Читать книгу Wirtschaftsvölkerrecht - Markus Krajewski - Страница 21
ОглавлениеTeil 1 Grundlagen › I. Wirtschaftsvölkerrecht als Teil des internationalen Wirtschaftsrechts › 3. Gegenstand dieses Lehrbuchs
3. Gegenstand dieses Lehrbuchs
34
Während sich das Wirtschaftsvölkerrecht zwar von den anderen Materien des internationalen Wirtschaftsrechts theoretisch abgrenzen lässt, besteht über seinen genauen Umfang und über die Materien, die zum Wirtschaftsvölkerrecht zu zählen sind, in der rechtswissenschaftlichen Literatur und Ausbildungspraxis keine vollständige Einigkeit. Die in diesem Lehrbuch behandelten Materien des Wirtschaftsvölkerrechts orientieren sich an dem klassischen Kanon des sog. „International Economic Law“, wie es in Großbritannien und den USA gelehrt wird[1] bzw. des „Droit international économique“ im französischen Verständnis.[2] Dieser Kanon umfasst auch das, was an den meisten deutschen Fakultäten unter Wirtschaftsvölkerrecht verstanden und gelehrt wird. Damit wird zugleich der völkerrechtliche Teil von Lehrveranstaltungen abgedeckt, die sich mit dem internationalen Wirtschaftsrecht allgemein befassen.
35
Zum Kern des Wirtschaftsvölkerrechts zählen drei Rechtsgebiete:
– | Das Recht des Welthandels, vor allem in seiner Kodifikation durch das Recht der Welthandelsorganisation (WTO). Dazu gehören die institutionellen Regeln, insbesondere das Recht der Streitbeilegung in der WTO und das materielle Recht des Warenhandels, des Dienstleistungshandels und der handelsbezogenen Aspekte des geistigen Eigentums. |
– | Das Recht der ausländischen Investitionen. Dazu zählen die völkergewohnheitsrechtlichen und vertraglichen Regeln zum Investitionsschutz (z.B. Schutz vor Enteignungen), zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staaten und Investoren und zur Absicherung des wirtschaftlichen Werts einer Investition durch Investitionsgarantien. Ebenfalls zu diesem Bereich werden in diesem Buch Ansätze zur Regulierung multinationaler Unternehmen gezählt. |
– | Das Recht des internationalen Währungs- und Finanzverkehrs. Hierunter wird das internationale Währungs- und Finanzsystem verstanden, wie es in den sog. Abkommen von Bretton Woods zur Gründung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank materiell (z.B. flexible Wechselkurse) und institutionell (z.B. durch Vergabe von Krediten an Staaten zur Überbrückung von Zahlungsbilanzschwierigkeiten) ausgestaltet wird. |
36
Getrennt von diesen drei Kerngebieten behandelt das Lehrbuch das Entwicklungsvölkerrecht, das Internationale Wettbewerbsrecht sowie das Recht der außereuropäischen regionalen Wirtschaftsintegration (NAFTA, Mercosur, etc.), da es sich um Sondermaterien des Wirtschaftsvölkerrechts handelt, die handels-, investitions- und finanzrechtliche Aspekte enthalten, sich jedoch besser als geschlossene Materien darstellen lassen.
37
Das vorliegende Lehrbuch befasst sich nicht mit dem internationalen Steuerrecht[3], obwohl es nach der hier entwickelten Definition jedenfalls in Teilen auch zum Wirtschaftsvölkerrecht zählt. Der Ausschluss des internationalen Steuerrechts legitimiert sich durch die Komplexität der Materie, die sich erst bei vertieften Kenntnissen des nationalen Steuerrechts erschließt und dadurch, dass das internationale Steuerrecht klassischerweise nicht als Teil des Wirtschaftsvölkerrechts gelehrt wird.
