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Abends in Célethion

„Betrachte eine Frau im Licht des frühen Morgens und die übrige Welt nach Anbruch der Nacht – nur so erkennst du ihr wahres Wesen.“

- Heladot, berühmter Satiriker

Langsam rumpelte die schwere Reisekutsche durch die Nacht. Die zwei starken Zugpferde hätten sicherlich ein schnelleres Tempo gehen können, doch dem Kutscher war mehr an einer gleichmäßigen, die Kräfte der Tiere schonenden Gangart gelegen. Seine Reisegäste hatten dafür bezahlt, am nächsten Morgen in Ancorah zu sein, doch niemand würde einen Bonus zahlen, wenn man die Hauptstadt des Reichs früher erreichte – und ganz gewiss würde niemand für die gebrochenen Beine eines seiner Pferde aufkommen, wenn er die Tiere in der Dunkelheit zu schnell daher traben ließ. Die Gefahr bestand durchaus, denn seine schwache Laterne beleuchtete den Weg nur wenige Meter über die Köpfe der Pferde hinaus.

Der Kutscher hätte gern ein wenig mehr Licht gehabt, auch wenn er den etwa 40 Meilen messenden Weg zwischen dem Flusshafen Beril, an dem die meisten Seereisenden auf andere Beförderungsmittel an Land wechselten, und der Kaiserstadt im Schlaf kannte und vermutlich gar kein Licht gebraucht hätte. Doch auch nach vielen Jahren auf der Straße mit einem gerüttelten Maß an Lebenserfahrung war er noch nicht gegen die Ängste immun, welche die Nacht wie treue Begleiter mit sich brachte.

Er hatte Angriffe von Wolfsrudeln in harten Wintern erlebt, in denen die Tiere keine leichtere Beute finden konnten; marodierende Ork- und Goblinhorden hatten das Land unsicher gemacht und einmal hatte er sogar den Betrieb einstellen müssen, weil ein Drache sich im Hafen von Beril ausgetobt hatte. Natürlich waren auch Banditen stets ein Problem, und gerade schien es wieder einmal so weit zu sein, dass eine Bande versuchte, sich auf den Straßen, die nach Ancorah führten, einen Namen zu machen.

Es war weder die erste noch würde es die letzte sein, doch dieses Mal fielen die Wegelagerer durch ein besonderes Maß an Grausamkeit auf. Die Reisenden, die sie überfallen hatten, waren ausnahmslos regelrecht abgeschlachtet und zerstückelt worden, weswegen man munkelte, dass es sich nicht um Menschen handeln konnte. Lediglich einmal waren sie aus der Ferne beobachtet worden, sonst wären die Überfälle vermutlich bis heute noch ein blutiges Rätsel.

Solche Räuber waren auch für den Kutscher ein Problem. Normalerweise interessierten sich Banditen nicht für ihn, da seine Kutsche zu den günstigsten Verkehrsmitteln gehörte und daher nur sehr selten Reisende beförderte, die eines Überfalls wert waren. Die Postreiter und – kutschen sowie die luxuriöseren Wagengespanne waren viel lohnendere Ziele. Doch nach allem, was er gehört hatte, war die derzeitige Geißel der Straße bei ihren Opfern nicht sehr wählerisch.

Ein lautes Schnarchen aus dem Inneren der Kutsche riss den Mann aus seinen Überlegungen. Er musste grinsen. Vermutlich war außer dem riesigen blonden Mann aus dem hohen Norden, der da in seiner Kutsche wohl noch den Rausch der letzten beiden Tage ausschlief, niemand in der Lage, ein Auge zuzudrücken. Aber wer würde einen Norhirrim schon bitten, mit dem Schnarchen aufzuhören? Er beförderte oft Saisonarbeiter vom Hafen zurück in die Stadt oder andere, hartgesottenere Klientel, aber nicht heute, so dass sich niemand mit dem Hünen anlegen würde.

Einer seiner Fahrgäste war ein Kaufmann in Begleitung seiner Tochter. Der Kaufmann schien den Norhirrim zu kennen, denn er hatte seine Passage bezahlt und ihn auch mit Namen angeredet, Ragnulf Svenson oder so ähnlich. Seine Tochter, gerade an der Schwelle zur Volljährigkeit stehend, hatte den Hünen, der Tag wie Nacht seine muskelbepackte, nackte Brust und diverse Tötungswerkzeuge zur Schau stellte, teils bewundernd, teils verängstigt angesehen, aber offenbar auf den gesunden Menschenverstand des Vaters vertraut. Die anderen Gäste, zwei junge Zimmermannslehrlinge und eine ältere Jungfer, zweifelten dafür umso mehr daran.

In diesem Moment erreichte die Kutsche einen Hügelkamm, und im hellen Mondlicht konnte der Kutscher auf die dahinter folgende Senke blicken. Was er sah, ließ ihn die Stirn runzeln.

Auf einer Strecke von vielleicht 300 – 400 Metern und vielleicht eine Meile entfernt, lag ein Nebelteppich über der Straße und den angrenzenden Büschen. Die Nacht war trocken gewesen und auch sonst war das Wetter alles andere als typisch für Nebel.

