogene Lebensmittel an Kinder vermarktet werden. Dazu wurde das Marketing der Unterzeichnerfirmen untersucht, darunter Kellogg’s, Ferrero, Danone, Nestlé und Coca-Cola. Das Ergebnis: Von insgesamt 281 Produkten im Test erfüllten lediglich 29 die WHO-Kriterien. 90 Prozent (252) der Lebensmittel sollten nach Meinung von Gesundheitsexperten nicht an Kinder vermarktet werden.
Kellogg’s rückt Zucker ins rechte Licht
Kellogg’s will uns weismachen, dass eine Portion Frosties mit Milch weniger Zucker enthält als ein Apfel.3 Das konnte ich nicht glauben. Ich rechnete deshalb einmal nach: Kellogg’s behauptet, ein Apfel enthalte über 13 Gramm Zucker. Das mag sein, ist dann aber mit rund 140 Gramm schon ein überdurchschnittlich großer Apfel (das BVL setzt für einen durchschnittlichen Apfel lediglich 112 Gramm an). 100 Gramm Frosties enthalten laut Hersteller 37 Gramm Zucker. Kellogg’s vergleicht aber nicht Gewicht, sondern „Portionen“. Eine Portion Cerealien, so Kellogg’s, wiege 30 Gramm, also entspräche dies 11,1 Gramm Zucker (wobei ich sagen muss, dass ich von 30 Gramm Frosties zum Frühstück nie satt werden würde). Fehlt noch die Milch. Wieviel Milch in der Portion von Kellogg’s mit 30 Gramm Frosties ist, weiß ich nicht und erhielt auch keine Antwort darauf, aber nehmen wir einmal 50 Milliliter Vollmilch, das wären dann noch einmal mindestens 2 Gramm Zucker. So ergibt sich für eine Frosties-Portion ein Gesamtzuckergehalt von über 13 Gramm – also mindestens ebenso viel wie der Apfel! Wir fragten beim Unternehmen nach. Die Antwort war Gold wert. Obwohl Kellogg’s auf der Website eindeutig von Frosties spricht (die relativ viel Zucker enthalten), argumentierte man in der Antwort damit, dass beispielsweise eine Portion Corn Flakes nur 2,4 Gramm Zucker enthielte. Von Corn Flakes ist auf der Website allerdings überhaupt nicht die Rede.
Bezeichnend ist auch diese völlig nichtssagende und meiner Ansicht nach unhaltbare Aussage: „Zucker […] regt besonders in Kombination mit Obst und Milchprodukten zum Verzehr von Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen an.“
Kellogg’s rückt Zucker nicht ins rechte Licht, sondern führt die Verbraucher hinter selbiges!
Wunderbare Wandlung
Im August 2009 war eines der bekanntesten Mineralwässer in Bayern – Adelholzener Alpenquell Classic – bei Ökotest mit „mangelhaft“ durchgefallen. Der Grund: Es wurden die als krebserregend eingestuften Schwermetalle Uran und Arsen nachgewiesen. Das Image des Unternehmens litt stark, viele verunsicherte Verbraucher stiegen auf andere Marken um – eine Katastrophe für den Betrieb, der zur Kongregation der Barmherzigen Schwestern gehört.
Doch einige Zeit später begann das Unternehmen, dasselbe Mineralwasser mit der Auszeichnung „sehr gut“ zu bewerben, und das völlig legal. Was war passiert? Nun, die Schwestern sind offenbar nicht auf den Kopf gefallen, oder, wie man in Bayern sagen würde, nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen. Das Wasser war deshalb durchgefallen, weil es gleichzeitig mit der Werbeaussage „Geeignet für die Zubereitung von Babykost“ versehen war. Mineralwasser ist den gesetzlichen Vorschriften zufolge für Säuglinge nur dann geeignet, wenn bestimmte Grenzwerte eingehalten werden. Ökotest bewertet jedoch strenger und vergibt gute Noten nur dann, wenn solche Werte deutlich unterschritten werden. Diese Werte hatte das Wasser nicht erreicht und erhielt deshalb ein „mangelhaft“. Die Werte für Erwachsene wurden jedoch problemlos unterschritten, auch nach den strengen Kriterien von Ökotest, und nachdem das Unternehmen den Zusatz „säuglingstauglich“ entfernt hatte, durfte es das Wasser mit der Ökotest-Auszeichnung „sehr gut“ bewerben.