38
Ebenfalls nicht Gegenstand dieses Lehrbuchs sind Elemente anderer völkerrechtlicher Teilordnungen, die wirtschaftliche Bezüge aufweisen, wie z.B. die seerechtlichen Regeln über die ausschließliche Wirtschaftszone oder die Bewirtschaftung des Meeresbodens, umweltvölkerrechtliche Handels- und Verbringungsverbote gefährlicher Stoffe oder die Regeln des Rechts der kollektiven Sicherheit über Handelssanktionen. Diesen Materien ist gemein, dass sie nicht in erster Linie auf die Regelung von internationalen Wirtschaftsbeziehungen abzielen, sondern diese lediglich betreffen und andere Zwecke verfolgen. Sie werden in der Ausbildungspraxis regelmäßig als Teil des allgemeinen Völkerrechts oder in eigenen Spezialveranstaltungen (Seerecht, Umweltvölkerrecht, etc.) gelehrt. Für Darstellungen dieser Materien kann auf die allgemeinen völkerrechtlichen Lehrbücher verwiesen werden.
Lösungshinweise zum Ausgangsfall
Zivilrechtliche Ansprüche mit Auslandsbezug richten sich grundsätzlich nach einer innerstaatlichen Rechtsordnung, auf die das internationale Privatrecht (Kollisionsrecht) verweist. Völkerrechtlich begründetes Einheitsrecht geht jedoch vor (Art. 3 Abs. 2 EGBGB). Bei Kaufverträgen findet das einheitliche UN-Kaufrecht (CISG) Anwendung, wenn die Vertragsparteien ihren Aufenthalt in Staaten haben, die Parteien des CISG sind (Art. 1 Abs. 1 CISG). Da sowohl China als auch die Bundesrepublik Deutschland Mitglieder des CISG sind, findet das CISG auf den Vertrag zwischen G und T Anwendung. Die Pflichten der Parteien werden durch die INCOTERMS-Klausel „CIF“ konkretisiert, deren Bedeutung gem. Art. 9 CISG Vertragsinhalt geworden ist.
Nach Art. 45 Abs. 1 lit. b) CISG kann der Käufer Schadensersatz verlangen, wenn der Verkäufer seine Pflichten nicht erfüllt hat. Zu den Verkäuferpflichten gehört gem. Art. 35 Abs. 1 CISG, die Waren vertragsgemäß zu liefern. Daher kann G von T Schadensersatz nach dem CISG verlangen.
Ansprüche der G auf die zollrechtliche Freigabe der Textilien und auf Erteilung einer Einfuhrlizenz richten sich nach dem europäischen Außenwirtschafts- und Zollrecht. Da dieses jedoch von den Behörden der Mitgliedstaaten der EU ausgeführt wird, wird der Rechtsschutz von nationalen Gerichten gewährt. Will G gegen die Ablehnung der Abfertigung der Waren zum freien Verkehr vorgehen, muss sie sich an das Finanzgericht wenden. Will G gegen die Versagung der Einfuhrgenehmigung durch das BAFA vorgehen, muss sie sich an das Verwaltungsgericht wenden. Sind Fragen der Auslegung des Unionsrechts erheblich, können beide Gerichte den EuGH gem. Art. 267 AEUV anrufen.
Das europäische Außenwirtschafts- und Zollrecht muss mit dem Wirtschaftsvölkerrecht, insbesondere dem WTO-Recht, übereinstimmen. Das Übereinkommen zwischen der EU und der VR China, auf dem die Einfuhrbeschränkungen beruhen, verstößt möglicherweise gegen das Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen gem. Art. XI GATT oder das Verbot freiwilliger Ausfuhrbeschränkungen gem. Art. 11 des WTO-Übereinkommens über Schutzmaßnahmen.[4] Nach der Rechtsprechung des EuGH ist das WTO-Recht jedoch nicht unmittelbar anwendbar, so dass sich G in einem Gerichtsverfahren nicht darauf berufen kann (dazu Teil 2 Rn. 296 ff.).
Lern- und Wiederholungsfragen zu Teil 1 I.:
1. | Identifizieren Sie einige nationale, europäische und völkerrechtliche Regeln, die einen internationalen Warenkauf berühren können. |
2. | Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten bestehen zwischen dem Wirtschaftsvölkerrecht und den völkerrechtlichen Grundlagen des Einheitsrechts? |
3. | Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten bestehen zwischen dem Wirtschaftsvölkerrecht und dem Außenwirtschaftsrecht? |