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Samstag ist Fußballtag

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Neulich im Fanshop. Ich stehe vor einem Spiegel und habe ein Trikot vor meine Brust geheftet.

»Nicht deine Farbe«, sagt meine Freundin Karla zu mir.

»Was hast du gegen schwarz-gelb?«, frage ich.

»Gar nichts. Es steht dir nicht. Das ist alles. Aber warum muss hier auch alles schwarz-gelb sein? Einige Sachen sähen wirklich gut aus, wenn sie eine andere Farbe hätten.«

Ich schaue Karla fragend an.

»Du, das geht nicht anders. Es sind die Vereinsfarben. Schon seit hundert Jahren. Die können sie nicht einfach ändern!«

»Warum nicht? Andere Dinge ändern sich auch.«

Ich kapituliere innerlich, zeige es natürlich nicht.

»Mag sein. Aber im Fußball gibt es Regeln, Tradition und Werte. Nichts davon wird geändert.«

Für einen Moment habe ich das Gefühl, wir hätten uns gestritten, obwohl es eigentlich kein Streit war. Ich nutze die Gesprächspause, um mich zu den Schlüsselanhängern und Mousepads zu verdrücken. Beim Anschauen dieser Sachen, der Füllhalter, Ordner und Bettwäsche in schwarz-gelb frage ich mich schon, ob Karla nicht Recht haben könnte. Dabei stelle ich mir vor, wie alles gekommen wäre, wenn die Emanzipation schon vor hundert Jahren so weit gewesen wäre wie heute.

Auf einem holprigen Acker treffen sich schneidige Damen. Sie zeigen einander ihre neuen Schuhe, sündhaft teure Fetzen Stoff und unentbehrliche Taschen in Taschentuchgröße. Nach einem gemütlichen Plausch von mehreren Stunden drängt es sie zur Bewegung. Eine aufgeblasene Schweinsblase dient ihnen als Luftballon, der adrett durch die Luft geworfen wird. Irgendwann fällt er herab und übermütig treten die Frauen davor. Was auf einem Acker beginnt, wird die Geburtsstunde des modernen Fußballs. In der Folge gewinnt der Sport an Popularität und die Frauen formieren sich zu Mannschaften. Eine Liga wird gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern gehören Terracotta Bielefeld, Moccacino Gelsenkirchen und Östrogen Dortmund. Doch zur Überraschung aller gewinnt die erste Meisterschaft die Mannschaft von Mauve-Pastell Berlin. Von nun an geht es steil bergauf. Der Sport begeistert die Massen, Stadien werden als moderne Tempel errichtet und eine ganze Industrie folgt dem Damenfußball. Männer dagegen versinken im Haushalt, in der Elternzeit oder sie studieren Sozialpsychologie. Hundert Jahre nach dem ersten Tritt vor die Blase steht ein junger Mann mit seiner Freundin im Fanshop von Östrogen Dortmund. Die Vereinsfarben sind seit jeher pink-violett, ohne auch nur ein einziges Mal in Frage gestellt worden zu sein. Die Freundin steht vor einem Spiegel und hält sich ein Girlie vor die Brust.

»Schatz, sag mal, steht mir das?«

Der Freund nestelt gerade gedankenverloren an einer pink-violetten Tamponaufbewahrungsbox herum und wägt ab, ob er seiner Freundin Karla lieber diese oder aber die etwas teurere Flakon-Socke in den Vereinsfarben zum Geburtstag schenken soll.

»Was sagst du, Schatz?«

»Ob mir das hier steht!?«

»Hm. Ich weiß nicht. Wenn es nicht pink-violett wäre, schon.«

Seine Freundin schaut ihn an wie die gegnerische Torfrau, wenn sie in der gemischten Regionalliga einen Elfmeter von ihm halten will. Zwischen ihren Zähnen presst sie hervor:

»Es gibt hier aber nur pink-violett! Östrogen Dortmund trägt nun einmal nichts anderes! Und das schon seit hundert Jahren!«

»Dann lass uns doch zum Shop von Minisiston Leverkusen fahren. Das Blau von denen steht dir wirklich gut!«, entfährt es ihrem Freund.

Karla sieht aus, als würde sie jeden Moment ihre Daseinsform wechseln. Ihr Kopf wird so rot, dass ihr Freund versucht ist zu bemerken, dass ihr gerade jetzt das pink-violett deutlich besser steht.

»Bist du wahnsinnig?? Eine Klamotte von Minisiston Leverkusen? Erstens würde ich das nie anziehen. Zweitens sind deren Shirts nicht blau, sondern azur! Und drittens, mein Lieber, trägt man nie etwas von Werksmannschaften.«

Reichlich bedeppert schleicht er sich von dannen und lässt Karla im Fanshop gewähren. Um sich die Zeit ein wenig zu vertreiben, geht er zum Imbiss und bestellt sich ein Glas Prosecco und einen Tomate-Mozzarella-Salat. Es sind noch ein paar Stunden Zeit bis zum Spitzenspiel Östrogen Dortmund gegen die Spitzenreiterinnen von Stiletto München. Die Ränge füllen sich langsam. Frauen setzen sich und präsentieren einander Hüte, Kleider und Dinge, die scheinbar nur aus einem Absatz bestehen. Unmöglich, dass man darauf laufen kann. Prosecco fließt in Strömen und vor den Damentoiletten bilden sich bereits jetzt die ersten Schlangen. Nur ganz vereinzelt sind Männer zu sehen, die sich unsicher an ihre Proseccogläser klammern. Verständnisvoll zwinkern sie sich zu. Es heißt so etwas wie:

Du auch, mein Bruder? Jeden Samstag im Stadion? Montags DSF und Mittwochs Premiere? Und bei jeder Party diese Fachsimpeleien, ob die Brasilianerin Madonna nicht doch zu Chanel Madrid wechseln sollte, statt bei Rucola Mailand zu versauern? Oder ob es Stiletto München wirklich verdient hat, wieder Meisterin zu werden? Und nicht zuletzt, ob die neuen Hotpants von Östrogen Dortmund nicht der letzte Schrei sind.

»Und?« Karla holt mich unsanft aus meinem Traum zurück ins Hier und Jetzt.

»Was ist nun mit deinem Shirt?«

»Du hast doch gesagt, dass es mir nicht steht.«

»Ja schon. Aber wenn du es doch so sehr magst, dann kannst du es auch haben.«

Ich lächle sie an. Sie ist einfach eine verständnisvolle, liebenswerte Göttin. Meine Karla eben.

»Aber nur«, fährt sie fort, »wenn ich dafür wieder meine Serie schauen kann.«

Ich schaue sie an. Sie ist eine Schlange. Eine hinterlistige Schlange. »Die am Mittwoch?«

»Welche sonst?«

»Dann lasse ich das Shirt hier.«

Wir verlassen den Laden und ich habe das Gefühl, einen wichtigen Sieg errungen zu haben. Schon vor dem Spiel. Ich gehe zum Imbiss, kaufe ein Bier, eine Cola für Karla und Pommes Schranke. Wir sehen, wie sich das Stadion füllt. Mit fettigen Händen schiebe ich mir die Pommes in den Mund. Karla schaut zu mir, dann zu den anderen Kerlen und schüttelt den Kopf.

»Schade, dass wir Frauen den Fußball nicht erfunden haben.«

Ich rülpse leise und sage: »Glaube mir. Das wäre ein schlechter Tausch!«

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