Читать книгу Pfarrerinnen und Pfarrer der evangelisch-reformierten Landeskirche beider Appenzell - Mark Hampton - Страница 10
Eine veränderte Kirchenlandschaft
ОглавлениеDie Evangelisch-reformierte Landeskirche beider Appenzell beschäftigte sich in den letzten Jahren vor allem mit der Erneuerung ihrer organisatorischen Strukturen, und zwar zu einer Zeit, in der die Glaubenslandschaft der Schweiz grosse Veränderungen durchlebte.26
Zwei allgemeine Beobachtungen verdeutlichen die gegenwärtige gesellschaftliche Situation: Zunächst bilden die Landeskirchen zwar zahlenmässig noch eine klare Mehrheit, aber sie haben die Deutungshoheit über Glaubensinhalte und Lebensführung in der breiten Gesellschaft verloren. An ihrer Stelle sind Auswahl- und Patchwork-Glauben getreten. Religion scheint zu einem Markt geworden zu sein, in dem das Gesetz von Angebot und Nachfrage die Verbindlichkeit in Glaubenssachen verdrängt hat. Zweitens ist eine ernst zu nehmende Sehnsucht nach Halt und Orientierung erkennbar. Spiritualität boomt in einer Welt, die trotz wissenschaftlichem Fortschritt die Antwort auf die letzten Fragen nach dem Woher, Wozu und Wohin unserer Existenz schuldig geblieben ist. «Aufklärung und Säkularisierung, das spüren wir, sind längst an ihre Grenzen gestossen.»27
Diese gesellschaftliche Entwicklung hat auch Folgen für die reformierte Kirche. «Wie immer sich die reformierten Kirchen auch verhalten: Sie werden in den nächsten Jahrzehnten kleiner und ärmer, und das Durchschnittsalter der Mitglieder wird steigen»,28 so die Prognose des Religionssoziologen Jörg Stolz. Zusammen mit seiner Kollegin Edmée Ballif hat Professor Stolz von der Universität Lausanne eine Studie im Auftrag des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) veröffentlicht, in der die Situation der reformierten Kirche in der Schweiz genauer untersucht wurde. Ihr Fazit: Wenn die bisherige Entwicklung sich fortsetzt, wird die reformierte Kirche bis im Jahr 2050 nur noch 20 Prozent der Bevölkerung in sich vereinigen. «Wahrscheinlicher sind allerdings noch wesentlich grössere Mitgliederverluste. Die Finanzkraft der reformierten Kirchen wird mindestens proportional zum Mitgliederverlust abnehmen.»29 Diese Aussichten werden mit gesellschaftlichen Megatrends begründet, denen sich die Kirchen nicht entziehen können. Die Megatrends wie z. B. Individualisierung, Wertewandel oder religiöse Pluralisierung sind nicht aufzuhalten, sondern sind als Rahmenbedingungen strategischen Handelns zu verstehen.30 In diesem Zusammenhang sind die Entwicklungen innerhalb der Evangelisch-reformierten Landeskirche beider Appenzell der letzten Jahrzehnte zu bedenken.