Читать книгу VOM MASCHINENSCHLOSSER ZUM REEDER - Marius Bunge - Страница 6
ОглавлениеStudien und Fahrzeit auf VOLUMNIA und VIRGILIA
Einige Wochen verbrachte ich bei meinen Eltern in Ingelheim. Während dieser Zeit bewarb ich mich bei der Ingenieurschule in Hamburg um einen Platz für den nächstmöglichen C3 Lehrgang. Ebenso belegte ich einen Platz bei der Sprachschule Eurolingua in Barcelona für einen drei Monate langen Kurs in Spanisch.
Mit der Lufthansa flog ich nach Barcelona. 1968 benötigte man zur Einreise in Spanien einen Reisepass und die Zollkontrolle war übertrieben strikt. Am 1. September 1968 begann ich spanisch zu lernen. Eurolingua hatte Verträge mit Familien oder einzelnen Personen, die den Studenten ein Zimmer und Verpflegung stellten. Bei Sra. Fuste in der Via Argentina in Barcelona, bekam ich ein Zimmer und erhielt gutes spanisches Essen. Dies war in einem großen Apartment eines Hochhauses. Sie bewirtete drei Studenten, Judith eine Engländerin, Peter ein Däne und mich. Wir kamen bestens mit einander aus und Sra. Fuste bemühte sich uns alles gerecht zu machen.
Die Klasse der Schule die ich belegte, war international und es wurde ausschließlich spanisch gesprochen. Es wurden auch Ausflüge unternommen, zum Beispiel nach Monsterrat, den Kulturstätten in Barcelona und anderen Orten. Nachmittags zog ich durch die Stadt Barcelona die ich bald wie meine Westentasche kannte. Bald war ich in der Lage, mit den Einheimischen eine Unterhaltung zu führen. An einem Nachmittag, ich schlenderte durch La Rambla, der Prachtallee von Barcelona, sprach mich ein mit einer Kutte bekleideter Padre an. Sofort ging ich auf seine Unterhaltung ein, ich wollte ja das Spanisch lernen. Er bot mir an das gotische Viertel der Altstadt zu zeigen. Gerne nahm ich sein Angebot an und er erklärte sehr gut. In einem Innenhof der Sagrada de Familia wollte er mich plötzlich küssen. Dies haute mich von den Socken, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass ich so gut auf Spanisch fluchen konnte. Empört schubste ich den Padre von mir weg und verließ schnellstens diese heilige Stätte. Beim Abendessen erzählte ich diesen Vorfall und Sra. Fuste meinte kopfschüttelnd, dass wir in einer schlechten Welt leben. Dasselbe sagte sie, als die Nachricht erschien, dass Jacqueline Kennedy den Griechen Onassis heiratete.
In meiner Klasse war auch eine Norwegerin mit der ich zum Essen nach Barceloneta, einem an Barcelona angrenzendes Fischerdorf fuhr. Dort gab es alle Arten frischer Meeresfrüchte, die das Herz begehrt. Während dem Schlemmen erzählte sie über ihr Leben in Norwegen. Sie war eine Tochter des größten Norwegischen Reeders und hatte auch in dem Büro ihres Vaters gearbeitet. Diese Reederei heuerte unter anderen, auch Mannschaften aus Spanien an, weshalb sie spanisch lernte.
Von meinen Eltern erhielt ich regelmäßig Post und eines Tages bekam ich einen Brief von der Schiffsingenieurschule in Hamburg. Dieser enthielt die Mitteilung, dass ich für den Lehrgang C3, beginnend im März 1969, angenommen war.
Es war eine schöne Zeit für mich in Barcelona und wir waren oft am Feiern, verbrachten Stunden am Strand oder lagen auf der Dachterrasse des Hochhauses. Morgens war Schule und nachmittags Freizeit, die ich oft in der Stadt verbrachte und Spanisch praktizierte. Die drei Monate waren schnell vorbei.
