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Feng-Shui in Vollendung

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Es hatte alles mit diesem aufregenden Artikel in der Zeitung angefangen. Feng-Shui in der Wohnung würde alles besser machen und wenn das Qi erst richtig fließt, dann würde er sich auch wieder besser fühlen, munterer, ja sogar jünger. Er verglich die Fotos in dem Magazin mit dem Bild, das seine Wohnung bot. Wichtigster Unterschied: Bei ihm war in jedem Regal alles zu sehen. Bücherrücken, kleine Dinge, die einfach mal zwischengelagert werden sollten, aber nun bereits seit Jahren verstaubten, Notizen und Kreditkarten. Gefüllte Koffer unter den Schränken, alte Fotos in vergilbten Kisten und in den Schränken hingen Sachen, die ihm schon lange nicht mehr passten. Das Qi hatte gar keine Chance zum Fluss zu kommen, und so war es auch kein Wunder, dass er sich so matt und antriebslos wie immer fühlte. Kein Qi da, also auch keine Freude im Leben.

Gleich am nächsten Tag fuhr er ins Möbelhaus und kaufte ein großes Regal mit verschließbaren Türen, damit der Blick an nichts haften bleiben und das Qi frei fließen konnte. Schnell baute er es auf und verstaute die gesamten Bücher darin. Den nutzlosen Plunder, die Schränke, all die alten Fotos mit seinen Verflossenen, die Kartons und nicht mehr passenden Sachen warf er gleich in den Müll und bereits am Abend fühlte er sich deutlich besser. Als er am nächsten Morgen sein Werk betrachtete, stellte er fest, dass die schon etwas matte Farbe an der Wand nun nicht mehr so recht zum neuen Regal passte. Auch ein Blick in die Zeitschrift bestätigte, dass die Wandfarbe ebenfalls Feng-Shui entsprechend sein müsse. Das Zimmer lag gen Osten, weswegen ihm als beste Farben grün und braun empfohlen wurden. Also fuhr er in den Baumarkt und besorgte sich die neuen Farben. Innerhalb eines Tages räumte er das Zimmer leer, strich die gesamten Wände und räumte das Zimmer wieder ein. Am Ende des arbeitsreichen Tages bot alles einen prächtigen Anblick. Und er war nun noch ein Stückchen glücklicher. Es herrschte Ordnung und Klarheit. Alles war auf das Wesentliche reduziert und er würde fortan in Harmonie wohnen und leben. Sofort spürte er neue Kräfte in sich aufsteigen, befand es aber für sinnvoller, sich schnell zum Schlafen zu legen.

Gleich nach dem Aufstehen ging er am folgenden Tag in das Zimmer und musste sich die Augen reiben. Der Teppich passte nicht mehr. Dass ihm das am Abend zuvor nicht aufgefallen war! Es war so schön, dass das Sofa wunderbar passte, aber der Teppich musste raus. Er war in seiner ruhenden Mitte empfindlich gestört und beschloss sofort, zum Möbelhaus zu fahren und einen neuen Teppich zu kaufen. Dieses Mal kam auch seine Freundin mit und sie bewies wahrlich einen ausgezeichneten Geschmack, denn der neue Teppich legte sich wunderbar auf den Fußboden und verströmte pure Glückseligkeit. Wie sie nun aber Arm in Arm dastanden und den Anblick des völlig harmonisierenden Zimmers genossen, bohrte sich ein weiteres störendes Element langsam in ihrer beiden Blicke. Die Lampe ging nun auch nicht mehr! Und wenn sie schon einmal dabei waren, passte das grün-braun des Zimmers auch nicht mehr so recht zu den viel zu weißen Türrahmen. Es wäre besser, wenn diese einen angenehmeren Ton hätten, vielleicht etwas beige oder ein einfach nur nicht so schreiendes Weiß. Sie beratschlagten eine Weile, was zu tun war, denn so langsam hatten sie Angst bekommen, dass sie immer wieder einen Punkt finden könnten, der sie stören würde. Sie hatten bei dem Regal angefangen, was ja noch in Ordnung war, dann die Farbe, der Teppich und nun die Lampen. Möglicherweise die Türen noch dazu. Und was würde als nächstes kommen?

»Vielleicht war es doch keine so gute Idee mit diesem Feng-Shui, oder?«, fragte er sie schon ein wenig frustriert.

»Doch, ich glaube schon. Sieh doch nur, wie toll der Raum geworden ist! Den Rest können wir doch nach und nach machen und außerdem haben wir ja noch genügend andere Räume.«

»An die will ich jetzt mal gar nicht denken«, entfuhr es ihm sofort, »und eigentlich ist mir inzwischen auch egal, ob wir in den anderen Zimmern Feng-Shui haben oder nicht. Ich bin so platt von der ganzen Arbeit und will mich einfach nur ausruhen und wohl fühlen.«

»Das werden wir auch noch.« Und so drückte sie ihm einen Kuss auf den Mund, zog ihn zum Auto und sie fuhren wieder zum Baumarkt. In den folgenden Tagen schliffen sie die Tür und den Türrahmen ab und versahen alles mit einem dezenten beigefarbenen Anstrich. Als sie ihr Werk besahen, stellte sich eine deutlich größere Ruhe ein. Es war fast perfekt. Aber eben nur fast. Sie waren sich schnell einig, was noch zu tun war. Der Raum war noch nicht rituell gereinigt. Also liefen sie das gesamte Zimmer im Uhrzeigersinn mit einer Kerze ab, leuchteten die Ecken aus und baten die Kraft des Feuers, die alten Energien in sich aufzunehmen und an den Kosmos zurückzuführen. Sie stellten zudem ein Räucherstäbchen auf und sprühten frisches Quellwasser in jede Ecke des Raumes.

Schließlich merkten sie, dass der Raum noch immer nicht so rein war, wie sie ihn brauchten. Deshalb kaufte sie eine Klangschale und stellte sich mitten in den Raum. In einem sehr intensiven Ritual entlockte sie der Schale wundervolle »Om-Töne« und bat das Universum, die verstaubten und verbrauchten Energien wieder in den Kreislauf des Kosmos zu geben. So wähnten sie sich zurück im Einklang mit dem Schwingungsfeld des Alleinen. Doch wie sie danach in ihrem neuen Zimmer saßen, spürte sie in aller Konsequenz die letzten Störungsfelder auf. Sie sah ihn an. Länger als sonst. Er war nicht besser geworden, nicht jünger, nicht munterer.

»Schatz, es wäre schön, wenn du jetzt gehst.«

Und wie er den Raum verließ, durchflutete sie plötzlich Wärme und Licht.

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