Читать книгу ironisch Short Stories - Mark Jischinski - Страница 5

Shoppingqueen

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Karla will shoppen gehen. Am Samstagnachmittag. Zur Entspannung, wie sie immer sagt. Den merkantilen Aspekt dieser Art der Beruhigung der Sinne scheint sie immer wieder gern zu verdrängen. Die Notwendigkeit von textilen Neuanschaffungen offenbart sich bereits, als sie vor ihrem überquellenden Kleiderschrank steht und nicht einmal weiß, was sie für den Einkaufsbummel anziehen soll.

»Soll ich mich schon mal umziehen oder brauchst du noch etwas Zeit?«, frage ich vorsichtig, um nicht wieder in voller Montur im überheizten Flur vor mich hin zu schwitzen.

»Ich bin gleich soweit. Zieh’ dich ruhig schon einmal um«, bescheidet sie mir, ohne mich eines Blickes zu würdigen, obwohl ich splitterfasernackt hinter ihr stehe und den Samstagnachmittag durchaus auch mit partnerschaftlicher Zuwendung verbringen könnte. Ebenfalls zur Entspannung. Trotz aller Paarungsbereitschaft, die ich signalisiere, nimmt Karla keine Notiz von mir. Also kann ich mich auch anziehen. Unterwäsche, Socken, T-Shirt, Jeans und ein Kapuzenshirt, schon stehe ich gestriegelt und gespornt hinter ihr.

»Wegen mir können wir los«, sage ich, wohlbedacht darauf, keinen Vorwurf in meine fünf Worte zu legen.

»Nun hetz’ mich mal nicht so!«, faucht sie mich an. Sie ist keinen Deut weitergekommen und steht noch immer halbnackt und verführerisch vor dem Schrank, der offenkundig keine tragbare Wäsche enthält. Um nicht schon vor unserem Entspannungseinkauf eine deeskalationswürdige Situation heraufzubeschwören, gehe ich in den Flur und setze mich auf unseren bequemen Sessel.

Ich nicke kurz weg und bemerke beim Augenöffnen, dass es bereits dunkel und mir sehr warm ist. Plötzlich aber wird Licht, denn Karla hat selbiges eingeschaltet und steht vor mir, gekleidet wie die unerreichbare Göttin eines herrschaftlichen Balles. Noch bevor ich ihr sagen kann, dass ihre Kleidung vielleicht etwas zu viel des Guten für einen netten Einkaufsspaziergang ist, scharrt sie mich an: »SO kannst du natürlich nicht mitkommen!«

Es ist einer dieser kostbaren Momente, in denen ich geneigt bin, mich im Geiste mit Dr. Paul Julius Möbius zu verbünden, der in seinem Werk »Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes« in etwa ausführte:

»Der Instinkt nun macht das Weib tierähnlich, unselbständig, sicher und heiter. In ihm ruht ihre eigentümliche Kraft, er macht sie bewundernswert und anziehend. Mit dieser Tierähnlichkeit hängen sehr viele weibliche Eigentümlichkeiten zusammen. Zunächst der Mangel eigenen Urteils. Was wahr und gut ist, das ist den Weibern wahr und gut.«

Soll ich dieses Zitat anbringen? Wird die Freude über meine Belesenheit überwiegen oder aber der Instinkt über sie siegen? Es ist mir als modernen Mann selbstredend bewusst, dass wir Männer schon bei Kleinigkeiten nicht auf uns achten. Die Frau kleidet sich selbst für einen Besuch bei Freunden wie zu einem Staatsempfang und wir Kerle schlumpfen daneben rum, als ginge es zum Saufen mit den Kumpels. SO kann ich natürlich nicht mitkommen. Meint Karla also. Wir Menschen haben so viele Erfindungen gemacht, aber der Beziehungsschiedsrichter war noch nicht dabei. So ein androgynes Wesen, das aus dem Schrank geschnellt kommt, und ganz und gar unparteiisch sagt: »Karla, hast du sie noch alle? Ihr wollt shoppen gehen und nicht zum Theaterball! Und Mark, du gehst nicht ins Fitnessstudio, also nimm’ wenigstens ein Hemd!«

Dann könnte es so etwas wie ein Unentschieden in der Beziehung geben. Doch ein Remis ist bei dieser Institution wahrscheinlich nicht vorgesehen. Ich bin noch ganz in Gedanken, als ich es in meinen Ohren schalmeien höre: »Ziehst du dich bitte um? Wenigstens ein Hemd und Jackett wirst du ja anziehen können, oder?«

Ich bündele meine Gedanken der letzten Sekunden in einem allumfassenden »Hm«.

