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IM HOTEL

STEFFEN STELLT SEINEN KOFFERAB UND GEHT FLANIEREN

»Schulz, kommen Sie doch erst einmal an. Leben Sie sich ein bisschen ein!«

Weise Worte seines Chefs, denkt Steffen. Wie ein artiger Mitarbeiter hat er bei der ersten Gelegenheit gemeldet, dass er wohlbehalten in Australien angekommen ist.

Doch so einfach ist das natürlich nicht mit dem Ankommen und dem Einleben. Seine eigentliche Unterkunft ist erst zum Monatsanfang bezugsfertig, sodass er die ersten Tage in einem durchaus schicken Hotel verbringen darf. Und zumindest da hat es jemand gut mit ihm gemeint, befindet Steffen. Sein Hotel liegt in Bondi, unweit des weltberühmten Strandes. Es hat viele Sterne und sehr einladende Betten – eine Wohltat nach dem langen Flug. Nur kommt es, wie es kommen muss: Im Flieger hat Steffen noch Glück gehabt, doch im Hotel hat er offenbar ein schreiendes Baby im Nachbarzimmer. Oder nicht nur eins, sondern gleich zwei, so, wie da geknatscht wird …

STRAND DER DINGE

Dass Steffen glaubt, von schreienden Babys umgeben zu sein, ist übrigens kein Zufall, sondern eine typisch australische pragmatische Lösung für ein einfaches Problem. Da die Kosten, frischgebackene Mütter im Krankenhaus unterzubringen, so immens hoch sind, werden sie kurzerhand für eine Woche in ein Fünf-Sterne-Hotel geschickt. Das ist in der Tat günstiger – und vermutlich sogar angenehmer für alle Beteiligten!

Dass Steffen in Bondi einquartiert wurde, dürfte ein Glücksfall sein. Der Strand zählt zu den berühmtesten der Welt – auch wenn er nicht anders ist als die Strände ein paar Hundert Meter weiter. Dennoch illustriert der »Mythos Bondi« wunderbar, dass sich das Leben in Australien draußen abspielt – und zwar nicht irgendwo, sondern am Strand.

Irgendwie ist es viel zu früh, um schlafen zu gehen. Und irgendwie müsste Steffen seinen ersten Tag down under auch feiern. Andererseits ist er viel zu müde, um noch etwas Großes zu unternehmen. Daher entscheidet er sich am frühen Abend, zumindest für ein Stündchen spazieren zu gehen: einmal die Strandpromenade entlang, mal sehen, was Australien so bietet.

Und es gefällt ihm. Zwar ist Steffen auf Anhieb nicht klar, was Bondi so besonders machen soll, aber ein schöner Strand ist es allemal. Auch ist er ein wenig erleichtert, dass zumindest Sydney nicht so exotisch ist, wie er es sich vorgestellt hat. Weit und breit keine Kängurus, dafür viele Asiaten, die auch hier zu wohnen scheinen. Und natürlich Touristen ohne Ende.

Doch eine gute Stunde voll erster Eindrücke sind an diesem Tag genug. Nach einem kurzen Happen im Hotel (auf Firmenkosten) entschließt sich Steffen, der Versuchung nachzugeben und erst einmal vernünftig zu schlafen. Minuten nachdem er sich ins Bett geworfen hat, schläft er ein.

Und dann wacht er wieder auf. Lange geschlafen hat er, tief und ohne Unterbrechung. Ausgeschlafen fühlt er sich auch, doch auf der Uhr auf dem Nachttisch lacht ihm »4:21 AM« entgegen. Och nö, denkt Steffen und dreht sich noch einmal um. Draußen ist es noch dunkel und still – bis auf das Meeresrauschen –, doch einschlafen kann er nicht mehr. Gute zwei Stunden kämpft er mit Kissen und Decke, dann gibt er auf und beschließt, den Tag mit einem üppigen Frühstück zu beginnen – der ersten richtigen Mahlzeit, seit er Deutschland verlassen hat, und das muss vor … drei Tagen gewesen sein!?

Im Frühstücksraum angekommen, ist er ohne Zweifel der erste Gast. Empfangen wird er von demselben Kellner, der ihn am Vortag schräg angeguckt hat, als Steffen erfolglos versucht hat, zu seinem Sandwich ein Sprudelwasser zu ordern. Nun weist er ihm einen Tisch direkt an der Fensterfront zu, an dem Steffen die Aussicht aufs Meer genießen kann. Der Himmel ist noch immer wolkenverhangen, es ist ziemlich windig und Regen liegt in der Luft. Dabei hieß es gestern noch, es solle aufklaren. So hatte er sich das in Sydney aber auch nicht vorgestellt …

»Meinen Sie, es wird heute regnen?«, fragt er den Kellner.

»Vielleicht. Ich bin da nicht sicher«, lautet seine knappe, aber professionell höfliche Antwort, bevor er davontippelt, um Kaffee zu holen. Steffen lädt in der Zwischenzeit seinen Teller voll mit Speck, Eiern, Bohnen und etwas, was ihn an die Rösti aus der Tiefkühltruhe erinnert, die man in Deutschland bekommt. Dazu noch Toast und – wie Steffen entzückt feststellt – Vegemite. Davon hat er schon gehört: Angeblich seien Australier verrückt nach dem Zeug! Also muss etwas dran sein, denkt sich Steffen, und verteilt eine großzügige Portion auf seinem Toast.

Einen Biss später ist sein erstes australisches Trauma perfekt. Es ist, als würde er einen Brühwürfel lutschen – und das auch noch zum Frühstück, auf nüchternen Magen.