Während sein Gefährt langsam näher kam, fühlte der Mann auch eine gewisse Beklemmung von dem Nebel ausgehen. Er war faserig, wie das Gespinst einer riesigen Spinne, aber er gab dem suchenden Blick nichts preis. Bildete er sich das nur ein, oder war es auch merklich kühler geworden? Suchend blickte der Kutscher angestrengt voraus, doch der Nebel widerstand seinen Bemühungen. Er wusste, dass die Straße hier schnurgerade verlief, deshalb bestand für seine Pferde nicht die Gefahr eines Fehltritts, auch wenn sie einige Meter einmal nichts würden sehen können. Dennoch konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, dass von den Nebelschwaden eine größere Bedrohung ausging als verminderte Sicht.

Der Kutscher hatte schon vor langer Zeit gelernt, auf seinen Bauch zu hören und zügelte seine Pferde. Knarrend kam die Kutsche zum Stehen. Der Kutscher konnte mit seinem großen Gefährt auf der Straße nicht ohne weiteres wenden und für eine Fahrt querfeldein war die Kutsche ebenfalls nicht ausgelegt, selbst wenn das Gebüsch am Wegesrand hier nicht so dicht gewesen wäre.

Er hörte ein Rumoren hinter sich. Offenbar hatten einige seiner Gäste den Halt inzwischen bemerkt und tatsächlich steckte der Kaufmann gerade in diesem Moment den Kopf aus dem Fenster. „Was ist, Kutscher? Warum halten wir an?“ fragte der Mann mit einem gewaltigen Gähnen. „Wenn ich meine Tochter nicht bei Tagesanbruch bei ihrer Großmutter abgeliefert habe, muss ich mir den Rest des Tages anhören, was ich für ein unzuverlässiger Vater bin. Bei der Großmutter mütterlicherseits“, ergänzte er mit einem schiefen Grinsen. Der Kutscher gab das Grinsen schwach zurück. „Dort vorn liegt Nebel auf der Straße, Herr. Er ist irgendwie… ich weiß auch nicht, er beunruhigt mich.“

„Nebel?“ kam eine andere Stimme aus der Kutsche und kurz darauf drängte die alte Frau den Kaufmann von dem Fenster fort. „Nebel ist nichts als bewegte Feuchtigkeit in der Luft, junger Mann. Das ungeheuerliche Gesäge dieses fleischgewordenen, schwitzenden Seegespenstes neben mir ist sehr viel greifbarer. Und jede Minute, die wir hier aus Angst vor ein wenig schwebendem Wasser vergeuden, nagt an meinem Geduldsfaden, von dem meine Schüler mir ohnehin nicht viel übrig lassen. Also, fahrt zu!“ keifte sie.

Der Kutscher stöhnte innerlich. Nicht nur eine alte Jungfer, sondern wahrscheinlich noch die Gouvernante reicher, verzogener Kinder – und damit wohl im Besitz aller Weisheiten und Antworten, so wie fast alle Angehörigen der lehrenden Berufe. Resigniert gab er den Pferden das Kommando zum Lostraben.

Nach kurzer Zeit hatten sie den Nebel erreicht und das Gefühl, besser nicht weitergefahren zu sein, verstärkte sich noch. Die Haare auf den Armen des Kutschers stellten sich auf, als die ersten kühlen, feuchten Nebelfetzen seine Haut berührten. Der Unterschied zur warmen Luft, durch die er bisher gefahren war, war erschreckend.

Während der Kutscher sich noch zu erinnern versuchte, wann er so einen Nebel das letzte Mal erlebt hatte – er konnte sich beim besten Willen an nichts Vergleichbares erinnern – spürte er, wie sich der Gang seiner Pferde verlangsamte. Er schnalzte mit der Zunge und sie beschleunigten ihren Schritt, doch nur für einen kurzen Augenblick, dann wurden sie wieder langsamer.

Die beiden Hengste, die außer einem ausgehungerten Wolfsrudel so ziemlich nichts beeindrucken konnte und die sonst mit stoischer Gelassenheit geradeaus auf die Straße blickten, wandten nervös die Köpfe und schnaubten leise.

„Ihr fühlt euch auch nicht wohl, was?“ fragte der Kutscher seine treuen, langjährigen Begleiter. „Aber kommt jetzt, nur ein paar Schritte noch, dann sind wir aus dieser eisigen Suppe heraus.“

Als hätten sie ihren Herrn verstanden, beschleunigten die Tiere ihren Schritt wieder. In diesem Moment hörte der Kutscher ein Knacken von der Seite, gefolgt von einem Rascheln. Ein eisiger Klumpen der Angst bildete sich in seinen Eingeweiden und rasch wandte er sich in die Richtung des Geräuschs. Kaum sichtbar hinter den klebrig-kalten Nebelfetzen sah er das Gebüsch am Wegesrand schwanken, doch was auch immer die Bewegung verursachte, blieb im Verborgenen. Da hörte er das Knacken und Rascheln auch von der anderen Seite. Gehetzt blickte er sich um. Soweit er sehen konnte – und das war immer noch nicht sehr weit – war Bewegung in das Gehölz am Straßenrand gekommen.

