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WEEDING

Das Haus, das wir gemietet haben, hat uns Sally vom Anästhesie-Department vermittelt. Eine englische Assistenzärztin muss für ihre Weiterbildung ein Jahr in ein anderes Krankenhaus, und sie hat für die Zeit einen Nachmieter gesucht. Da in Neuseeland alle Assistenzärzte zum gleichen Zeitpunkt rotieren, lag es nahe, zu fragen, ob sie das Haus an jemanden vermietet, der ihre Stelle übernimmt.

Zufällig hatte sich meine Frau genau diese Nachbarschaft im Internet als coolen Surfer-Vorort ausgesucht.

Und siehe da, es gibt jemanden, ja, gerne nehmen wir das Angebot an. Wer innerhalb Deutschlands schon mal umgezogen ist, weiß, wie schwierig es sein kann, eine passende Wohnung in einer anderen Stadt zu finden, ohne vorher dagewesen zu sein. Noch schwieriger ist es, wenn man in ein anderes Land umzieht.

Hier hatten wir unglaubliches Glück, und das Haus war sogar isoliert. Zwar nur mit ›Single-Glazing‹ in den Fenstern und ohne Heizung. Dafür ein Gasofen im Wohnzimmer. Aber so richtig kalt wird es in Wellington nicht, sagt man uns. Das Haus liegt am Bergkamm zwischen Island Bay und Owhiro Bay, und man ist mit dem Bus in 20 Minuten in der Innenstadt, mit dem Auto in 15 Minuten im Krankenhaus. Wir können bei gutem Wetter von unserem Deck aus die Südinsel sehen und ansonsten ein kleines Stück vom Meer. Es erscheint perfekt.

Wie zuvor schon angedeutet: Dass das so gut passte mit Allisons Auszug und meinem Arbeitsbeginn, hat noch andere Besonderheiten, die ganz schön wichtig sein können, wenn man in Neuseeland oder auch in Australien in ein Krankenhaus kommt. Alle drei Monate bzw. sechs Monate rotieren die Assistenzärzte auf ihren neuen Ausbildungsplatz. In der Anästhesie macht das nicht so viel aus. Ich wechsle beispielsweise vom urologischen OP in den gynäkologischen OP, gleiches Stockwerk. Nicht nur im Gebäude, auch bei den Patienten.

Bei den auf den Stationen arbeitenden Assistenzärzten bedeutet das, sie kennen erst mal keine Schwester, keinen Patienten und wissen nicht, wo das ganze Zeug ist. Wenn ich es mir aussuchen könnte – allerdings kann man das als Patient meistens nicht – würde ich mindestens eine Woche warten bis nach dem Wechsel, bevor ich mich in die Hände der leicht desorientierten Ärzte begebe.

Doch zurück zu Allison und unserer neuen Bleibe. Sie zeigt uns das Haus. Drei Schlafzimmer, zwei kleine und ein größeres. Ein Wohnzimmer. Eine Toilette, im Bad gibt es keine Heizung. Das Bad ist einem dunkleren Hellblau gestrichen. Wenn ich mehr Farbgefühl hätte und wüsste wie Farben wie Cyan aussehen, würde ich schreiben ›Eiswasserblau‹. Über der Badewanne hängt ein Bild, ein Meter mal ein Meter zwanzig, von Scotts Expedition in die Antarktis. Es zeigt Captain Robert Falcon Scott, wie er am 5. Januar 1911 in einer Eishöhle in einem Eisberg steht. Es heißt The Arctic Grotto. Im Bad gibt es keine Heizung. Das gibt mir zu denken.

Vor dem Wohnzimmerfenster gibt es einen Balkon, der mit Holzbohlen ausgelegt ist. Ein kleines Deck, wie ich lerne. Ein Deck ist das zweitwichtigste Statussymbol, das man in Neuseeland haben kann, gleich nach dem Grill, der dann auf dem Deck steht. Vom Deck aus kann man die Hügel und ein kleines Stück vom Meer sehen. Ein Haus mit Meerblick. Klasse. Gegenüber erstreckt sich das Tal. Happy Valley, das die Stadt mit der Ohwiro Bay verbindet. Auf der anderen Seite erheben sich grün-gelbe Hügel und in der Entfernung kann man etwas sehen, das einer Burg ähnelt. Das ist die italienische Botschaft. Sie wird von sechs Dobermännern bewacht, wie wir später feststellen, als wir eine Wanderung machen. Sie liegt gleich in der Nähe der Radarstation, die die Cookstrait überwacht und oberhalb von Red Rocks liegt, einem Naturschutzgebiet, zu dem man wandern kann, um Robben zu sehen. Und rote Steine.

All das erfahren wir innerhalb der wenigen Minuten, die Allison uns durchs Haus führt – mit ihrem Neugeborenen auf dem Arm. Das Kind hat nur einen kurzen Feinrippbody und die Windel an. Draußen weht es, und drinnen ist es nicht viel wärmer. Wahrscheinlich werden Engländer so an das Wetter gewöhnt, denke ich mir.

Ihr Mann ist auch Arzt, allerdings Veterinär und verdient damit mehr als Menschenärzte, da Tierärzte in Neuseeland gesucht sind und wegen der großen Farmen viel Arbeit haben. Sie erzählt, dass die Ultraschallgeräte für Tierärzte wie Rucksäcke auf dem Rücken getragen werden, mit einem Bildschirm, der dann vor das Gesicht geklappt werden kann, so »schallt« ihr Ehemann dann an einem Vormittag über hundert Kühe, um zu sehen, ob sie schwanger sind. Er hätte sie, als sie schwanger war, auch »geschallt«. Nein, nicht auf dem Küchentisch, im Wohnzimmer. Während sie weiterspricht, bekomme ich das Bild nicht mehr aus dem Kopf. Nicht das Ultraschallbild. Im Wohnzimmer gibt es einen Gasofen, neben einem elektrischen Radiator, den man in die verschiedenen Zimmer rollen kann, die einzige Wärmequelle im Haus. Der Gasofen hatte drei Gaslecks, wie wir im Laufe des kommenden Jahres feststellten, die unter dem Haus glücklicherweise weggeblasen wurden. Hätte aber auch unser Haus zum Explodieren bringen können. Immer noch eine beunruhigende Vorstellung.

»Wir sind keine großen Gärtner«, sagt sie, »wie man sehen kann.«

Das stimmt, der Garten sieht nach nichts aus, aber das stört uns nicht. Wir sind auch keine großen Gärtner.

»Wenn ihr nur regelmäßig den Rasen mähen könntet? Das reicht schon.«

»Klar, machen wir«, sagt meine Frau, meint dabei mich, und ich fühle mich an meine Kindheit erinnert, bei der ich als Einziger der Familie mit Heuschnupfen jahrelang den Rasen mähen musste.

»Klar, machen wir«, sage ich.

Als ihr Mann, nach einem Jahr mal zu Besuch kommt, bin ich leider – oder zum Glück – nicht da. Er ist stocksauer und schimpft, sodass mich Allison, als sie mich bei der Arbeit besucht, darauf anspricht. Ob wir noch nie etwas von »Weeding« gehört hätten?

»Was ist ›Weeding‹?«, frage ich.

›Weeding‹, erklärt sie mir, ist Unkrautjäten mit einem speziellen Rechen, mit dem man durchs Gras geht und alles, was kein Gras ist, mit Wurzeln ausreißt. Für Engländer, wenn man von Rasenmähen spricht, eine selbstverständliche und verbindlich eingeschlossene Tätigkeit. Ein interkulturelles Fettfass, in das ich gesprungen bin. Viele weitere sollten folgen.

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