Man muss es den Schwestern (beziehungsweise ihren Werbeagenturen) lassen: Sie sind kreativ, wenn’s um Werbung geht. So bewarb das Unternehmen sein Produkt Active O2 als „Powerstoff mit Sauerstoff“ und „mit der 15-fachen Menge an Sauerstoff“ und suggerierte eine positive Wirkung auf den Stoffwechsel sowie eine erhöhte sportliche Leistungsfähigkeit. Es gibt keine, ich wiederhole keine Beweise dafür, dass sich mit Sauerstoff angereicherte Getränke auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Auf Ihre Geldbörse wirken sich solche Mogelpackungen natürlich aus, und zwar spürbar. Auf der Internetseite hieß es damals: „Ohne Sauerstoff können wir nur wenige Minuten überleben.“ Eine derartige Glanzleistung wissenschaftlicher Erkenntnis und mentaler Leistungskraft müsste man eigentlich auszeichnen!
Volle Pulle daneben
Immer mehr Menschen ernähren sich vegetarisch oder vegan, und für all diese Menschen ist es besonders wichtig, dass Inhaltsstoffe so präzise wie möglich angegeben werden. Ich kam jedoch heftig ins Grübeln, als ich die Werbeaussage der Berliner Firma Spreequell auf deren Internetseite mit der Überschrift „Volle Pulle Leben“ las: „Unser Mineralwasser ist natürlich auch vegan.“ Haben wir all die Jahre etwas übersehen? Hat uns jemand wieder etwas verschwiegen? Wird Mineralwasser vielleicht in Tankwagen transportiert, in denen zuvor Schweineblut geliefert wurde? Oder spuckt schon mal ein Ziegenbock hinein? Baden Wildschweine darin oder pinkeln da nachts Frösche rein? Nichts von alledem (so hoffen wir zumindest) ist der Fall. Bei genauerem Hinsehen entpuppen sich diese Produkte als Mineralwässer mit Fruchtsaftanteil. Häufig wird Fruchtsaft mit Hilfe von Schweinegelatine „geklärt“, und auf diese Schweinegelatine hat Spreequell verzichtet. So weit, so gut. Doch die Aussage „Unser Mineralwasser ist natürlich auch vegan“ bereitet mir immer noch Kopfzerbrechen …
Doch die Berliner sind nicht die einzigen, die – nein, ich sage nichts weiter dazu …
Oregon Rain Natural Virgin Water sagt: „100 Prozent Regenwasser. Über dem Pazifischen Ozean, wo frische, kalte Luft vom Nordpol auf warme Luft vom Äquator trifft, entstehen Wolken voller natürlich sauberer, purer Wassertropfen. Diese Wolken gleiten über den Ozean, wobei sie bewohnte Regionen vermeiden, und kommen schließlich über dem Tal von Willamette an. Und dort, auf einer ganz besonderen Farm, fängt Oregon Rain das Wasser auf, schickt es durch einen Mikronenfilter und ozoniert es in der Flasche. Das Ergebnis ist wahrhaftig der Himmel im Wasserglas.“
Ich sage: So einen Blödsinn habe ich schon lange nicht mehr gehört.