Die Kehle des Kutschers war mit einem Mal vollkommen ausgetrocknet. Mit einem energischen „Hüh!“ und einer entsprechenden Bewegung der Zügel trieb er seine Pferde zum ersten Mal seit vielen Jahren in den schnellen Trab. Mit einem Mal waren ihm Vorsicht, gebrochene Beine und auch die Insassen seiner Kutsche völlig egal. Er wollte nur noch weg aus diesem Nebel, fort von den wankenden Sträuchern und zurück ins helle Mondlicht.

Das Protestgeschrei der alten Jungfer, die von dem plötzlichen Anzug der Geschwindigkeit wohl überrascht worden war, nahm der Mann kaum noch war. Hatte er da nicht etwas im Gebüsch gesehen? Waren das Augenpaare gewesen? Aber seit wann leuchteten Augenpaare denn? Sowas gab es doch nur in… Spukgeschichten. Der Kutscher griff nach dem schweren Knüppel an seiner Seite. Und versuchte, mit angstgeweiteten Augen in alle Richtungen gleichzeitig zu starren, während seine Pferde, inzwischen praktisch führungslos, auf den Teil des Nebels zusteuerten, der von der Hügelkuppe aus betrachtet der dichteste gewesen war.


Die Schritte des langsam vor sich hin schlendernden Pferdes hallten laut durch die menschenleere Gasse. Das Tier, obwohl groß und kräftig, wirkte im schummrigen Dunkel der schlecht beleuchteten Umgebung müde und staubig. Es hielt den Kopf gesenkt und setzte teilnahmslos ein Bein vor das andere. Auch seine Reiterin schien in keinem besseren Zustand zu sein. Trotz der warmen Abendluft in einen langen, grauen Reitermantel gewickelt, mit leicht hängenden Schultern und von der langen Reise gezeichnet, hockte die hochgewachsene Frau in ihrem Sattel und es war nicht so recht zu erkennen, wer wem die Wahl des Weges überließ.

Dieses seltsame Gespann hatte sich in eine denkbar schlechte Gegend der kleinen Stadt verirrt. Rebán, kaum 10 Meilen von der Hauptstadt Ancorah entfernt und damit fast ein Vorort der Metropole, teilte das Schicksal vieler kleiner Ortschaften im Einzugsbereich von Ancorah. Zu groß, um noch als Dorf durchzugehen, aber zu klein und zu dicht an der Hauptstadt, um wirklich eigene Bedeutung zu entwickeln, schwebte Rebán irgendwo dazwischen.

Direkt an der Südlichen Reichsstraße gelegen, die vom zentralen Ancorah in die südlichen Herzogtümer führte, hatten die Gründer von Rebán auf gute Geschäfte mit den Durchreisenden gehofft, dabei aber den raschen Wuchs der Hauptstadt in den letzten 200 Jahren unterschätzt. Rebán lag einfach zu dicht an Ancorah – wer bis hierher gereist war, nahm oft auch noch die letzten wenigen Meilen in Kauf und hielt nicht mehr in der kleinen Stadt an.

So kam es, dass die meisten kleinen Händler, Gastwirte und Handwerker nach und nach die Stadt verlassen hatten oder nur noch hier schliefen, ihr Tagesgeschäft aber in der Kaiserstadt verrichteten. Dieser schleichende Verfall hatte Rebán in den letzten Jahrzehnten gezeichnet, denn abseits der Reichsstraße, für deren Unterhalt die Krone selbst aufkam, war schon lange kein Geld mehr in den Erhalt der Straßen und Gebäude gesteckt worden, und je weiter man sich von der Reichsstraße entfernte, desto augenfälliger wurde diese Vernachlässigung.

Ross und Reiterin waren inzwischen recht weit von der Reichsstraße entfernt und befanden sich damit bereits in einem ziemlich heruntergekommenen Teil der Stadt. Hier sah man nur selten Fremde, weshalb ihre Ankunft und ihr Zustand trotz der scheinbar leeren Straßen nicht unbemerkt geblieben waren.

Zwei Jungen, in zerrissene und schmutzige Kleidung gehüllt, beobachteten die nächtlichen Reisenden von einem niedrigen Dach aus. Selbst von Ferne sahen sie silberne Beschläge auf den Zügeln des Pferdes und silberne Sporen an den Reitstiefeln der Reiterin. Auch der Mantel der Reiterin war von augenscheinlich guter Qualität. Nachdem sie flüsternd ein paar Worte gewechselt hatten, eilte einer der Jungen davon, während der andere vorsichtig vom Dach herunter auf die Straße glitt, um der fremden, leichtsinnigen Frau in gebührendem Abstand zu folgen.