Nun kaufte ich mir ein Kilometrico für 3000 km der RENFE. Dies war ein Heft mit Fahrscheinen über 3000 km der spanischen Bahn zu einen Spottpreis. Also, ich fuhr mit der Bahn durch das ganze Land. Die erste Fahrt ging von Barcelona nach Madrid, auf einer Seite des Heftes wurden der Abfahrt- und Ankunft Ort mit der Distanz in km und die noch verbleibenden km eingetragen. Auf der Fahrt war ich immer der einzige Ausländer. Die Spanier hatten oft einen Korb mit Verpflegung dabei und wenn sie ihre spanische Tortilla und Brot auspackten, wurde mir immer etwas angeboten. Danach ging es weiter nach Toledo, Cordoba, Sevilla, Cádiz’, Algeciras und Ceuta in Nordafrika, wo ich einen Abstecher nach Tanger in Marokko machte. Ab Sevilla reiste ich per Bus, da es ganz im Süden Spaniens keine Bahnverbindungen gab. Ich übernachtete in von Familien geführten Pensionen und praktizierte Spanisch. Im Durchschnitt bezahlte ich für eine Nacht ohne Frühstück umgerechnet 3,50 DM. In Puerto de Santa Maria in einem Weingut bezahlte ich für ein Steak mit Beilagen und einer kleinen Flasche Wein auch nur umgerechnet 3,50 DM. Die Rückfahrt ging über Málaga, Granada, Alicante, Valencia, Barcelona und weiter zur französischen Grenze. Die Spanier haben Breitspur und ich musste durch Migration und Zoll zur französischen Bahn laufen. Von dort fuhr ich nach Ingelheim.
Es war kurz vor Weihnachten und im März begann der C3 Lehrgang. Was sollte ich tun? Am 13. Dezember begann ich eine Tätigkeit als Notstromdieselmechaniker bei der amerikanischen Luftstreitkraft in Wiesbaden. Natürlich hatte ich bei meiner Bewerbung nicht erwähnt, dass ich im März eine Ingenieurschule besuchen werde.
Sofort nach meiner Rückkehr von Spanien hatte ich mir einen Volkswagen 1500 N gekauft. Mit diesem Auto fuhr ich von Ingelheim zur Arbeit in Wiesbaden und benötigte dieses ja auch später in Hamburg.
Die Notstromdiesel, Cuminns und Caterpillar, wurden weltweit von Militärbasen eingeflogen und in Wiesbaden repariert. Das Amt für Verteidigungslasten bezahlte mich, aber ich arbeitete für das „DEPARTMENT OF THE AIR FORCE“. Meine Tätigkeit umfasste Reparatur und Überholung von elektrischen Dieselanlagen, Feststellung der Defekte und der Fehlerquellen, Wiederinstandsetzung von Injektorpumpen, Gebläsen, Generatoren, Regulatoren sowie Überprüfung von Kraftstoffanlagen, Schmiersystemen und Starteranlagen. Ersatzteile und Werkzeug gab es im Überfluss.
Also führte ich teilweise die gleiche Tätigkeit wie auf einem Schiff aus. Der Unterschied war, es schaukelte nicht, ich hatte um 17 Uhr Feierabend und am Wochenende und an deutschen, sowie amerikanischen Feiertagen frei. Zur Freude meiner Mutter war ich jeden Abend, Weihnachten und Neujahr zu Hause.
Als ich den ersten Dieselmotor überholt hatte, wurde die Abnahme von einem amerikanischen Offizier durchgeführt. Es waren einige Beanstandungen, die ich berichtigte. Es durfte nicht die kleinste Leckage vorhanden sein! Nun wusste ich worauf es ankam und die von mir danach reparierten Diesel wurden immer ohne Beanstandungen abgenommen.
Einmal im Monat war es meine Aufgabe die Toiletten zu reinigen. Da ich kein Soldat war überlegte ich mir gut ob ich die Arbeit ablehnen sollte. Die Kameradschaft mit den amerikanischen Soldaten war gut, was auch so bleiben sollte. Deshalb und nur deshalb reinigte ich einmal im Monat die Toiletten, ließ ich meinen Vorgesetzten wissen
Im Kasino der Airbase gab es eine gepflegte amerikanische Weihnachtsfeier. Es wurde gefüllter Truthahn, Kartoffeln und Heidelbeersoße serviert. Zum Geschenk gab es für jeden einen Korb mit Gebäck und weiteren Esswaren.