Gerolsteiner sagt: „Durch seinen einzigartigen Ursprung ist Gerolsteiner von Natur aus vollkommen rein, ausgewogen mineralisiert und zu hundert Prozent natürlich. Gefiltert durch die verschiedenen Gesteinsschichten der Vulkaneifel sammelt es sich bis zu 200 Meter tief unter der Erde. Hier bleibt das Wasser vor Verunreinigungen und Umwelteinflüssen geschützt.“
Ich sage: Ein Orangensaft aus 100 Prozent Orangen ist zwar ein natürliches Produkt, aber deswegen noch lange nicht frei von Rückständen wie Pestiziden oder anderen Kontaminanten. Beim Mineralwasser ist es genauso: Ein natürliches Mineralwasser entstammt der Natur – inklusive aller enthaltener Rückstände.
Auf unsere Anfrage antwortete Gerolsteiner: „Erst seit 2006/2007 ist eine neuartige, hoch empfindliche Analysemethode (LC-MS/MS) verfügbar, mit der in sehr niedrigen Spurenbereichen Stoffe nachgewiesen werden können, deren Nachweis bis dahin außerordentlich schwierig war. Zu diesen Stoffen gehören sog. nicht-relevante Metaboliten, das sind Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln. Sie haben selbst keinerlei Wirkung mehr und sind für den Menschen und die Umwelt völlig unschädlich.“
Wir haben Gerolsteiner daraufhin auf die Studie von Andreas Kortenkamp von der School of Pharmacy der University of London (siehe Kapitel „Extrem gefährlicher Cocktail“) aufmerksam gemacht, in der nachgewiesen werde konnte, dass es auch dann zu Gesundheitsrisiken kommen kann, wenn mehrere Chemikalien in derart niedrigen Dosen vorhanden sind, dass die einzelne Substanz für sich genommen keinerlei Wirkung hat, und baten um Stellungnahme. Man werde unser Schreiben „mal an die Fachabteilung weiterleiten“ und sich wieder melden. Wir mussten dann noch einmal nachhaken, bevor dann – umgehend! – die Antwort kam: Man verwies uns lapidar auf die Mineralwasser- und Tafelwasserverordnung. Wir haben uns daraufhin beschwert, dass die Frage nicht beantwortet wurde. Gerolsteiner entgegnete, man habe offensichtlich aus unseren Informationen nicht die richtige Frage herausfiltern können, und bat uns, die Frage als Frage formuliert zukommen zu lassen. Grundgütiger! Wir haben unser Ansinnen dann – grammatisch korrekt mit Fragezeichen – noch einmal formuliert. Denn wenn der Verbraucherservice von Gerolsteiner glaubt, uns mit Hinhaltetaktik mürbe machen zu können, ist er schief gewickelt. Nach einem weiteren Erinnerungsschreiben kam dann endlich die Reaktion von Gerolsteiner: Man könne die Studie leider nicht beurteilen, denn man verfüge nicht über die notwendigen Fachkenntnisse. Mit „nicht-relevanten Metaboliten“ und „neuartigen Analysemethoden“ kennt man sich also aus, aber eine Studie kann man nicht beurteilen? Liegt’s vielleicht daran, dass man sie nicht beurteilen will?