Selbst wenn sie nicht viel mehr als das an Wertsachen bei sich trug, was man offen sehen konnte, würde für ihn und seinen Bruder für ihre Späherdienste genug abfallen, um ein paar Tage lang satt werden zu können. Jedenfalls hoffte der Junge das, denn man konnte nie wissen, wie Okral seine Späher entlohnte. Aber bei dem Anführer der einzigen Diebes- und Räuberbande von Rebán beschwerte man sich besser nicht über mangelnde Bezahlung.

Die beiden Jungen hatten scharfe Augen, ein gutes Gespür für Wertsachen und verfügten über die aus der Not entstandene Härte, die Menschen nicht als Opfer, sondern lediglich als Einnahmequelle zu sehen. Gerade einmal 12 und 14 Jahre alt, hatten die beiden schon einige schlimme Dinge erlebt, nicht zuletzt vor wenigen Monaten den Tod des Vaters, der ehrbar, aber arm gewesen war und deshalb den Medicus nicht bezahlen konnte, als ihn im vergangenen Winter eine Lungenentzündung heimgesucht hatte.

Da die Mutter bei der Geburt des jüngeren Bruders im Kindbett gestorben war und sie auch sonst keine Verwandten in der Stadt hatten, die sie hätten aufnehmen können, waren sie unweigerlich auf der Straße gelandet und so Okral und seiner Bande in die Hände gefallen. Trotz seiner lebenslangen Armut hatte der Vater seine Söhne den Wert von Anstand, Moral und Glaube an die Götter gelehrt, und die Abkehr von diesen Werten war ihnen nicht leicht gefallen. Doch letztlich waren Hunger, Durst und ein fehlendes Dach über dem Kopf gewichtiger gewesen als die anerzogenen Skrupel.

Sie hatten sich rasch als wertvoll für Okral erwiesen. Sebin, der jüngere, war wendig und wieselflink, der ideale Bote, sein älterer Bruder Tino ebenfalls sehr geschickt und mit einem scharfen Blick gesegnet. Als Späherpaar hatten sie Okral schon so manche lohnende Beute eingebracht und dieser ihnen dafür etwas von den Annehmlichkeiten ihres früheren Lebens zurückgegeben.

Alles war bisher immer glatt und ohne Gegenwehr vonstattengegangen, so dass sie inzwischen sehr selbstsicher auftraten. Doch gerade wegen der Leichtigkeit der vergangenen Beutezüge fehlte ihnen immer noch der Blick für mögliche Gefahren, denn ansonsten hätten sie vielleicht das unruhige Tänzeln des Pferdes bemerkt, das alle paar dutzend Schritt auftrat und von mühsam beherrschter Energie und Kraft kündete, oder den Umstand, dass die Reiterin trotz ihrer leicht gebeugten Haltung ansonsten kerzengerade im Sattel saß, so als würde sie ein steifer Rücken – oder eine harte Rüstung – daran hindern, weiter zusammen zu sacken. Auch die Ausbeulungen des Mantels auf der linken Seite mochten sowohl von einem Ellenbogen als auch von dem Griffknauf einer schweren Waffe herrühren.

In der Tat war Selvanna von Ethaband alles andere als müde und teilnahmslos, und das Gleiche galt für ihren kampferprobten Hengst. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, das Kampfgeschirr ihres Pferdes sowie ihre eigene Bewaffnung zu verbergen, wenn sie unbekannte Ortschaften betrat, denn ihrer Erfahrung nach schreckten diese einen entschlossenen Feind nicht ab, sondern machten es nur schwerer, ihn zu überraschen. Wenn man Gegenden wie diese betrat, musste man damit rechnen, überfallen zu werden, und trotz ihrer beachtlichen Kampfkünste war sie nicht so dumm, einen entscheidenden Vorteil wie das Überraschungsmoment zugunsten eines stolzen Auftritts zu verschenken. Stolz und Hochmut waren der Amazone fremd.

Ihr Instinkt hatte ihr bald verraten, dass sie beobachtet wurde. Sie hatte sich vorsichtig umgeblickt, doch niemanden entdecken können. Doch vor wenigen Augenblicken hatte sie ihren Verfolger gehört. Er hatte sich zwischen zwei langsamen Schritten ihres Pferdes auf den Boden fallen lassen, vermutlich von einem Dach aus. Dies verriet ihr, dass der andere geschickt, aber noch unerfahren war – ansonsten hätte er seinen Sprung mit dem nächsten Hufschlag des Pferdes abgestimmt.

Die Vorsicht, mit der sie beobachtet worden war, ließ nur den Schluss zu, dass ihr Verfolger auf Verstärkung wartete. Das waren zwar grundsätzlich keine guten Aussichten, aber immer noch besser als ein Wurfmesser, Pfeil oder Armbrustbolzen in den Rücken.

Unauffällig prüfte sie, ob ihr schwerer Reitsäbel locker genug in seiner Scheide saß, um rasch gezogen werden zu können. Gleichzeitig öffnete sie die Schnalle ihres Mantels, so dass dieser beim Ziehen der Waffe von ihren Schultern gleiten würde. Wenn sie mehreren Feinden gegenüberstand, kam es auf die ersten Sekunden des Kampfes an. Gelänge es ihr, einen oder sogar zwei Feinde kampfunfähig zu machen, bevor diese ihre Wehrhaftigkeit erkannten, mochte das die übrigen bereits in die Flucht schlagen.

