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a) Ermittlungen auf niederer Schwelle

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Lassen sich die Ermittlungen ohne Durchsuchung auf niederer Schwelle führen, wird der Steuerfahndungs – Sachgebietsleiter das anstreben. In Betracht kommt ein schriftliches Verfahren in einfach gelagerten, massenhaft auftretenden Fällen wie z.B. bei der Welle der Kapitalanlegerfälle ab 2010. Je nach Umfang der schon vorhandenen Informationen ist in diesen Fällen eine Durchsuchung beim Verdächtigen, auch angesichts des damit verbundenen Aufwands, nicht erforderlich.

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Dem Verdächtigen wird schriftlich die Einleitung des Steuerstrafverfahrens mitgeteilt und er wird ebenso schriftlich über seine Rechte belehrt. Gleichzeitig wird er aufgefordert die erforderlichen Unterlagen beizubringen um die Steuer korrekt festsetzen zu können. Zwar ist der Beschuldigte nach dem „nemo tenetur-Grundsatz“ strafrechtlich nicht verpflichtet, zu seiner Belastung beizutragen, § 136 Abs. 1 S. 2 StPO. Zur steuerlichen Mitwirkung bleibt er aber trotz der Einleitung des Strafverfahrens weiter verpflichtet. Seine Mitwirkung im Besteuerungsverfahren kann zwar nicht erzwungen werden (§ 393 Abs. 1 S. 2 AO), aber das kommt in diesen Verfahren ohnehin nicht in Frage. Allerdings ist dann die Finanzverwaltung berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen, die nicht auf andere Weise ermittelt werden können, zu schätzen, § 162 AO.

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Der Beschuldigte muss sich nun zwischen Kooperation oder Nicht–Kooperation entscheiden und hat im Grunde genommen fast die Wahl zwischen Regen und Traufe.

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Wählt der Beschuldigte die Kooperation zahlt sich das in den meisten Fällen aus, denn die Ermittlungsbehörde hat durch die Wahl des schriftlichen Verfahrensweges schon deutlich gemacht, dass sie den Fall nicht so hoch hängen will. Je nach Umfang der Steuerhinterziehung kann daher die vollumfängliche Kooperation der Weg zur Verfahrenseinstellung gegen Auflage (§ 153a StPO) oder zu einem „kleinen“ Strafbefehl sein, §§ 407 ff. StPO. Bei dieser Art von Verfahren geht es ja meist nicht mehr um Schuld oder Unschuld, sondern nur noch darum, das Strafverfahren ordentlich zu managen, wenn man nun einmal „ertappt“ ist. Hier kann das Nachtat – Verhalten ein wichtiger Milderungsgrund sein.[89]

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Dabei kann es gefährlich sein, sich nur für eine eingeschränkte Kooperation zu entscheiden nach dem Motto „Ich gebe alles zu, was Sie mir nachweisen können!“ Das macht m.E. aus Verteidigersicht nur Sinn, wenn bekannt ist, was die Finanzbehörde weiß bzw. nicht weiß. Strafrechtlich wirkt es sich meist nachteilig aus, wenn der Beschuldigte seine Kooperation je nach Vorhalt des Ermittlers stückweise erweitern muss.

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Entscheidet sich der Beschuldigte für Nicht–Kooperation, so muss die Ermittlungsbehörde ihr weiteres Vorgehen überdenken. Einmal abgesehen davon, dass es dem Ermittler nachträglich leid tut, sich für das schriftliche Verfahren entscheiden zu haben, kommt jetzt immer noch eine Durchsuchung in Betracht. Mögen deren Erfolgsaussichten auch deutlich geringer sein als sie ursprünglich (vor dem schriftlichen Verfahren) gewesen waren, verbleibt doch immer noch eine Auffindungsvermutung, die die Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses rechtfertigt. Daher sollte bei der Entscheidung zur Nicht–Kooperation die psychische Belastung der Durchsuchung seitens des Beschuldigten auch im Interesse seiner Angehörigen berücksichtigt werden.

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Steuerlich kann/muss die Finanzbehörde in diesen Fällen zum Instrument der Schätzung greifen, § 162 AO. Dieses kann mehr oder minder erfolgreich eingesetzt werden, je nachdem welche Informationen der Finanzbehörde vorliegen. Der nicht kooperierende Beschuldigte spielt in dieser Situation ein wenig Roulette. Hat die Finanzbehörde ausreichend Informationen für eine nicht angreifbare Schätzung, war seine Nicht–Kooperation strafrechtlich schädlich ohne dadurch steuerliche Vorteile erlangt zu haben. Zudem erfordert der Angriff von Schätzungsbescheiden, wenn diese nicht grob fehlerhaft sind, häufig die Vorlage derselben Unterlagen, die die Finanzbehörde schon zu Beginn des Verfahrens von ihm angefordert hat. Nunmehr muss er sie zur Begründung seiner Klage gegen den Schätzungsbescheid vorlegen – kein großer Gewinn.[90]

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Die Nicht–Kooperation kann aus Beschuldigtensicht dann Sinn machen, wenn die Finanzbehörde wenig weiß, so dass die Schätzung relativ niedrig ausfallen muss, um den möglichen Schätzungsrahmen nach Aktenlage nicht zu verlassen.

„Schätzen Sie mal – vielleicht gefällt es mir!“

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