»Und jetzt schau mich nicht so mürrisch an! Du wusstest die ganze Zeit, dass wir einen entspannten Einkaufsbummel machen wollten, und hattest genügend Zeit. Ich kann auch nichts dafür, dass du dich SO gehen lassen musst. Was sollen denn die Leute denken, wenn sie uns SO miteinander sehen?«

Ich schaue sie an und habe urplötzlich ein unglaublich großes Schlafbedürfnis. Ich könnte sofort wegpennen. Aber das würde den Nachmittag völlig verhageln und die mögliche Belohnungszweisamkeit, die ich als Preis für meine Aufopferungsbereitschaft mindestens verdient habe, ins Reich der Phantasie befördern. Ich bin gedanklich schon dabei, mich zu erheben und gleichzeitig möglichst kein genervtes Gesicht zu machen, als die Sirenen in Fahrt kommen.

»Wie lange brauchst du denn nun? Wenn du so lange zum Umziehen brauchst, wie für das Erheben aus dem Sessel, haben die Geschäfte geschlossen und dann brauchen wir gar nicht erst los. Und du weißt genau, wie ich mich auf das Shoppen gefreut habe! Außerdem gibt es bei Taylor diese todschicke Winterjacke, die ich unbedingt anprobieren möchte. Und Jana hat mir gesagt, dass … «

Am Anfang ihres Monologs habe ich versucht, die Worte zu zählen, doch ich gebe auf. In meiner Erinnerung suche ich nach einer Erklärung Möbius’ und finde sie gleich: »Die Zunge ist das Schwert der Weiber, denn ihre körperliche Schwäche hindert sie, mit der Faust zu fechten, ihre geistige Schwäche lässt sie auf Beweise verzichten, also bleibt nur die Fülle der Wörter.«

Ich schlendere ins Schlafzimmer und nehme ein Hemd aus meinem Schrank, dazu ein Jackett. Möbius nannte studierte und emanzipierte Weibsleute noch spöttisch »Gehirndamen«. Nun haben die »Gehirndamen« uns Kerle fest im Griff. Beim Umziehen denke ich darüber nach, was für eine Witzfigur ich bin. Statt Karla zu sagen, dass sie gelinde gesagt einen Schatten hat, kusche ich vor ihr, wie ein gut apportierender Hund. Ein Schoßhund. So einer mit einem Wollpullover für den Winter und mit einer Schleife im Haar. Einer, der bellt wie ein Babyspielzeug, auf das man drückt. Ich bin fertig umgezogen und schaue in den Spiegel. Dabei versuche ich, den Mann in mir zu sehen. Den, der rausgehen würde, Karla ein paar Takte sagt und sie einfach in die Höhle zieht. Oder an den Herd. Stattdessen sehe ich dieses resignierende Etwas. Was haben wir eigentlich mit dieser gesamten Mann- und Fraugeschichte, mit Gendermainstreaming und der übertriebenen Gleichstellungsmache erreicht? Es kommt mir im Moment so vor, als würde mit aller Macht versucht, die Ungleichheit der Geschlechter zu kaschieren. Konsequent zu Ende gedacht, müsste es bereits in Schule und Kindergarten neben der Mädchen- und Jungentoilette eine Tür mit der Aufschrift »Ich weiß es nicht!« geben. Ich glaube, die ganze Sache liegt an uns Männern. Wir müssen uns endlich rückbesinnen. Nicht auf Möbius, um Gottes willen. Ganz einfach nur auf uns. Im Gegensatz zu einem Mann weiß eine Frau, was sie will. Sie plant, sie agiert. Wir reagieren.

Ich gehe jetzt einfach raus und sage ihr meine Meinung. Sage ihr, dass sie keine neuen Klamotten braucht, dass ich ihr die, die sie jetzt anhat, vom Leib reißen und sie dann vernaschen werde. Danach werde ich sie zum Italiener ausführen. Mein Spiegelbild sieht gleich deutlich besser aus. Ich fühle mich wie ein Mann! Derart gestärkt schwinge ich die Tür zum Flur auf, bereit, mich auf meine Beute zu stürzen. Karla sitzt auf dem Sessel und aus ihren Augen treffen mich Laserblitze.

»Wie lange hat das denn gedauert? Jetzt brauchen wir auch nicht mehr los!«

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