Im Stillen verfluchte sie den Umstand, dass ihr heutiges Reiseziel in dieser verkommenen Gegend lag, auch wenn sie sich gleichzeitig einer leichten Vorfreude nicht erwehren konnte. Für eine Amazone war es heilige Pflicht, sich vor den strengen Augen der Göttin Ethana im Kampf zu beweisen, wann immer eine Herausforderung ausgesprochen wurde. Nun, der vermutlich unvermeidlich bevorstehende Überfall war zwar keine formelle Herausforderung, aber Selvanna war bereit, in diesem Fall die Umstände großzügig auszulegen.

Sie hoffte nur, dass alles seinen Lauf nehmen würde, bevor sie an ihrem Ziel ankam. Die betagte Frau, die früher als Köchin auf Burg Ethaband gearbeitet und sich hier in der kleinen Stadt zur Ruhe gesetzt hatte, konnte Schwierigkeiten mit einheimischen Wegelagerern sicherlich nicht gebrauchen. Selvanna dachte gern an die stets heitere Frau zurück, die ihr immer von der großen Stadt und dem ganzen Kaiserreich erzählt hatte, als sie selbst noch eine blutjunge Schildmaid auf der Burg gewesen war. Sie wollte die Freundlichkeit, mit der sie jede ihrer Ordensschwestern in der Vergangenheit bei ähnlichen Anlässen aufgenommen und bewirtet hatte, nicht mit einem so schlechten Dienst vergelten.

Deshalb war die Amazone beinahe erleichtert, als noch knapp zwei Straßenecken von ihrem Ziel entfernt die Geräusche hinter ihr lauter wurden und ihr Bewegungen in den Augenwinkeln sagten, dass auch vor ihr jemand Posten bezog. Sie sandte ein kurzes Stoßgebet zu ihrer Göttin, bat um Kraft im Arm und einen sicheren Stand, dann legte sie so unauffällig wie möglich die Rechte auf den Griff ihres Säbels.


Entgegen Dalewinas schlimmsten Befürchtungen hatten sie es relativ problemlos bis zu einem freien Tisch geschafft. Man konnte allerdings nicht sagen, dass ihr Eintreten unbemerkt geblieben war. Zwei hochgewachsene Magier, eine verhüllte Gestalt und ein Elf – das war sicherlich nicht gerade die übliche Klientel dieser kleinen Taverne. Offenbar hatte Julian Thelamar gewusst, was er tat, als er ihr den Reitmantel gegeben hatte. Während Dalewina am ehesten an demjenigen der neuen Gäste interessiert gewesen wäre, den sie nicht erkennen konnte, richteten die ausnahmslos menschlichen übrigen Gäste ihre Blicke auf ihre Gefährten, wobei sie sich nicht so recht entscheiden konnten, ob die Magier oder der Elf mehr Aufmerksamkeit verdienten

Die kleine Gruppe hatte einen Tisch in einer vom Eingang aus gesehen hinteren Ecke gewählt, was die Neugierigen zu verstohlenen Blicken oder offenem, unhöflichen Starren zwang. Beides war ihnen binnen weniger Minuten zu mühsam oder zu unangenehm geworden, so dass sie bereits deutlich weniger beäugt wurden, als der Wirt an ihren Tisch trat, um ihre Bestellungen aufzunehmen.

Wie es sich herausstellte, bot die Küche der Taverne einfache, aber sehr schmackhafte Kost. Was die Getränke anging, so beließen es die Menschen bei einem einfachen, selbst gebrauten Bier und die beiden Elfen bei einem etwas zu süßen Fruchtsaft. Um keinen Verdacht zu erwecken, hatte Dalewina die Kapuze ihres Mantels zurückgeschlagen, sorgte aber dafür, dass ihre Ohren unter den Haaren und die auffällige Augenfarbe unter gesenkten Lidern verborgen blieben.

Nachdem Dalewinas ärgstes Unbehagen verflogen war und sich zwischen ihren Gefährten ein belangloses Gespräch entwickelte, besah sich die junge Hochelfe die fremdartige Umgebung genauer.

In ihrer Kultur wurden alle Versammlungen, die außerhalb eines privaten Rahmens stattfanden, stets unter freiem Himmel abgehalten. Das war vor langer Zeit anders gewesen, aber seit die Hochelfen, an Anzahl und Einfluss auf die Geschicke der Welt immer geringer werdend, ihre einstmals großen und prächtigen Städte aufgegeben und in die Wälder zurückgekehrt waren, aus denen sie stammten, gab es so etwas wie die öffentlichen Gebäude der Menschenwelt nicht mehr. Die einzige Ausnahme bildete der kleine Schrein oder Tempel zu Ehren der Naturprinzipien S’abraana und Revellia, der in schlimmen Zeiten auch dem Kriegsrat einer Sippe Platz bot, und der in jeder Hochelfensiedlung vorhanden war.

