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Die Vorschrift ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens die sie treffenden Aufgaben in eigener Person oftmals nicht vollständig erfüllen können und sie daher im Wege der Delegation auf Mitarbeiter übertragen (siehe Rn. 74 ff.).[112] Wenn Mitarbeiter in einem solchen Fall eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begehen, ist angesichts des Auseinanderklaffens von Verantwortung (des Inhabers) und Verhalten (des Mitarbeiters) die Gefahr einer Sanktionslücke gegeben. Dies gilt gerade dann, wenn der Handelnde nicht zu dem in § 14 StGB, § 9 OWiG benannten Personenkreis zählt.[113]

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In diese Lücke stößt das echte Unterlassungsdelikt des § 130 OWiG, da die Verhängung einer Geldbuße gegen den Inhaber möglich wird, wenn er die ordnungsgemäße Erfüllung ihn selbst treffender Pflichten durch Mitarbeiter nicht sicherstellt und es deshalb zu einer Zuwiderhandlung kommt.[114] Die Norm ist deswegen von besonderer praktischer Relevanz, weil der Nachweis einer vorsätzlichen Aktivbeteiligung der Unternehmensleitung an Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten kaum jemals gelingt.[115] Eine Sanktionierung ist aus Sicht der Kontrollinstanzen oftmals nur über das mit spezifischen Nachweisschwierigkeiten behaftete (fahrlässige) Unterlassungsdelikt möglich.[116]

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§ 130 OWiG zielt nicht unspezifisch auf die Gewährleistung genereller Normkonformität,[117] vielmehr geht es um die Verhinderung konkreter Gefahren für jene Rechtsgüter, die in den einzelnen Tatbeständen des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts geschützt werden.[118] Dieser Schutz soll über die Statuierung einer bereits im Vorfeld installierten Aufsichtspflicht erfolgen.[119] Im Hintergrund steht das Motiv, dass derjenige, der zur Erfüllung eigener Pflichten Dritte einsetzt, sich deren Zuwiderhandlungen entgegenhalten lassen muss, wenn er selbst nicht alles Erforderliche und Zumutbare unternimmt, um Rechtsverstöße zu vermeiden.[120] Sofern der Inhaber selbst Beteiligter der Straftat oder Ordnungswidrigkeit ist, erübrigt sich der Rückgriff auf die subsidiär geltende Vorschrift.[121]

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Die besondere Relevanz der Vorschrift ergibt sich gerade im Zusammenspiel mit der Unternehmensgeldbuße nach § 30 OWiG, da § 130 OWiG eine Anknüpfungstat im Sinne dieser Vorschrift bildet (siehe Rn. 303 ff., Rn. 318 ff.).

Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung

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