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Die Reformierten beider Appenzell in Geschichte und Gegenwart Von Jerusalem bis ins Appenzellerland
ОглавлениеWas ist Kirche? Diese Frage ist nicht erst seit der römisch-katholischen Erklärung «Dominus Iesus»1 von Brisanz. Schon vor vielen Jahren hielt Emil Brunner fest: «Diese Frage ist das ungelöste Problem des Protestantismus.»2
Die ersten Christinnen und Christen verwendeten das griechische Wort «Ekklesia»3, um sich selber zu umschreiben. In der Antike bedeutete Ekklesia eine ordnungsgemäss berufene politische Versammlung, bestehend aus stimmberechtigten freien Männern. Für die junge Christusgemeinschaft umschreibt Ekklesia eine Gemeinschaft, bestehend aus Männern und Frauen, Sklaven und Freien, Juden und Griechen, die sich durch die Taufe zur Nachfolge Jesu Christi verpflichtet haben (vgl. Gal. 3, 26–29).
Und diese Ekklesia hatte von Anfang an einen Auftrag: Das Evangelium in Wort und Tat in aller Welt zu bezeugen. Der Auftraggeber, der auferstandene Christus, sendet die Seinen zu allen Völkern, so erzählt es uns u.a. das Matthäusevangelium (28, 16–20). Die Christusgemeinschaft wurde dazu berufen, geographische, sprachliche und kulturelle Grenzen zu überwinden, damit alle Menschen die Zuwendung Gottes erfahren können.
Zu welcher Zeit die Christianisierung der Schweiz einsetzte, lässt sich heute nicht genau feststellen. Es gibt jedoch Grund zur Annahme, dass dies schon im 2. Jahrhundert n. Chr. geschah.4 Dennoch dauerte es bis ins 10. Jahrhundert, bis die erste offizielle appenzellische Kirche – und zwar in Herisau – entstand, denn das Appenzellerland galt vergleichsweise lange als Wildnis.5 Diese erstmals im Jahr 907 urkundlich erwähnte Kirchgemeinde umfasste damals die heutigen Gemeinden Herisau, Schwellbrunn, Waldstatt und Urnäsch.6
Immer wieder gab es Menschen, die auf nötige Reformen hingewiesen haben: Namen wie Franz von Assisi, John Wyclif oder Jan Hus stehen für eine lange Reihe von Reformbemühungen während der ersten 1500 Jahre der Kirchengeschichte. Am Anfang des 16. Jahrhunderts war im deutschsprachigen Raum die geopolitische Situation dafür reif, so dass eine gründliche Reformation in der Kirchenlandschaft möglich wurde. Die reformatorischen Anstrengungen in Zürich und St. Gallen fanden bei den Appenzellern grossen Anklang. «Eine wichtige Entscheidung fiel in der Appenzeller Landsgemeinde vom April 1524, als jeder Kilchhöre die Freiheit zu eigener Entscheidung in religiösen Belangen übertragen wurde.»7 Mit dieser Entscheidung wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der grössere Umsiedlungen in der Bevölkerung verursachte und letztlich eine Landteilung im Jahr 1597 mit sich brachte.