Doch auch wenn die große Blütezeit ihres Volkes seit Jahrhunderten vorüber war, blieb die Erinnerung an das alte Leben in Liedern und Geschichten noch bis heute lebendig, und Dalewina erinnerte sich, dass es Orte wie diesen, an denen man gemeinsam aß, trank und redete, auch in den Elfenstädten gegeben hatte.

Allerdings hatte man auch damals davon abgesehen, sich die Sinne mit Alkohol zu benebeln, die Luft mit Rauchschwaden zu füllen und alle Dienste mit Gold zu bezahlen. Diese Mischung aus Vertrautem und völlig Fremdem faszinierte sie, und sie war erstaunt, wie gut und schnell sie ihr anfängliches Unbehagen unter Kontrolle bekam. Sicher, allein der Tabakgestank würde sie davon abhalten, öfter als absolut nötig eine Taverne zu betreten, aber für einige Stunden mochte sie diesen zugunsten all der neuen Eindrücke und zum Gefallen ihrer Gefährten wohl ertragen.

Alle, sogar Felusion, schienen die Einkehr zu genießen. Sie hatten sich bereits frühzeitig um Schlafräume für die Nacht und Proviant für die nächsten Reisetage gekümmert und konnten den Abend nun nach eigenem Gutdünken ausklingen lassen.

Zunächst war Dalewina enttäuscht gewesen, als die beiden Magier ihr erklärten, dass sie in ihrer heutigen Diskussion dem Rätsel von Feodalis Entführung noch nicht näher gekommen waren. Dann hatte sie für einige lange Momente erneut der Schmerz des Verlustes überkommen.

Während ihre Gefährten ihrem Gespräch freien Lauf ließen und respektvoll von einer Einmischung in ihre Gefühlswelt absahen, gärten der Schmerz des Verlustes, die Angst um ihren Liebsten und beginnende Verzweiflung in ihr. Sie hatte noch immer nicht die leiseste Ahnung, was mit Feodali geschehen war, wo er sein mochte und ob er überhaupt noch lebte.

Ein lautes Lachen von einem der Nachbartische ließ sie hochschrecken. Um sie herum war viel Fröhlichkeit; Menschen allen Alters, hauptsächlich Männer, aber auch einige Frauen, genossen den Abend und die wohlverdiente Ruhe nach einem anstrengenden Arbeitstag und die Gesellschaft, in der sie sich befanden. Schlagartig wurde Dalewina bewusst, dass sie eigentlich unerhörtes Glück gehabt hatte.

Sie war weder klüger noch freier von allen Zweifeln, seit sie allein in dem fremden Wald erwacht war, doch sie saß hier im schützenden Kreis von drei Gefährten, die sie nach einem einzigen kurzen Abend bereitwillig in ihre Mitte aufgenommen hatten, die sie akzeptiert hatten, wie sie war und die ihr helfen wollten, einfach nur deshalb, weil sie Hilfe brauchte.

Wie leicht hätte sie stattdessen an Strauchdiebe oder einfach nur an Menschen geraten können, denen sie und ihre Not herzlich egal war? Oder sie hätte noch immer allein und ohne eine Vorstellung über Ort und Weg durch ein fremdes Land irren können. Aber das war nicht geschehen. Ihre eigene Intuition hatte sie den Opal nutzen lassen und dieser und eine glückliche Fügung hatte sie zu den richtigen Gefährten geführt.

Dalewina spürte, wie ihre Entschlossenheit, ihr Wille und ihre Liebe zu Feodali gegen die dunklen Gefühle in ihrem Inneren antraten. Sie würde sich nicht der Verzweiflung hingeben! Hieße das nicht, das Geschenk zu missachten, welches das Schicksal ihr in Gestalt ihrer neuen Gefährten gemacht hatte? Hieße das nicht, Feodali zu verraten, wenn die Angst um ihn sie lähmte und verhinderte, dass sie nach Wegen zu seiner Rettung suchte? Nein, soweit würde sie es nicht kommen lassen!

Sie griff nach ihrem Getränk und mit einem tiefen Schluck spülte sie ihre Ängste zurück in die Abgründe, aus denen sie hervorgekrochen waren. Als sie den Becher resolut und etwas lauter als beabsichtigt auf den Tisch zurückstellte, wandten sich ihre Gefährten ihr zu, und nach einem kurzen Moment des Zögerns bezogen sie Dalewina in ihr Gespräch ein.

Es verging eine gute Stunde, in denen sie sich zwanglos und gutgelaunt unterhielten. Die beiden Magier erzählten Dalewina von ihrer jeweiligen Heimat. Während der jüngere Darian von den Mühen auf dem elterlichen Bauernhof berichtete und einige Ideen vor ihnen ausbreitete, wie er seinen Eltern das Leben leichter machen wollte, sobald er mit Hilfe seiner Kunst ein wenig Geld zusammengespart hätte, beschrieb der ältere Julian seine Heimatstadt Artheslân, erwähnte seine Familie jedoch mit keinem Wort.