Es war ein guter Job ohne jeglichen Stress, aber zum 28. Februar musste ich kündigen. Meinen Vorgesetzten und Mitarbeitern tat es leid, dass ich gehen musste. Sie zeigten aber Verständnis dafür, da ich mich weiterbilden wollte.
Am 2. März fuhr ich mit meinem Auto nach Hamburg und war zum Schulbeginn anwesend. Die Schiffsingenieurschule der Freien und Hansestadt Hamburg wurde 1891 gegründet.
In Wandsbek mietete ich mir ein 2m x 3m großes Zimmer beim Ehepaar Zimmermann. Der Mietbetrag war 100 DM und ich durfte einmal wöchentlich baden, für jedes weitere Bad bezahlte ich eine Mark. In der Klasse nahm ich einen Platz in der zweiten Reihe ein. Mein Nachbar hieß Volker Schuldt und wir sind bis zum heutigen Tag befreundet.
Volker gab in seinem Elternhaus in Blankenese an einem Samstag eine tolle Fete. Er stellte ein Fass Bier bereit und grillte Würstchen. Nachdem das Fass geleert war fuhren wir alle zum Silbersack in Sankt Pauli. (Kultkneipe in St Pauli. Die Kneipe existiert seit 1950 und verbreitet Woche für Woche eine Bombenstimmung. Schlager und andere Stimmungsmusik reißen die gut gelaunten und friedvollen Gäste nicht selten auf Tische und Bänke, wo kräftig getanzt wird). Bei einem späteren Besuch im Silbersack erlebte ich die Dreharbeiten für einen Film mit Curd Jürgens. Er spielte den Betrunkenen und taumelte durch die Eingangstür. Da er diese Szenen mehrmals wiederholen musste war er furchtbar sauer. Aber die leichten Mädchen vom Kiez waren verzaubert von der Anwesenheit des normannischen Kleiderschranks, wie man den Curd Jürgens unter anderem nannte.
Manchmal tranken wir ein Bier in der Washington Bar das uns Mekki servierte. Mittagessen habe ich in der Mensa eingenommen Es gab einen Zuschuss in Form von Essensmarken. Ein Kommilitone gab mir seine Marken und damit hatte ich mein freies Mittagessen. Des Öfteren aß ich beim Schlachter Heinz in der Davidstraße. (Hier isst man wie bei Muttern)
In der Klasse waren wir bunt zusammengewürfelt, wir kamen von Redereien wie HAPAG bis zur OPDR. Aber eins hatten wir gemeinsam, alle waren Seeleute und deswegen war es eine harmonische Klasse. Das Lernen nahm ich ernst und hatte befriedigende Noten. Drei Klassenkameraden schmissen das Handtuch und gaben auf. Der Anfang war nicht leicht, man musste sich erstmal einarbeiten und sich den Dozenten anpassen.
Unser Semesterdozent war der Ing. Mihoc, der Elektrotechnik und Mathematik lehrte. Er war ein guter Dozent. Es war aber schwierig seinen Erklärungen zu folgen. Bald fiel bei mir der Groschen und ich wurde bei der Prüfung mit gut beurteilt. Motorentechnik und Hilfsanlagen lehrte Schiffs-Ing. W. Ernst, Stoffkunde und Physik Diplom-Ing. H. Seebek. Dampftechnik und Wärmewirtschaft Schiffs-Ing. Walter Zieme, Wazi genannt. Herr Zieme kam von Wyk auf Föhr. Er war besonders beliebt, war immer guter Laune und hatte oft einen Witz parat. Er fuhr zur See und als er heiratete sagte seine Frau, wenn ich erfahre, dass du mich betrügst lasse ich mich scheiden. Wazi antwortete, keine Sorge du wirst nie erfahren, dass ich dich betrüge.
