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2. Abgabe an die Staatsanwaltschaft

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In ihren Verfahren hat die BuStra die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft, § 399 Abs. 1 AO. Das ist die überwiegende Anzahl der Fälle, die von den BuStra–Stellen bearbeitet werden. Die Steuerfahnder als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft arbeiten in diesen Verfahren der BuStra als „Finanz–Staatsanwaltschaft“ zu. Der Justiz–Staatsanwalt hat abweichend von § 152 Abs. 1 GVG hier kein Weisungsrecht gegenüber den Steuerfahndungsbeamten.[117]

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Gleichwohl ist die eigenständige Ermittlungskompetenz der Finanzbehörde nach Auffassung des BGH nicht völlig uneingeschränkt. Nach der Rollenverteilung in § 386 Abs. 4 AO soll die Staatsanwaltschaft auch in diesen Fällen insoweit „Herrin des Verfahrens“ sein, als sie – etwa bei Kontroversen über die Führung der Ermittlungen – jederzeit nach § 386 Abs. 4 S. 2 AO das Verfahren an sich ziehen kann, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Der BGH entnimmt dies in entsprechender Anwendung der in §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO bestimmten Einschreitens- und Ermittlungspflicht der Staatsanwaltschaft bei Straftaten, die nach § 385 Abs. 1 AO auch bei Steuerstraftaten weiterhin gilt.[118]

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Daher können Fälle der BuStra in drei Fallkonstellationen zur Staatsanwaltschaft kommen:

a) Die Staatsanwaltschaft zieht den Fall an sich (Evokationsrecht), was sie nach § 386 Abs. 4 AO jederzeit tun kann. Um das Evokationsrecht ausüben zu können, muss die BuStra oder die Steuerfahndung den Fall rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft herantragen.[119] Dazu muss die BuStra die Staatsanwaltschaft frühzeitig über alle Verfahren informieren, bei denen eine Evokation nicht fern liegt.

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Die Evokation liegt nicht fern, wenn die Sache eine gewisse Bedeutung hat. Das kann auch bei kleineren Hinterziehungsbeträgen vorliegen, wenn z.B. eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit besteht wie bei prominenten Personen, kommunalen Amtsträgern oder andere Personen des öffentlichen Interesses.[120]

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Die frühzeitige Einschaltung der Staatsanwaltschaft ist auch dann angezeigt, wenn sich die Beweislage als schwierig darstellt, wenn der Fall nicht für ein Strafbefehlsverfahren geeignet ist, eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten oder wenn eine Anklage beim Landgericht zu erwarten ist.[121]

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b) Die BuStra kann den Fall auch nach pflichtgemäßem Ermessen an die Staatsanwaltschaft abgeben (§ 386 Abs. 4 AO), wenn er eine besondere Bedeutung hat. Hierfür gibt es verschiedene Indizien (die aber von Land zu Land und sogar von Staatsanwaltschaft zu Staatsanwaltschaft unterschiedlich gehandhabt werden): – die besondere Bedeutung eines Falles kann in seiner Größenordnung liegen (Grenzen zwischen 50 000 EUR und 200 000 EUR insgesamt hinterzogener Steuern, teilweise sogar noch höher (wie etwa bei den sog. Kapitalanlegerfällen); – Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) wird angestrebt, Nr. 22 Abs. 1 Nr. 1 AStBV. Die Anordnung muss von der Staatsanwaltschaft beantragt werden, weil die BuStra selbst bei Gefahr im Verzug dazu nicht befugt ist, Nr. 91 Abs. 3 S. 2 AstBV; – Notwendigkeit der Anordnung von Untersuchungshaft (§§ 112, 113 StPO), Nr. 22 Abs. 1 Nr. 2 AStBV; – besondere rechtliche Schwierigkeiten der Strafsache (z.B. Rechtshilfeersuchen), Nr. 22 Abs. 1 Nr. 3 AStBV; – Verfahren gegen Parlamentsabgeordnete (Landtage, Bundestag, Europaparlament), Nr. 151 AStBV; Diplomaten und andere bevorrechtigte Personen, Nr. 152 AStBV; Angehörige der Streitkräfte anderer Staaten, Nr. 153 AStBV; Jugendliche, Heranwachsende und vermindert Schuldfähige, Nr. 154 AStBV; – Wenn ein Amtsträger der Finanzverwaltung der Beteiligung an einer Steuerstraftat verdächtig ist, ist der Fall sofort an die Staatsanwaltschaft abzugeben.