Überhaupt schien sich die Vergangenheit der beiden Magier in ihrer Kleidung widerzuspiegeln: während das schlichte, genügsame, aber dennoch irgendwie fröhliche Hellgrau von Darians Robe zu dem Alltag eines Bauernsohnes passte, sprach das tiefdunkle Blau von Julians Gewandung von einer vornehmeren, aber alles andere als uneingeschränkt glücklicheren Herkunft.

Vielleicht interpretierte Dalewina zu viel in die Umstände hinein, aber sie hatte das Gefühl, dass sich dies auch in den Augen der Männer wiederfand: groß, freundlich, klar, heiter und aufgeschlossen blickten Darians braune Augen in die Welt, bedeckt, geheimnisvoll, manchmal spöttisch, manchmal unnahbar die schwarzen Augen seines älteren Freundes.

Dalewina gab viel auf den Ausdruck in den Augen eines intelligenten Lebewesens, und sie spürte, dass sie sich Darians Zuneigung und Hilfe uneingeschränkt sicher sein konnte. Was Julian anging, so fand sie es etwas beunruhigend, dass ihr Gefühl sie größtenteils im Stich ließ. Sie war sich ziemlich sicher, dass er ihr wohlmeinend gegenüberstand, aber während sie in Darians Gefühlen fast wie in einem Buch lesen konnte, so war Julian eher der Buchdeckel – er versprach einen wertvollen Inhalt, ohne etwas über ihn preis zu geben. Grübelnd begann sie, eine lange Strähne ihres prachtvollen schwarzen Haares um die Finger zu wickeln.

Als hätte er ihren nachdenklich-forschenden Blick gespürt, wandte sich der Magier ihr zu. Für einen Moment sahen sie sich in die Augen und sie hatte das Gefühl, als würde sie in dunkle, tiefe Seen blicken, die sie erfrischen, aber in denen sie auch ertrinken konnte.

Dann bemerkte sie, wie Julian den Mund zu seinem inzwischen vertrauten Halblächeln verzog. Für einen Moment hatte er etwas Gefährliches an sich, mit diesem Lächeln, dem intensiven Blick und der dunklen Robe mit den blinkenden, silbernen Stickereien. Doch dann hob sich der besagte Mundwinkel noch eine Winzigkeit höher und ein freundlich-spöttischer Ausdruck vertrieb das kurze Unbehagen.

„Musterung beendet?“ fragte er. Darian und Felusion wandten sich zu Dalewina, die spürte, wie ihr ein wenig Röte ins Gesicht stieg. „Fürs erste, ja. Ich begegne eben nicht allzu häufig jemandem mit so trister, dunkler Kleidung mitten im Sommer und dieser Raum macht das Ganze noch ein wenig schlimmer“, gab sie schlagfertig zurück. Darian prustete in sein Bier. „Ich habe es dir ja gesagt, geh weg von diesem Blau“, schlug Felusion in die gleiche Kerbe. „Es mag ja sehr würdevoll aussehen zusammen mit dem Silber, aber menschliche Wärme strahlst du damit nicht gerade aus.“

„Pfft!“ antwortete Julian mit geschürzten Lippen und leicht beleidigtem Gesichtsausdruck. „Was versteht ein Elf schon von menschlicher Wärme! Außerdem seid ihr zwei Landstreicher doch nur neidisch, weil ihr euch keinen vernünftigen Schneider leisten könnt!“ Gelächter aus drei sehr unterschiedlichen Kehlen waren die Antwort auf Julians Worte, der nach einem Moment den Versuch aufgab, würdevoll aussehen zu wollen und in das Lachen einstimmte.

Es folgte ein Gespräch über modische Eigenarten der verschiedenen Rassen und Berufe, in dessen Verlauf sich Dalewina merklich entspannte. Sie genoss die Ablenkung von ihren Sorgen und sah auch von einer weiteren ‚Musterung’ ihrer Gefährten ab.

Wenig später erhob sich Julian, um „einem Bedürfnis nachzugehen, das genauso wenig würdevoll“ sei wie seine Kleidung, was weiteres Gelächter hervorrief, und verließ den Tisch.

Während Dalewinas Blick dem Magier in den so arg geschmähten dunklen Roben folgte, bemerkte sie, dass es in der Taverne merklich voller geworden war. Eine größere, offenbar zusammen gehörende Gruppe von fahrenden Händlern hatte gut die Hälfte der bei ihrer Ankunft noch freien Tische besetzt und sich inzwischen in eine recht ausgelassene Stimmung getrunken.

Noch während Dalewina dieses Schauspiel in sich aufnahm, öffnete sich die Tür des Schankraums erneut und eine weitere, fast ebenso große Gruppe kam herein. Die Ausrufe der Händler, die dies begleiteten, machten deutlich, dass sich beide Gruppen kannten, aber offenbar nicht besonders mochten, denn während die Neuankömmlinge sich mehr oder weniger schweigend an die letzten freien Tische quetschten und mit verkniffenem Gesicht ihre Bestellung aufgaben, kamen einige derbe Scherze von der ersten Gruppe, die hauptsächlich wenig schmeichelhafte Vergleiche zwischen der Reisegeschwindigkeit, der Qualität ihrer Waren und den Fähigkeiten der Angehörigen der zweiten Gruppe im Ehebett zogen.