Weitere Fächer waren Fachrechnen, Technisches Skizzieren, Gemeinschaftskunde, Sprachpflege und Schriftverkehr. Gesetzeskunde lehrte uns Dr. Gold, der keine seemännische oder technische Erfahrung hatte. Wir wurden von mehreren Dozenten gewarnt dieses Fach wirklich ernst zu nehmen. Bei der Zwischenprüfung hagelte es unbefriedigend und ausreichend. Darauf büffelten wir für dieses Fach um die Endprüfung zu bestehen.
Diese Prüfung war Anfang Juli und die mündliche Prüfung am 9. Juli 1969. Vorher kam die Nachfrage, wer möchte im Anschluss dieses Semesters ein weiteres Semester für das C4 Patent belegen, da noch einige Plätze frei sind. Sofort meldete ich mich an und ich dachte diese Gelegenheit darfst du nicht versäumen.
Nun suchte ich einen Job während der Semesterferien bis zum 15. September. Dies war ziemlich einfach. Bei der Reederei A. KIRSTEN wurde ich sofort für den Einsatz als 2. Ing. auf dem M/S VOLUMNIA eingestellt, obwohl ich die Prüfung noch nicht abgelegt hatte. Es war die richtige Zeit und Schiffsingenieur war der richtige Beruf. Am 31.12.1965 gab es insgesamt nur 4785 C3 - C6 Inhaber. Am Morgen des 9. Juli bestand ich die Prüfung. Das Zeugnis wurde mir vom Vorsitzenden Herrn Diplom-Ing. Biskop unterschrieben und übergeben. Vor allen Anwesenden gab Herr Biskop bekannt, dass ich am nächsten Semester für C4 teilnehme und noch am heutigen Tag auf einem Schiff als 2.Ing. anmustere.
Mit dem Zeugnis fuhr ich zur Rederei Kirsten, die mir damit das Patent besorgten. Der Maschineninspektor hatte alles vorher koordiniert und brachte mich zum Hamburger Flughafen. Von Hamburg hatte ich einen kurzen Flug nach Rotterdam wo ich auf der VOLUMNIA anmusterte.
Kurz darauf liefen wir nach Antwerpen aus. Alles an einem Tag, dem 9. Juli 1969. Der 1. Ing. Herr Schwabe stand kurz vor der Rente und war ein ruhiger Mann. Der 3. ein erfahrener Ing. war auch nicht mehr der Jüngste. Ich der Neue 23 jährige und noch viel jünger aussehende 2. Ing. der gerade von der Schule kam. Kein Wunder, dass ich äußerst skeptisch empfangen wurde. Keiner wies mich ein. Es war kein 2. Ing. anwesend als ich an Bord kam und ich ging umgehend in den Maschinenraum um mich vertraut zu machen. Die zwei Hauptmotoren in Reihe waren französische Pielstick, die bei Ingenieuren nicht den besten Ruf hatten. Mit Pielstick Motoren hatte ich bisher keine Erfahrung, waren für mich allerdings Dieselmotoren wie alle anderen.
M/S VOLUMNIA (Daten) – Trockenfrachter „GC“ speziell für die Große Seen-Fahrt. Gebaut 1957 bei Stülcken in Hamburg. 5.130 tdw. Zwei Pielstick-Reihenmotoren 3.600 PS: 14,5 Knoten; Besatzung 28;
Ich ging die für den 2. Ing. die übliche 04–08 Wache. Mein Assi war ein guter, intelligenter und sympathischer junger Mann. In Antwerpen lagen wir nur einen Tag und der nächste Hafen war Le Havre. In beiden Häfen wurde Stückgut geladen. Der Leitende Ingenieur Schwabe wies mich an in Le Havre einen Kolben von einer Hauptmaschine zu ziehen. Früh am Morgen fingen wir an, die gesamte Maschinenbesatzung war anwesend. Ich stand voller Energie und Lust zum Arbeiten auf der Zylinderstation um den Zylinderkopf zu demontieren.
