Читать книгу Doc Why Not - Mark Weinert - Страница 17
ОглавлениеMOVEMBER
Wir kamen am 28.11. in Neuseeland an. Mit großen Augen saugten wir alles auf, was für die kommenden Monate unsere Heimat sein sollte. Was mir als Erstes auffiel, war die offensichtlich in den Siebzigerjahren hängengebliebene Art der Gesichtsbehaarung der Männer. Mindestens die Hälfte hatte einen Schnurrbart. Das war BEVOR der Hipster eine weltweit bekannte Figur wurde. Kommt alles wieder, oder bleibt es einfach?
Von den Bartträgern besaßen davon wiederum die meisten einen sogenannten ›Handle-Bar‹, einen Trucker-Schnurrbart, einen echten Lemmy, benannt nach Lemmy Kilmister (R.I.P.) von Motörhead. Es dauerte ein ganzes Jahr, bis ich herausfand, dass der November in Neuseeland im Zeichen des Schnurrbarts steht und den Untertitel Movember trägt: ›Mo‹ für Moustache –Schnurrbart. Zum edelsten Zweck überhaupt: um Geld für die Krebsforschung zu sammeln. Das Ganze kommt ursprünglich aus Australien, ist inzwischen ein globaler Trend und funktioniert so: Am 1.11. jeden Jahres lädt man ein Foto von seinem glattrasierten Gesicht auf die dazugehörigen Website movember.com hoch. Dann lässt man sich den ganzen Monat lang einen Schnurrbart wachsen. So weit, so einfach.
Die Regeln dafür sind, dass es kein Vollbart wird, dass der Bart unter der Unterlippe nicht den Bart darüber berühren darf. Es muss ein Schnurrbart sein. Sodann kann man seinen Fortschritt im Laufe des Monats mit neuen Bildern zeigen. Wo aber kommt dabei das Geld her? Durch Spenden; und zwar spendet man für die »schönsten« Mos auf der Website.
Als es nach einem Jahr wieder so weit war und ich langsam mitbekam, was sich in den Gesichtern meiner Arbeitskollegen abspielte, kam es zu folgendem Gespräch:
»Wieso eigentlich Schnurrbärte?«
»Weil es um Prostatakrebs geht.«
»Aha.«
»Und die Schnurbärte sollen für Aufmerksamkeit dafür sorgen.«
»Okay. Aber warum Schnurrbärte?« Ich bin zwar hartnäckig, aber nicht besonders schlau.
»Weil nur Männer eine Prostata haben und nur Männer sich schöne Schnurrbärte wachsen lassen können.«
»Aha. Nur Männer können sich Schnurrbärte wachsen lassen?«
Ich habe in meinem Leben schon vieles gesehen, und eine Frau mit Bart war nicht das Ungewöhnlichste davon.
»Nein, das nicht, aber nur Männer können sich schöne Mos wachsen lassen.«
»Das leuchtet mir ein ...«
»Und außerdem ist es eine wunderbare Gelegenheit, die Frau zu ärgern, ohne dass sie etwas dagegen sagen kann, weil es sich ja um einen guten Zweck handelt ...«
Kiwis haben einen herrlichen Humor. Ein Jahr später fuhr ich mit einem Patienten in den Aufwachraum, als ich an der geöffneten Tür eines OP-Saals vorbeikam. Drinnen stand Garry, ein Engländer, mit dem ich mich angefreundet hatte, da wir einen ähnlichen Humor hatten. Ich hatte ihn durch Nachtdienste und unterschiedliche Schichten schon länger nicht mehr gesehen. Jetzt bot sich mir ein völlig veränderter Garry dar. In seinem Gesicht, so in der Mitte, klebte ein imposanter Schnurrbart, der ihn so aussehen ließ, als sei er ›Sir‹ Garry und Kapitän in der Royal Air Force. Es fehlte nur ein Barett und eine Uniform, und er hätte sofort das Kommando wo auch immer übernehmen können. Erstaunlich, wie viel so ein paar Haare ausmachen können.
Ich sah ihn an und sagte: »Du hast da was im Gesicht!«
Er sah mich an und erwiderte: »Du auch, ein stattliches Stück!«
Das war von ihm höflich gelogen. Mein Mo war ein echter ›Porno-Balken‹, wie aus einem billigem ›Film‹ der Siebzigerjahre, wie Nic, der Nurse- Manager, seit einer Woche jeden Tag laut bemerkte, wenn ich den Aufwachraum betrat. Oft fügte er hinzu: »Und ich liebe deutsche Pornos, ihr Deutschen seit soooo was von seltsam, aber geil!«
Nein, es gibt kein Bild von meinem Schnurrbart.