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Sichtbarster Ausdruck für die Tendenz, das Unterlassen von Maßnahmen des Risikomanagements strafrechtlich zu sanktionieren, ist die als Reaktion auf die Finanzkrise entstandene Vorschrift des § 54a KWG. Sie ist im Zuge des Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen (Trennbankengesetz)[185] in das KWG aufgenommen worden. Vormals in den Rundschreiben der BaFin zu den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) formulierte Pflichten, die nach h.M. norminterpretierende Verwaltungsvorschriften darstellten,[186] wurden auf diese Weise in Gesetzesrang erhoben. Inwieweit außerstrafrechtliche Pflichten in den Rang strafrechtlich sanktionierter Pflichten aufrücken dürfen, ist im Prinzipiellen jedoch nach wie vor ungeklärt.[187] In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass zwischen außerstrafrechtlichem Recht und Strafrecht grundsätzlich ein Verhältnis asymmetrischer Akzessorietät besteht und Strafsanktionen für die Verletzung außerstrafrechtlicher Pflichten zwar möglich, aber begründungsbedürftig sind.[188]

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Für den Gesetzgeber leitend war die Erwägung, dass eine strafrechtliche Sanktionierung unterbliebenen Risikomanagements kaum möglich ist.[189] Dies legitimiert für sich jedoch keine Kriminalisierung, da derartige Maßnahmen kein Selbstzweck sind. Unabhängig davon ist der legitimatorische Bezug auf die Finanzkrise ungereimt, die weniger durch unzureichende Compliance als durch die Tätigung extremer Risikogeschäfte selbst verursacht wurde; insofern wird auch hier der eigentliche Vorwurf umgeformt (siehe Rn. 115 ff.).[190] Die Ungereimtheit fällt umso deutlicher ins Auge als einschränkungslos alle und keineswegs nur „systemrelevante“ Institute erfasst werden.[191]

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Die Strafnorm ist allenthalben auf deutliche Ablehnung gestoßen.[192] Die Kritik ist berechtigt, weil § 54a KWG wegen der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und der für das Kapitalmarktstrafrecht typischen exzessiven Blanketttechnik Bedenken hinsichtlich Art. 103 Abs. 2 GG aufwirft.[193] Die Leistungsfähigkeit einer außerstrafrechtlichen Regulierung wurde nicht einmal erwogen, was Zweifel mit Blick auf die dem Strafrecht eigene Ultima ratio-Funktion aufwirft.[194] Unterhalb der verfassungsrechtlichen Ebene ist einzuwenden, dass geschütztes Rechtsgut[195] und Deliktscharakter[196] kaum erkennbar sind. Der noch im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingefügte § 54a Abs. 3 KWG wird immerhin dazu führen, dass es sich um weitgehend „totes Recht“ handelt.[197] Dies gilt umso mehr, als die nahezu unüberschaubaren Pflichtenkataloge aus § 25c Abs. 4a KWG sowie § 25c Abs. 4b S. 2 KWG kaum justiziabel sind.[198]

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Das zu schützende Rechtsgut ist letztlich in der unter Umständen auch durch die Bestandsgefährdung eines einzelnen Instituts auf dem Spiel stehenden Funktionsfähigkeit des Finanzsystems zu sehen.[199] Darüber hinaus wird das individuelle Vermögen des Instituts geschützt, was Bedeutung mit Blick auf § 823 Abs. 2 BGB hat.[200] Compliance dient nämlich gerade der Vermeidung von Rechtsverstößen im vermeintlichen Interesse eines Unternehmens, dem Sanktionen oder Imageschäden drohen.[201]

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Nach dem Gesetzgeber soll es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handeln.[202] Das Erfordernis der Herbeiführung einer Bestandsgefährdung spricht jedoch für die Klassifizierung als konkretes Gefährdungsdelikt.[203] Der Tatbestand hat eine zweiaktige Struktur, indem zu dem strafrechtlich relevanten Verhalten noch ein von Vorsatz oder Fahrlässigkeit (vgl. § 54a Abs. 2 KWG) umfasster Gefährdungserfolg treten muss. Das strafrechtlich relevante Verhalten als solches besteht in einem Nicht-dafür-Sorge-Tragen; es handelt sich also um ein echtes Unterlassungsdelikt.[204] Die Norm stellt zugleich ein Dauerdelikt dar, bei dem der rechtswidrige Dauerzustand erst durch Vornahme der geforderten Compliance-Maßnahmen beendet wird.

Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung

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