Der 3. Ing. Heinz Höfer kam mit mürrischem Gesicht auf mich zu und fragte, ob ich ihn nicht einweisen würde. Gerne, aber ich wäre der Meinung, er als erfahrener 3. Ing. wüsste was er zu tun habe, antwortete ich. Sofort ging ich mit ihm nach unten wo die Klappen am Trieb des zu ziehenden Kolbens schon geöffnet waren und erklärte ihm seine Arbeit. Es ist üblich auf Schiffen mit drei Ingenieuren, dass der 3. Ing. die Pleuelstange mit Lagerschalen von der Kurbelwelle löst. Inzwischen entfernte ich den Zylinderkopf mit seinen Ein- und Auslassventilen, das Brennstoff- und Anlassventil. Der Kolben wurde mit Hilfe eines Kettenzuges nach oben gezogen. Alle Teile wurden gereinigt, die Zylinderlaufbuchse ausgemessen, der Kolben mit neuen Kolbenringen und einem Ölabstreifring versehen, die Lagerschalen begutachtet und alles wieder montiert. Diese Arbeiten verliefen zufriedenstellend und dank meiner Organisation ziemlich schnell. Der Leitende Ingenieur kam zweimal in den Maschinenraum und ging zufrieden zurück in seine Kammer.
Nach dem Abendessen klopfte es an meine Tür und Heinz Höfer trat ein. Er entschuldigte sich für sein Benehmen, was ich ihm sowieso nicht übel nahm. Dann fragte er ob ich mit nach achtern käme, beim Bootsmann wäre eine kleine Feier. Ich sagte zu und wir gingen nach achtern wo Höfer mich dem Bootsmann und der Mannschaft vorstellte. Zum trinken gab es Courvoisier VS der auch zufällig in Le Havre für unseren Löschhafen Boston USA geladen wurde. Ein Glas von diesem edlen Cognac ist etwas Feines. Wir tranken allerdings mehrere Flaschen aus. Seitdem waren Höfer und ich Freunde und ich war von der Mannschaft anerkannt.
Höfer legte sich normalerweise nach seiner Wache um O4:00 Uhr in seine Koje und schlief durch bis 11:00 Uhr. Das gab er nun auf und erschien um 08:00 Uhr, genau wie ich zum Frühstück, weil in der Messe solch eine gute Stimmung herrschte und viel gelacht wurde. Am nächsten Tag dem 12. Juli 1969 liefen wir nach Boston aus. Zur Maschinenmannschaft gehörten noch ein Elektriker, drei Assis und zwei Reiniger. Der Reiniger Juan de Toro war Spanier, ruhig und zuverlässig. Er wollte nur sein Geld verdienen und nach Hause schicken. Der deutsche Reiniger war falsch, faul und hätte gerne Überstunden angeschrieben bekommen ohne sie geleistet zu haben. Damit war er bei mir an der falschen Stelle. Den Spanier ließ ich täglich Überstunden machen, die schon morgens um 06 Uhr mit Separator reinigen begannen.
Mit dem Chief hatte ich ein sehr gutes Verhältnis, er wollte seine Ruhe haben und freute sich, dass er mal zur Abwechslung einen 2. Ing. hatte der gerne selbstständig arbeitete. Mir kam das gelegen, dass er mir volle Freiheit genehmigte. Der Elektriker studierte Elektroingenieur und fuhr genau wie ich während den Semesterferien. Er hatte keine Erfahrung, aber auch kein großes Interesse welche zu sammeln. Der Kapitän war ruhig und erfahren, was ich auch vom 1. Offizier sagen kann. Die Funkerin, jawohl eine Frau, weshalb sie auch im Salon mit dem Kapitän, Chief und ersten Offizier ihr Essen einnahm. Sie war eine angenehme Dame und es war für mich das erste weibliche Besatzungsmitglied auf einem Schiff. Es freute mich, dass sie nicht bei uns in der Offiziersmesse aß. Wir hätten uns nie bei ihrer Anwesenheit so frei unterhalten können wie wir es gewohnt waren.