Die Experten von Hipp sind auch nicht besser. In ihrem Internet-Forum kommentieren die Fachleute die Bedenken einer Mutter, deren Arzt ihr geraten hatte, ihr Baby möglichst nur mit glutenfreier Milch zu ernähren, nicht etwa mit Aufklärung (sie hätten zum Beispiel schreiben können: „Milch enthält kein Gluten“), sondern mit den Worten: „Sie können Ihrer Kleinen weiterhin unsere [Produkt XY] füttern. Sie ist wie jede Säuglingsnahrung glutenfrei. Das ist gesetzlich so vorgeschrieben.“ Oder die Spanier. Mit dem Prestige LifeStraw Wasserfilter gelingt es Ihnen, wie von Zauberhand vegetarisches Wasser zu produzieren. In Spanien können Sie auch das Agua Energizante, ein „Mineralwasser ohne Kalorien“, kaufen sowie ein aus Brasilien stammendes glutenfreies Wasser. Im Jahr 2008 wurde in den USA die Wassermarke Fortifido eingeführt. Noch nie was davon gehört? Das ist auch kein Wunder, denn erstens kam das Wasser bei den Kunden offenbar nicht gut an, denn es wurde wieder vom Markt genommen, und zweitens war es nicht für den menschlichen Verzehr gedacht. Sondern für Hasso, Kira & Co. – Hunde. Fortifido gab es in vier verschiedenen Geschmacksrichtungen, darunter Petersilie (etwas, das sich jeder Hund wünscht?!) und eines mit Spearmint für frischen Atem. Mein Hund hätte sich eher ein Wasser mit dem Aroma eines toten Bussards gewünscht. Auf dem Etikett wurde dem geneigten Hundehalter mitgeteilt, dass der Flascheninhalt zu 99,9 Prozent aus „Feuchtigkeit“ bestehe. Nun, das wollen wir doch hoffen, wenn wir eine Flasche Wasser kaufen!
Und wenn Sie jetzt sagen, jaaaa, aber das ist doch Amerika, die machen oft so einen Schwachsinn, dann gebe ich Ihnen zwar mit dem Schwachsinn Recht, aber ansonsten muss ich Sie enttäuschen, denn im Tierfuttermarkt Ihres Vertrauens können Sie für Ihren Schmusetiger MultiFit Wasser für Katzen erwerben. Der Hersteller schreibt, es sei unwiderstehlich erfrischend. Nun, dafür, dass ein Liter dieses Wunderwassers 66 Cent kostet, darf man auch etwas erwarten, denn einen Liter stinknormales Mineralwasser bekommt man schon ab 19 Cent. Leitungswasser wäre noch billiger, kostet durchschnittlich nur 0,2 Cent, aber das ist für Mieze nicht gut genug – niemals!
Die neue Lebensmittelkennzeichnung hilft
… vor allem den Herstellern. Die neue Verordnung zur Lebensmittelkennzeichnung, die seit Dezember 2014 gilt, sollte mehr Transparenz für Inhalt und Qualität von Lebensmitteln und Getränken schaffen: Wichtige allergieauslösende Stoffe, Nettofüllmenge der Packung, Einfrierdatum sowie Herkunftskennzeichnung müssen die Hersteller künftig angeben – alles soll nunmehr mit einem Blick auf die Zutatenliste erkennbar sein. Die Realität ist ernüchternd: In den Zutatenlisten finden sich weiterhin oft nur allgemeine Bezeichnungen wie „Gewürze“, ohne dass diese einzeln genannt werden müssen. Es gibt viele Menschen, die allergisch sind – nicht gegen alle Gewürze, aber gegen einzelne Gewürze. Auf verpackten Lebensmitteln muss zwar der Vermarkter angegeben werden, nicht aber der Produzent. Das bedeutet, dass die Herkunft der Zutaten in solchen Produkten auch heute oft unbekannt bleibt, verschwiegen werden darf. Woher stammen die Orangen in Ihrem Saft? Oder die Äpfel in Ihrer Schorle? Äpfel beispielsweise werden heute häufig aus China importiert – China ist der weltweit größte Apfelproduzent. Das Problem ist nur, dass in China deutlich mehr Pestizide verwendet werden dürfen als in Europa. Gleiches gilt für Orangen und andere Früchte oder Gemüse, die in Getränken verarbeitet werden: andere Länder, andere Sitten, andere Pestizidgrenzen. Die Hersteller sind dem Gesetzgeber dankbar, wir Verbraucher stehen wieder einmal wie der „Ochs vorm Tor“, weil wir kaum klüger sind als zuvor.