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Hinweis:

Steuerhinterziehungen durch Amtsträger haben stets auch eine disziplinarrechtliche Komponente und müssen deshalb dem Disziplinar-Vorgesetzten gemeldet werden. Nach der Entscheidung des BVerwG vom 5.3.2010 steht das Steuergeheimnis dem nicht entgegen, wenn der hinreichende Verdacht auf ein schweres Dienstvergehen gegeben ist.[122] Nach § 49 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 S. 1 BeamtenStatusG sowie nach § 115 Abs. 1, Abs. 6 BBG sind die Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, in Strafverfahren (auch Steuerstrafverfahren) eine Kopie der Anklageschrift an den Disziplinarvorgesetzten des Beamten zu senden.[123] Gleiches gilt auch für Entscheidungen über Verfahrenseinstellungen (selbst nach einer Selbstanzeige des Beamten). Hierbei hat die Strafverfolgungsbehörde keine vorweggenommene Prüfung der gebotenen disziplinarrechtlichen Behandlung des Falles vorzunehmen, sondern sie muss nur abwägen, ob die Daten für eine disziplinarrechtliche Prüfung von Belang sind und deshalb für den Dienstherrn des Beamten von Interesse sind.[124]

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In diesen Fällen ist der Fall selbst dann an die Staatsanwaltschaft abzugeben, wenn darüber zu entscheiden ist, ob eine wirksame Selbstanzeige eines Beamten vorliegt, Nr. 22 Abs. 2 S. 2 AStBV.

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c) Die BuStra muss den Fall an die Staatsanwalt abgeben, wenn sie dafür sachlich nicht zuständig ist. Das sind die Fälle in denen der Beschuldigte neben der Steuerstraftat (bzw. gleichgestellten Taten) weitere – prozessual selbstständige – Taten begangen hat, die in einem einheitlichen Ermittlungsverfahren verfolgt werden sollen.[125] Dieses kann nur die Staatsanwaltschaft führen, weil die Finanzbehörde für außersteuerliche Taten nicht zuständig ist.

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Hinweis:

Bei der Abgabe von außersteuerlichen Straftaten an die Staatsanwaltschaft ist grundsätzlich das Steuergeheimnis des § 30 AO zu beachten, Nr. 21 Abs. 2 AStBV. Dem Schutz des Steuergeheimnisses unterliegt auch die Person des Anzeigeerstatters.[126] Durch die allgemeine Ermittlungsbefugnis des § 161 StPO wird das Steuergeheimnis aber nicht durchbrochen, weil darin eine entsprechende ausdrückliche Bestimmung fehlt (z.B. Formulierung „§ 30 AO steht dem nicht entgegen“). Obwohl eine solche Formulierung auch nicht in § 386 Abs. 4 AO enthalten ist, problematisiert die Verwaltungspraxis die möglicherweise fehlende Weitergabebefugnis nicht.

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Die Stellung der BuStra in den Verfahren der Staatsanwaltschaft entspricht den Rechten und Befugnissen der Polizei nach der Strafprozessordnung (vgl. §§ 161, 163 StPO). Beschuldigte, Zeugen und Sachverständige sind nicht verpflichtet, vor der BuStra zu erscheinen. Die Befugnisse wegen Gefahr im Verzug bleiben erhalten, § 399 Abs. 2 S. 2 AO.

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Die Bediensteten der Steuerfahndung haben immer die Stellung von Ermittlungsbeamten der Staatsanwaltschaft und zwar unmittelbar, wenn die Staatsanwaltschaft selbst das Verfahren führt oder mittelbar, wenn die Bußgeld- und Strafsachenstelle die Stellung der Staatsanwaltschaft einnimmt, § 386 Abs. 2 AO.

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