Am 20. Juli liefen wir in Boston ein und lagen an der Pier, ganz in der Nähe des Flughafens. Jede fünf Minuten landete oder startete ein Flugzeug. Da wir fünf Tage Liegezeit hatten wurde wieder ein Kolben gezogen, wir hatten ja genug davon. Mein Assi wollte einen freien Tag haben, da seine Freundin, eine Stewardess von Lufthansa in New York war und ihn besuchen wollte. Zum Kolbenziehen wurde die gesamte Maschinenmannschaft benötigt. Aber in diesem Fall machte ich eine Ausnahme und wir mussten ohne ihn auskommen. Wir waren schwer am arbeiten, verschwitzt und ölverschmiert, als der Assi plötzlich mit einer hübschen Blonden im Maschinenraum erschien um ihr sein Arbeitsbereich zu zeigen. Dies lenkte uns natürlich ab und es war uns nicht so angenehm. Von Boston nahmen wir auch Ladung für Le Havre, Rotterdam und Hamburg. Wir glaubten es gäbe eine zweite Reise nach Boston.
In Hamburg erschien der Maschineninspektor Westphal und teilte mir mit, dass das Schiff in Skandinavien für Israel laden würde. Da diese Reise etwas länger dauern wird, müsste ich in Hamburg abmustern, da mein Semester am 15. September beginnt und er hätte auch schon eine Ablösung. Bedauernd sagte ich: in Ordnung, aber sie müssen mir kündigen.
In der Maschine musste ein Wärmeaustauscher der Dieselgeneratoren gereinigt werden. Da Ladebetrieb war konnte ich die Generatoren nicht abschalten, weil ein Diesel immer in Betrieb sein musste. Während der 3. Ing. den Wärmeaustauscher aufnahm und von den Reinigern gereinigt wurde, wurde das Frischwasser des Dieselmotors nicht mit Seewasser rückgekühlt. Ich stand an dem laufenden Dieselmotor und beobachtete die Kühlwassertemperatur, der zweite Diesel stand zum Anlassen bereit. Nun erschien meine Ablösung im Maschinenraum, begrüßte mich und erzählte, dass er von dem Passagierschiff PETER PAN kam und wolle sich mit mir gerne oben unterhalten. Inzwischen hatte der Diesel seine Höchsttemperatur erreicht. So antwortete ich: Später, jetzt kann ich nicht. Ich rannte zum zweiten Dieselmotor und startete ihn, rannte zur Schalttafel, schaltete den zweiten Dieselmotor zu und nahm den ersten raus. Nun konnte der erste Dieselmotor gestoppt werden. Bevor der zweite Dieselmotor seine Höchsttemperatur erreicht hatte, war der Wärmeaustauscher wieder betriebsbereit. Oben angelangt, konnte ich meine Ablösung nicht finden.
Da kam mir Herr Westphal mit einem gut gekleideten Herrn entgegen und wollte sich in meiner Kammer mit mir unterhalten. Der neue 2. Ing. hatte das Schiff, nachdem er sah, dass hier richtig gearbeitet wurde, abgelehnt. Nun fragte mich Herr Westphal, ob ich noch eine Reise mitfahren würde. Selbstverständlich wollte ich das, mit der Bedingung, zeitig vor dem 15. September zum Schulbeginn abgelöst zu werden. Der anwesende Herr, der mir nicht vorgestellt wurde, meinte einige Tage später würden auch nichts ausmachen. Vielleicht etwas schroff lehnte ich dieses ab, da ich am ersten Tag in der Schule sein wolle und in der zweiten Reihe einen Platz belegen wolle. Sie waren einverstanden und später erfuhr ich, dass der Herr der Reeder Kirsten war.
Die Funkerin, der Elektriker und der deutsche Reiniger wurden abgelöst. Es kamen ein angenehmer Funker, der gut zum Schiff passte, ein Elektriker und ein guter Reiniger an Bord. Wir liefen zwei Tage später nach Kopenhagen aus. Danach Göteborg, Dünkirchen und waren anschließend zehn Tage bei schönstem Wetter auf See bis wir in Haifa ankamen. An Deck wurde aus Persenning ein Schwimmbad gebaut. Die Stimmung an Bord konnte nicht besser sein. Bei dem Kapitän bedankte ich mich für das Schwimmbad und sagte, so macht die Seefahrt Spaß. Darüber freute er sich.