Dalewina schüttelte schwach lächelnd den Kopf und wollte gerade eine Bemerkung zu Felusion machen, als sie den besorgten Gesichtsausdruck der beiden Männer sah. „Das ist kein gutes Zeichen“, murmelte der Elf. „Die einen sind trunken, unverschämt und provozierend, die anderen angespannt, gereizt und wenig empfänglich für Spott, wie mir scheint. Wir sollten zusehen, dass wir uns in unsere Zimmer zurückziehen, bevor die sich gegenseitig die Köpfe einschlagen.“ Er winkte dem Wirt zu, doch der hatte mit den Neuankömmlingen genug zu tun.

„Die Händler aus den Provinzen liefern sich um diese Zeit geradezu ein Wettrennen in die Hauptstadt“, erklärte Darian der Elfe. „Sie versuchen, rechtzeitig zum Mittsommerfest dort zu sein und möglichst gute Plätze für ihre Marktstände zu ergattern. Wenn es Händler sind, die ähnliche Waren anbieten, dann kennen sie einander natürlich – und je besser sie sich kennen, desto weniger mögen sie sich in der Regel. Und die da“, der Magier deutete mit dem Kopf auf die beiden großen Gruppen, wobei ihm wieder einmal einige borstige Strähnen ins Gesicht fielen, die er geistesabwesend beiseite wischte, „scheinen sich ziemlich gut zu kennen. Wenn jetzt noch ein paar falsche Worte zur falschen Zeit fallen, haben wir hier die schönste Wirtshausschlägerei im Gange und nicht genug Platz, um ihr aus dem Weg zu gehen.“ Die lustigen Worte, die Dalewina gerade noch auf der Zunge gelegen hatten, verwandelten sich in einen dicken Pfropfen in ihrer Kehle.

„Lasst uns in unsere Zimmer gehen“, drängte Felusion. „Julian ist noch nicht zurück“, antwortete Darian, „und wir haben unser Essen und die Getränke noch nicht bezahlt.“ „Julian kann auf sich selbst aufpassen und ich will Dalewina nicht gleich in eine Schlägerei verwickelt sehen“, gab der Elf ärgerlich zurück.

„Und du meinst, dass sich die Lage entspannt, wenn der Wirt denkt, dass wir die Zeche prellen wollen und hinter uns her schreit?“ gab der Magier schnippisch zurück.

„Ich glaube, die Entscheidung wurde uns gerade abgenommen“, fiel Dalewina den Männern mit belegter Stimme ins Wort und deutete auf einen großen, dicken Mann aus der ersten Gruppe, der einem der Neuankömmlinge gerade den Inhalt eines Bierkruges über den Kopf goss, „um den eingetrockneten Verstand zu bewässern“, wie er laut grölend verkündete.

Während seine Freunde in das Lachen einstimmten, wechselte der so Bedachte mit seinen Gefährten einige vielsagende Blicke, bevor er sich von seinem Stuhl erhob. Er war um einiges kleiner als der andere Mann, aber drahtig, mit einem harten Gesichtsausdruck und ebenso hart aussehenden Muskelsträngen ausgestattet.

„Vergesst die Rechnung, an der Wand entlang zum Ausgang“, flüsterte Darian. Es war bis auf das Grölen der großen Gruppe deutlich ruhiger in der Taverne geworden und der Wirt versuchte, sich möglichst unauffällig hinter seine Theke zu schieben, während einige näher am Ausgang sitzende Gäste bereits Geld auf den Tisch warfen und sich für einen raschen Aufbruch wappneten.

Mit Tränen in den Augen vom Lachen blickte der dicke Mann auf seinen kleineren Kontrahenten herab. „Oho, der Mensch hier scheint die gute Tat nicht zu danken, die ich ihm erweisen wollte“, rief er seinen Freunden zu. „Habt ihr so eine Undankbarkeit schon einmal erlebt?“ Das Gelächter schwoll noch weiter an.

„Aber nein“, presste der Begossene zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, „ihr versteht mich völlig falsch, mein Guter. Ich wollte euch lediglich angemessen für eure großherzige Tat danken.“ Und bevor der dicke Mann in seinem angetrunkenen Zustand die Drohung hinter diesen Worten registrierte, hatte ihm sein Gegenüber mit zwei kurzen, harten Schlägen in den Magen das Lachen ausgetrieben. Röchelnd sackte der Getroffene zusammen.

Felusion und Darian sahen sich an, dann stellten sie sich vor Dalewina, während der Elf die Fäuste hob und Darian seinen Stab in beide Hände nahm. Für einen kurzen Augenblick erstarb jedes Geräusch in der Taverne. Und dann brach das Chaos aus.

Buchenherz

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