Massenpsychologie vom Feinsten
Eigentlich wollte ich diesen Absatz mit „Manipulation vom Feinsten“ betiteln, aber das könnte rechtlich problematisch sein. Doch ich kann Ihnen auch auf andere Weise deutlich machen, wie leicht es ist, uns zu beeinflussen.
Um jemanden davon zu überzeugen, dass etwas wahr ist, das in Wirklichkeit gar nicht wahr ist, müssen Sie lediglich zwei Dinge erzielen: Sie müssen die Wahrheit so verschleiern, dass man sie nicht sieht oder nicht erkennt. Dann müssen Sie Ihrem Gegenüber eine angenehme und bequeme „alternative Wahrheit“ anbieten, die so nah wie möglich an einer Aussage liegt, die man mit gesundem Menschenverstand akzeptieren würde. Klingt kompliziert? Ich gebe Ihnen ein Beispiel.
Nehmen wir an, Sie möchten sich im Internet über gesunde Ernährung informieren. Den Herstellern und deren Verbänden trauen Sie nicht so recht, deshalb suchen Sie nach einer unabhängigen Expertenmeinung. Bei Ihren Suchergebnissen taucht die Website des European Food Information Council (EUFIC) auf. Zugegeben, die Abkürzung ist etwas unglücklich gewählt, aber der Bestandteil „EU“ ist schon einmal vertrauenerweckend. Auf der Website präsentieren sich zahlreiche Ernährungsexperten. Dort lesen Sie dann:
„Es gibt keine ‚guten‘ oder ‚schlechten‘ Lebensmittel, nur gute oder schlechte Ernährungsweisen. Fühlen Sie sich nicht schuldig wegen der Nahrung, die Sie gerne essen. Essen Sie sie lieber in Maßen und wählen Sie andere Lebensmittel, um die Ausgewogenheit und die Vielfalt zu erreichen, die für eine gute Gesundheit von wesentlicher Bedeutung sind.“
Das hört sich logisch an, nicht wahr? So, wie es hier dargestellt wird, kann man nicht viel dagegen sagen, und da dies offenbar von Ernährungsexperten geschrieben wurde … her mit der geliebten Limo! Ich muss mir offenbar keinerlei Sorgen um Übergewicht oder Diabetes machen, solange ich mich abwechslungsreich ernähre.
Was sagt EUFIC aber in Wahrheit? Man beginnt mit einer völlig trivialen Aussage, nämlich, dass viele Menschen offenbar denken, es gäbe gute und schlechte Lebensmittel. Nun, es ist sicherlich möglich, sogar wahrscheinlich, dass viele Menschen diese Unterscheidung machen. Der erste Schritt ist geschafft – wir haben eine Aussage akzeptiert, da sie logisch erscheint und möglicherweise sogar korrekt ist. Gleichzeitig wird uns mit dieser Aussage vermittelt, dass es gute oder schlechte Lebensmittel gar nicht gibt, sondern nur gute oder schlechte Ernährungsweisen. Auch das ist eine völlig belanglose Aussage, die aber nachvollziehbar klingt und die wir deshalb auch akzeptieren können. Eigentlich sollte jetzt eine stichhaltige Begründung dafür folgen – doch die kommt nicht. Aber das Beste ist, dass dieser Satz auch unsere geheimsten Wünsche bedient: eine Welt, in der es keine schlechten, ungesunden Lebensmittel gibt – das Salz, der Zucker usw. in diesen Lebensmitteln ist nicht schlecht, sondern lediglich die Art und Weise, wie wir uns ernähren. Gott sei Dank, die Cola ist nicht schlecht! Ich muss mich nicht „schuldig fühlen“! Dieses Gefühl der Erleichterung führt dazu, dass Ihnen EUFIC nun fast alles erzählen kann. Nach Beweisen oder Belegen fragen wir schon nicht mehr. Wir haben diese „alternative Wahrheit“ nur zu gerne gekauft und fühlen uns wohl, bestätigt, verstanden! Wir vergessen auch, nach detaillierten Angaben zu den Mengen und Lebensmitteln zu suchen. Wir akzeptieren diese völlig nutz- und bedeutungslose Aussage. Solange das Ganze „ausgewogen“ ist, also irgendwie bunt gemischt, ist es in Ordnung. Wir denken auch nicht mehr darüber nach, dass es vielleicht noch andere Meinungen geben könnte, andere Experten, die zu einem anderen Schluss gekommen sind. Wir sind froh, dass es Experten gibt, die uns die Cola erlauben. Morgen trinken wir zum Ausgleich wieder eine Apfelschorle. Die Welt ist in Ordnung.