Heinz Höfer hatte eine ausgezeichnete Allgemeinbildung und schrieb auch Artikel für eine Illustrierte die er mir zeigte. Mit der Mannschaft unterhielt ich mich in Augenhöhe, mit dem Reiniger Juan de Toro in Spanisch.
Eines Tages, ich saß mit meinem Assi bei einem Bier in der Kammer, es klopfte an der Tür und der Chief Schwabe trat ein. Wir unterhielten uns intensiv und er trank auch einige Flaschen mit. Er erzählte von der Seefahrtzeit während und nach dem Krieg und den Schwierigkeiten die er dadurch hatte. Es gab gleich nach dem Krieg keine Möglichkeit ein Patent zu machen und dann die Familie usw. Er schüttete sein Herz aus und es liefen ihm die Tränen über die Wangen. Nun war er froh, dass ich an Bord war, weil die zweiten Ingenieure oft nicht arbeiten wollten und er nicht mehr könne. Es fehlte nicht mehr viel bis er seine Rente einreichen wird.
Am 29 August kamen wir in Haifa an, lagen zwei Tage auf Reede und machten am 31. August an der Pier fest. In Haifa lagen wir sieben Tage und damit stand schon fest ich werde in Israel abmustern. Gut, dass ich die Bedingung zwecks Ablösung gestellt hatte.
Wir zogen wieder Kolben, nach Feierabend trank ich mit Höfer ein Bier, es kam der Chief dazu und fragte wie es läuft. Es lief gut und morgen werden wir noch einen Kolben ziehen. Aber übermorgen möchten ich und die wachfreie Maschinenmannschaft einen freien Tag haben, um eine Fahrt durch Israel zu unternehmen. Als er dies bejahte, sagte ich aber der Freie Tag wird nicht angeschrieben. Nun konnte er nicht nein sagen und verließ die Kammer. Jetzt waren alle animiert und arbeiteten mit Freude in der tierischen Hitze Israels.
Höfer, der Funker, zwei Assis und ich wurden von dem Pfarrer der Seemannsmission in aller Frühe abgeholt. In einem VW Bus mit Klimaanlage fuhren wir nach Jerusalem, wo wir die Stadt und Klagemauer besichtigten. In Bethlehem besuchten wir die Geburtskirche von Jesus. Wir fuhren weiter zum Toten Meer und machten in einem Kibbuz Halt. Der junge Pfarrer erklärte ausführlich ohne zu viel ins Religiöse zu gehen. Wir kamen am Abend wieder im Hafen an und hatten eine schönen Abwechslung.
Mir war ein Fußnagel des großen Zehs ins Fleisch gewachsen. Der 2. Offizier Schweigert verordnete ein Seifenbad und schickte mich zum Arzt. Dieser meinte der Fußnagel müsse gezogen werden. Das Wochenende verbrachte ich mit Höfer am Strand. Am 7. September liefen wir aus und kamen am 8. In Ashdod an. Es kam keine Ablösung für mich.
Am 9. September verabschiedete ich mich vom Kapitän, den Offizieren und der gesamten Mannschaft. Viel Harmonie begleitete uns während meiner Zeit an Bord, die ich nie vergessen werde.
Ein Wagen von der Agentur wartete auf mich an der Pier und brachte mich zum Flughafen von Tel Aviv. Mit einem der ersten Flüge von Lufthansa auf dieser Route flog ich direkt nach Frankfurt. Da ich beim Arzt in Haifa war, konnte die Reederei die Abmusterungskosten der Versicherung aus Auge drücken.
Am selben Abend traf ich bei meinen Eltern in Ingelheim ein und verbrachte fünf Tage bei ihnen.
Pünktlich am 15. 9.1969 erschien ich in der Schule und reservierte mir einen Platz in der zweiten Reihe. Neben mir saß Hartwig Heiß ein intelligenter Kerl der ein Gehirn wie ein Computer hatte. Bald wurden wir Freunde und gingen oft zusammen aus. Unser Semesterdozent war Heinz Bruns, Schiff-Ing. und Kapitän Leutnant (Ing.) a.D.
