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bb) Die strafbefangenen Mehrsteuern

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Die strafbefangenen Mehrsteuern sind regelmäßig Maßstab für die Schwere der Tat sowie für das sich dadurch verwirklichende kriminelle Unrecht und damit ein wichtiger Anhaltspunkt für Schuld und Strafmaß. Die steuerlichen Mehrergebnisse können regelmäßig dem steuerlichen Prüfungsbericht entnommen werden. Es wäre aber verfehlt, dieses ohne weitere Überlegungen unmittelbar auf das Strafrecht übertragen zu wollen, weil das steuerliche Mehrergebnisse regelmäßig nicht mit dem strafrechtlichen Mehrergebnis identisch ist. Das rührt daher, dass das Steuerrecht als Verwaltungsverfahren anderen Verfahrensgrundsätzen unterliegt als das Strafverfahren. Die Anpassung des steuerlichen Mehrergebnisses für Zwecke des Strafverfahrens muss verschiedene Unterschiede berücksichtigen:

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a) Schätzungen müssen in vielen Fällen zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen durchgeführt werden. Das gilt sowohl für das Besteuerungsverfahren wie für das Strafverfahren. Beide Verfahren wenden auch grundsätzlich dieselben Schätzungsmethoden an. Kann im Strafverfahren nicht anhand der vorgefundenen Indizien und Beweismittel geschätzt werden, kommt eine generalisierende Schätzung in Betracht. Dazu können insbesondere die Richtsatzwerte der Finanzverwaltung herangezogen werden.[109] Bei der Übernahme des steuerlichen Schätzungsergebnisses ins Strafverfahren sind aber die Ergebnisse daraufhin zu überprüfen, ob sie den strafrechtlichen Grundsätzen genügen, insbesondere dem Grundsatz „in dubio pro reo(s.u. Rn. 279 f.).

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Während für steuerliche Zwecke bei Verletzung von Mitwirkungspflichten Beweismaßerleichterungen greifen,[110] wodurch sich die erforderliche Wahrscheinlichkeit der Schätzung verringert, dürfen strafrechtlich aus Mitwirkungsverweigerungen keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Die steuerliche Schätzung darf daher an den oberen Rand des gerade noch möglichen Schätzungsergebnisses gehen, während für die strafrechtliche Schätzung grundsätzlich der untere Schätzungsrahmen maßgeblich ist.[111]

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Das gilt jedoch nur soweit als nicht Erkenntnisse über eine besonders gute Ertragslage vorliegen, weil dann nach der BGH-Rechtsprechung[112] trotz des Zweifelssatzes auch ein höherer Richtsatzwert angesetzt werden darf. Dies bedarf jedoch einer ausdrücklichen Begründung, sowohl im Steuerfahndungsbericht wie auch insbesondere im Strafurteil.

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b) Wahl der Gewinnermittlungsmethode Schätzungen folgen grundsätzlich den Regeln der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG über den sog. Bestandsvergleich (Bilanzierung). Hatte jedoch der Beschuldigte bisher sein Wahlrecht für eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausgeübt, so ist das auch bei der (strafrechtlichen) Schätzung zu berücksichtigen und sein Gewinn nach den Grundsätzen einer Einnahmen – Überschuss – Rechnung (EÜR) zu ermitteln.[113] Der Steuerfahnder bzw. nachfolgend das Gericht im Urteil müssen dazu entsprechende Feststellungen treffen.

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c) Sicherheitszuschläge, die steuerlich gemacht werden dürfen, müssen strafrechtlich wegfallen, weil sie gegen den „in dubio“ – Grundsatz verstoßen würden.

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d) Sicherheitsabschläge sind stattdessen vorzunehmen, wenn nach dem Zweifelssatz der von der Steuerfahndung ermittelte steuerliche Gewinn nach richterlicher Überzeugungsbildung zu hoch sein kann.

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e) Rückstellungen in der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG müssen steuerlich und strafrechtlich unterschiedlich gebildet werden. Im Steuerrecht sind nach der BFH-Rechtsprechung Rückstellungen für betriebliche Mehrsteuern (z.B. Lohnsteuer, Umsatzsteuer) nach einer Steuerfahndungsprüfung aufdeckungsorientiert zurückzustellen, also erstmals im Jahr der Aufdeckung der Steuerhinterziehung für alle noch nicht festsetzungsverjährten Hinterziehungsjahre.[114] Dagegen sind betriebliche Mehrsteuern nach ihrer Aufdeckung durch eine Betriebsprüfung jeweils für das Jahr ihrer Entstehung (entstehungsorientiert) zurückzustellen. Die Verpflichtung zur Entrichtung von bisher nicht abgeführten Sozialabgaben ist nach der BFH-Rechtsprechjung aber immer entstehungsorientiert zu berücksichtigen, also jeweils für die Lohnzahlungszeiträume bzw. das Jahr, in dem die jeweiligen Zeiträume endeten.[115]

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Strafrechtlich sollen aber sowohl Mehrsteuern wie Mehrsozialabgaben bei der Gewinnermittlung für das jeweilige Jahr ihrer Entstehung anzusetzen sein, weil sich der Vorsatz des Täters nur auf den durch diese Abzüge geminderten Gewinn erstreckt.

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f) Das Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 S. 3 AO) kann aber umgekehrt strafrechtlich zu einem höheren maßgeblichen Gewinn führen als er für Zwecke der Steuer anzusetzen ist. Bestimmte Umstände, die nicht mit der Steuerhinterziehung in Zusammenhang stehen, können zwar die Steuer mindern, dürfen aber für die Schadensberechnung im Strafrecht nicht beachtet werden. Der strafrechtlich anzusetzende Steuerschaden kann daher höher sein als der steuerliche festzusetzende Betrag.

Beispiel:

Der Steuerpflichtige macht bisher nicht geltend gemachte Vorsteuern in derselben Höhe geltend in der er seine Umsatzsteuer hinterzogen hat. Hängt die Vorsteuer nicht mit den verkürzten Umsätzen zusammen, ist das Kompensationsverbot anzuwenden.

Hängt die Vorsteuer dagegen unmittelbar mit den verkürzten Umsätzen zusammen (Anschaffung genau der Wirtschaftsgüter, bei deren Verkauf die verkürzte Umsatzsteuer entstanden ist), wendet die Verwaltung das Kompensationsverbot nicht an. Anders der BGH, der die Vorteile nicht kompensiert, aber das Problem über den Vorsatz löst.

Wenn nach der Verkürzung der Steuer durch einen zu niedrig erklärten Gewinn ein Verlustfeststellungsbescheid ergeht, der die Steuer auf Null drückt, ist strafrechtlich wiederum das Kompensationsverbot anzuwenden mit der Folge, dass strafrechtlich die hinterzogene Steuer ohne Berücksichtigung des Verlustes anzusetzen ist.

g) Im Einzelfall können noch weitere Änderungen notwendig sein, je nach richterlicher Überzeugungsbildung.
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