So einfach ist das. Man nehme eine triviale Aussage, der jeder zustimmen kann, um Glaubwürdigkeit zu erzielen. Dann ergänze man diese mit völlig bedeutungslosen Ausführungen, die man nicht belegt, und schaffe eine Atmosphäre von Verständnis und Wohlgefühl.
In dasselbe hirnlose Horn stoßen dann auch die Experten (beispielsweise Prof. James O. Hill, siehe Kapitel „Die Diktatur der Mächtigen“), die beim EUFIC zu diesem Thema zu Wort kommen. Eins zu null für EUFIC.
Doch halt – so gut sind die Kommunikationsexperten von EUFIC auch wieder nicht, denn Sie gehören zu den Menschen, die sich noch ein paar Minuten Zeit nehmen, um nachzusehen, wer oder was EUFIC eigentlich ist. Sicher ist sicher!
Sie müssen leider eine ganze Weile suchen. Ganz, ganz unten auf der Website lesen Sie:
Über EUFIC
EUFIC, das Europäische Informationszentrum für Lebensmittel, ist eine gemeinnützige Organisation, die den Medien, Gesundheits- und Ernährungsfachleuten, Erziehern und meinungsbildenden Einrichtungen wissenschaftlich fundierte Informationen über Nahrungsmittelsicherheit und -qualität sowie Gesundheit und Ernährung auf eine für Konsumenten verständliche Weise liefert.
So weit, so gut, denken Sie. Aber irgendwie nicht aussagekräftig, oder? Ah, da unten kann man noch auf „weiterlesen“ klicken. Sie gelangen auf eine lange Textseite. Der erste Absatz ist identisch mit dem, den Sie auf der Hauptseite gelesen haben. Die weiteren Absätze beginnen mit „In Beantwortung der steigenden Nachfrage in der Öffentlichkeit nach vertrauenswürdiger, wissenschaftlich fundierter Information …“, „Alle von EUFIC veröffentlichten Informationen wurden von den Mitgliedern des Wissenschaftlichen Beratungsgremiums …“, „Von seinem Hauptsitz in Brüssel (Belgien) …“ – stopp! Brüssel? Sie scrollen nun ganz nach unten. Dort erfahren Sie endlich das, was Sie sonst nirgendwo auf dieser Seite lesen können:
„Das EUFIC wird durch Unternehmen der europäischen Lebensmittel- und Getränkeindustrie unterstützt und erhält Projektfinanzierung durch die Europäische Kommission. Es wird von einem Vorstandsgremium geleitet, dessen Mitglieder von den Mitgliedsunternehmen ernannt werden. Derzeit gehören folgende Unternehmen dem EUFIC an: Abbott Nutrition, Bunge, Cargill, Cereal Partners, Coca-Cola, Dow Seeds, DSM Nutritional Products Europe Ltd., Ferrero, General Mills, Mondelēz Europe, Mars, McDonald’s, Nestlé, PepsiCo, Pinar Et, Tereos, Ülker, Unilever.“
Verdammt nochmal, da wären wir Coca-Cola, PepsiCo und Nestlé doch fast auf den Leim gegangen!
3 http://www.kelloggs.de/de_DE/the-benefits-of-cereal/Putting-Sugar-in-Perspective.html