In der Alsterkrugchaussee war ein brandneues Studentenwohnheim, wo ich mir ein Zimmer mietete. Das Studentenwohnheim empfahl ich noch drei weiteren Kommilitonen. Diese zogen auch ein und somit waren wir eine kleine Seemannsgruppe in diesem Heim. Die Zimmer hatten eigene Toiletten und waren gut eingerichtet. Es gab eine Gemeinschaftsküche, wo jeder ein abschließbares Kühlschrankfach hatte. Eine Gemeinschaftsdusche befand sich im unteren Stockwerk. In der Schule lief alles normal und ich machte gute Fortschritte.
Da ich bei der Reederei A. Kirsten gut ankam, setzte mich der Inspektor Westphal vom 28.9 bis 15.10.1969 als 2. Ing. auf dem M/S VIRGILIA ein. Dieses war baugleich mit dem M/S VOLUMNIA. Das Schiff lag im Dock der Deutschen Werft Reiherstieg. Nach der Schule fuhr ich in die Werft und blieb für die Nachtwache an Bord.
Es ist Vorschrift, dass unter anderem sich ein Ingenieur ständig an Bord befinden muss. Da die gemusterten Ingenieure jeden Abend nach Hause fuhren, trat ich ein. An Bord angekommen, trank ich eine Tasse Kaffee und unterhielt mich mit den Anwesenden.
Dort lernte ich auch den Funker Jürgen Coprian kennen dem ich später auf dem M/S FRANCESCA wieder begegnete. Nach dem Abendessen studierte ich in meiner Kammer. Danach legte ich mich schlafen und nach dem Frühstück fuhr ich wieder zur Schule. Dafür wurde ich gut bezahlt und die Ingenieure freuten sich, am Abend das Schiff verlassen zu können. An Bord der VIRGILIA erfuhr ich, dass nie eine Ablösung für mich nach Israel auf die VOLUMNIA kam. Der Chief und der 3. Ing. fuhren ohne einen 2. Ing. bis zum ersten europäischen Hafen.Ein Kommilitone machte eine Reservierung zur Besichtigung in einer Brauerei klar. Bedingung war, es musste ein Dozent dabei sein. Unser Semesterdozent Bruns lehnte sofort ab, mit der Begründung, die einzige Brauereibesichtigung an der er teilnahm endete mit einem Wettrennen auf der Mönckebergstraße. Wir konnten einen anderen Dozenten überreden und los ging’s. Die Besichtigung der Brauerei war interessant und anschließend gab es Bier satt und Zigarren Das war natürlich der wahre Grund für die Besichtigung. Nachdem wir alle lustig waren, meinte der Brauereiführer, die Zeit wäre um. Darauf fragte ihn unser Dozent, ob er ein Gasthaus in der Nähe empfehlen könne. Mein Freund Hartwig trank während den Pausen Kaffee und ich gewöhnte es mir auch an. Meine Fußzehe war immer noch geschwollen und ich konnte nur offene Sandalen tragen. Das sah im Winter blöde aus und Einmal im Sankt Pauli Theater, Freddy Quinn spielte den Jungen von Sankt Pauli, stierten die Leute auf meine Sandalen, was mich allerdings nicht weiter störte.
Am 23. Januar 1970 war die letzte Prüfung. Mit dem Zeugnis holte ich mir das C4 Patent ab, das ich später für ein CMa Patent eintauschte. Nach dem Zeugnis wurde in meinem Leben nie wieder gefragt. Der Winter und das miese Wetter hatten mir zugesetzt. Am 27. fuhr ich nach Ingelheim. Dort wurde mir im Krankenhaus der Fußnagel gezogen und das Nagelbett ausgeschabt. Nach dem Heilungsprozess machte ich drei Wochen Urlaub auf Gran Canaria. Wieder in Ingelheim angelangt, verkaufte ich meinen Volkswagen und fuhr am 10. März 1970 nach Hamburg.