»DELIKATESSEN«

Keine Frage, gutes Essen findet sich auch in Australien. Dennoch ist es für den Neuankömmling faszinierend bis schockierend, mit der ur-australischen »Küche« konfrontiert zu werden. Ob Australiens Vegemite oder das faktisch identische Marmite aus Neuseeland besser schmeckt, ist Thematik unzähliger Diskussionen zwischen den Einwohnern beider Nationen. Ebenso streitet man sich leidenschaftlich darüber, welches Land die Pavlova erfunden hat – eine nach einer russischen Tänzerin benannte Sahnetorte mit Früchten, über die man sich nach Ansicht Außenstehender wahrlich nicht streiten müsste. Die Schuld für die Erfindung von Lamingtons liegt aber alleine bei den Australiern: Dabei handelt es sich um einen Biskuitkuchen mit Schokolade und Kokosnussraspeln, der im Idealfall mit Sahne und Erdbeermarmelade »verfeinert« wird.

Zum Glück ist niemand im Raum, der sehen kann, wie Steffen den Bissen unansehnlich in einer Papierserviette entsorgt und danach mit viel Saft versucht, den salzigen Nachgeschmack aus seinem Mund zu spülen. Der Kellner scheint etwas zu ahnen, als er kurz darauf den Kaffee serviert. Schon wieder guckt er Steffen so komisch an. Und es wird nicht besser, als Steffen fragt, ob es denn auch Brot gäbe.

Doch, klar, weißes und braunes, erklärt der Kellner und deutet auf den Toast am Buffet. Dann trottet er von dannen und lässt Steffen mit seinem Kaffee und seinen Gedanken allein.

Komisch, denkt Steffen. Draußen klatschen die ersten Regentropfen an die Scheibe.

What an arse! Was ist da schiefgelaufen?

Ganz einfach: Steffen hat noch nicht realisiert, dass er jetzt am anderen Ende der Welt ist. Dort, wo die Sonne einen halben Tag früher aufgeht und wo die Leute einen anderen/komischen Geschmack haben.

Kurzum: Australien ist nicht für sein gutes Essen berühmt. Sollten Sie bei Ihrer nächsten Weltreise Hunger verspüren, empfiehlt sich der Umweg über Australien nicht aus kulinarischen Gründen. Dafür ist der Einfluss der britischen Küche zu stark, und noch hat sich keine eigenständige australische Küche etabliert. Ein Nationalgericht etwa existiert down under nicht – das »gute Essen« ist international, vor allem asiatisch.

Was es dafür aber in rauen Mengen gibt, sind mehr oder weniger zweifelhafte Delikatessen. Dazu zählt auch das von Steffen todesmutig gekostete Vegemite.

Zu dick aufzutragen, ist natürlich ein Anfängerfehler, der einen als unwissenden Ausländer entpuppt. Das allein fände der Australier – hier repräsentiert durch den Kellner – sicher noch komisch, doch bedient Steffen der Reihe nach alle Klischees des typisch deutschen Reisenden. Der will Sprudel, den es nicht gibt, »echtes« Brot, das es genauso wenig gibt, und steten Sonnenschein, den es natürlich auch nicht gibt. Damit bedient er genau die Stereotype, die Australier nerven, die mit Touristen zu tun haben (und das sind viele!).

Was können Sie besser machen?

Tja, gekostet haben sollte man Vegemite schon. Do as the locals do, heißt es doch so schön. Und der Australier behauptet auch, Vegemite sei gesund – schließlich enthalte das Hefeextrakt ungezählte Vitamine, die die Kinder groß und stark und pausbäckig werden lassen. Wer das Abenteuer wagen möchte, braucht eine Schutzbrille und zwei Gummihandschuhe. Dann kann man die Paste hauchdünn (!) auf seinen Toast auftragen und, äh, genießen. Direkten Hautkontakt gilt es zu vermeiden. Wer das Erlebnis daheim nachstellen möchte, kann mit Maggi gurgeln.

Vegemite steht aber nur stellvertretend für die australische Küche. Sicher, auch hier gibt es unzählige internationale Restaurants, in denen man lecker essen kann – aber die einheimische Kost bleibt meist hinter den Erwartungen zurück. Wundern Sie sich also nicht, wenn man Ihnen mit viel Trara Speisen serviert, die zehnmal besser aussehen, als sie schmecken.

Zu den Klischees: Australier lieben Klischees. Über jedes Land, das bei ihnen zu Besuch ist, gibt es welche. Auch das wird Steffen noch auf die harte Tour lernen (siehe Episode 34). Doch irgendwann ist es auch gut, und wenn er zum 127. Mal im Monat gefragt wird, warum es denn kein Brot gebe, ist auch der charmanteste Kellner genervt. In Deutschland fänden Sie es auch albern, wenn man sie zum 127. Mal fragt, wo denn die Ramen-Nudeln seien. Oder warum Sie denn gar keine Lederhosen tragen.

Dazu noch der Hinweis: Unter Brot (bread) versteht der Australier Toast; unter toast versteht er getoasteten Toast. Wer als Deutscher aber nicht auf seinen täglichen Fix Backwaren verzichten mag, kann sich an die deutschen Bäckereien halten, die in den Großstädten wie Pilze aus dem Boden schießen (einfach der Nase nach!). Und Sprudel ist in Australien eine Rarität; wer Wasser bestellt, bekommt stilles Mineralwasser.

Wichtig ist nur, locker zu lassen. Wir sind nicht mehr in Deutschland – und Teil des Spaßes ist es auch, seine comfort zone zu verlassen, samt Selters und der Wettervorhersage nach der Tagesschau.

Fettnäpfchenführer Australien

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