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IM ZUG

STEFFEN STEIGT IN DIE BAHN UNDSUCHT DIE PASSENDEN WORTE

»Ja, da kann ich Ihnen die Blue Mountains empfehlen …, wenn Sie da noch nicht gewesen sind?«

Steffen schüttelt den Kopf. Er hat noch keine richtige Tour unternommen.

»Die sind auch nicht weit von hier!«, sagt die Dame an der Rezeption und erklärt ihm mit Karte und Stift, wie er die Blue Mountains am besten erreichen kann. Kurz darauf macht sich Steffen auf den Weg zum Bahnhof, wo er den Zug besteigt, der ihn in zwei Stunden nach Katoomba bringen soll. Es ist ein herrlicher Tag für einen Ausflug. Ganz Sydney muss arbeiten, nur Steffen scheint Zeit zu haben, in die Berge zu fahren, um dort in der Sonne umherzuspazieren. Und: Vom Dauerregen ist auch keine Spur mehr.

MITTEN INS BLAUE

Die nächstliegende Empfehlung für einen schönen Tagestrip aus Sydney heraus ist auch die am nächsten liegende: Nur gute zwei Zugstunden von den Toren der Metropole entfernt befinden sich die Blue Mountains, eine große Hügelkette, die dem ziemlich ähnlich sehen dürfte, was die meisten Menschen sich spontan unter Australien vorstellen.

Für viele Reisende ist es die erste Begegnung mit der australischen Wildnis und das erste Mal, dass sie vor einem Panorama stehen und zufrieden »Ah!« sagen können. Der Name Blue Mountains ist übrigens auf die Eukalyptusbäume zurückzuführen, deren Ausdünstungen die Luft blau zu färben scheinen.

Zwar sind die großen Orte in den Blue Mountains – allen voran Katoomba – touristisch voll erschlossen, aber dennoch gehen nur wenige Meilen davon entfernt in den scheinbar endlosen Wäldern regelmäßig Wanderer verloren, manchmal auch für immer. Der Ausflug lohnt sich in jedem Fall – aber seien Sie vorbereitet: In den Bergen kann der Nebel sehr hartnäckig sein.

Nach einer guten halben Stunde Fahrt ist Steffen tief in Gedanken versunken. Er starrt aus dem Fenster auf die vorbeiziehenden Häuser und realisiert, dass Sydney wirklich riesig sein muss.

»Hallo – ist hier noch frei?«, wird er aus seinen Tagträumen gerissen.

»Äh, ja, natürlich«, antwortet Steffen. Etwas ungelenk kommt sein Englisch noch daher, aber schließlich ist er neu im Land.

»Du bist nicht von hier, oder?«, fragt ihn die Frau, als sie sich ihm gegenüber hinsetzt. Irritiert stellt Steffen fest, dass es sich nicht nur um eine äußerst hübsche Frau handelt, sondern dass sie mit ihm plaudern möchte – und nicht umgekehrt.

»Nein. Ich komme aus Deutschland – aber woher wusstest du …«

»Der Akzent verrät dich!«, sagt sie und lacht. »Aber mach dir nichts draus. No worries!«

Und schon ist Steffen verloren in der Wunderwelt des australischen Small Talks. Für die nächste Stunde fragt ihn seine Mitreisende über seine Pläne aus und gibt ihm im Gegenzug ein paar Tipps. Katoomba, ja, das sei nett, aber so touristisch … da gebe es wirklich noch ein paar einsamere Fleckchen. Und überhaupt gebe es in Sydney so viel zu sehen und zu tun … Steffen erzählt noch ein bisschen über seine Arbeit, sie plaudert von ihrem Literaturstudium.

»Huch, ich muss gleich aussteigen!«, stellt sie dann überrascht fest. »Da haben wir uns wohl festgequatscht.« Hastig verabschiedet sie sich und lässt Steffen wieder allein – und der wundert sich über das, was gerade passiert ist. Ob alle Australier so drauf sind?

In Katoomba angekommen ist es kurz nach Mittag – aber dem Jetlag sei Dank ist Steffen bereits wieder äußerst hungrig. Sein Appetit treibt ihn in einen unscheinbaren Imbissladen, wo ihn die Bedienung mit einem begeisterten »Hello!« empfängt.

Steffen entscheidet sich für ein belegtes Brötchen, zum Mitnehmen. Kaum ist die Bestellung aufgegeben, fragt ihn die Bedienung, wie denn sein Tag so verlaufen sei.

»Hm?«

»Na, haben Sie einen guten Tag?«

Für einen Moment muss Steffen nachdenken. Dann wird ihm klar: Ja. Gut. Sehr gut sogar. Er kann gar nicht klagen. Auch hier wird er nun nach seinen Plänen für den Tag gefragt und bekommt ein paar Tipps mit auf den Weg – und zum Schluss sein belegtes Brötchen. Zwar bleibt das hinter den Erwartungen zurück, aber spätestens bei der Aussicht auf die Blue Mountains ist das vergessen. Steffens erster Eindruck von Australien ist: ziemlich gut.

That’s a beaut! Was ist da richtig gelaufen?

In diesem Fall: fast alles. Denn Steffen hat die beste Seite der Australier kennengelernt: ihre freundliche, aufgeschlossene und unkomplizierte Art.

Das Fettnäpfchen lauert an dieser Stelle eher dort, wo diese Freundlichkeit missinterpretiert wird. Überraschend oft hört man Nonsens à la »Ich habe mal gehört, australische Frauen fänden deutsche Männer toll«, auch mit vertauschten Geschlechterrollen. Da ist natürlich der Wunsch Vater des Gedankens (man schätzt Mitteleuropa für vieles, aber ein sexy Image hat keine der Nationen nirgendwo, erst recht nicht in Australien), doch ist dieses Missverständnis verzeihlich. Denn wie Steffen wird es den meisten Reisenden irgendwann passieren, dass sie in eine Konversation verwickelt werden, die freundlich ist und unaufdringlich – und das kennt man aus heimischen Gefilden eher dann, wenn der andere Hintergedanken hat. Doch in Australien ist es Bestandteil der Kultur. Plaudern, auch mit Wildfremden, gehört einfach dazu.

Was können Sie noch besser machen?

Fleißig mitmischen! Anfangs ist es ein wenig schwer, sich daran zu gewöhnen, dass die meisten Aussies einem Schwätzchen nicht abgeneigt sind, sei es – wie hier – im Zug oder auf dem Campingplatz oder in der Bank oder beim Metzger.

Zwar bleibt die Unterhaltung oft oberflächlich, aber wer sich an Land und Leuten interessiert zeigt, gewinnt hier die besten Einsichten. Von der Sprachbarriere sollte man sich keinesfalls abhalten lassen, auch wenn viele Australier schnell genervt sind, wenn es denn mit dem Englischen nicht so hinhaut (siehe Episode 15).

Doch bleibt es nicht nur bei der Unterhaltung. Schnell wird man feststellen, dass die meisten Australier auch hilfsbereit sind. Keine Hemmungen also, wenn man sich verlaufen hat – oder gar Schlimmeres passiert. Auch wenn es unangenehm ist: In kaum einem anderen Land der Welt muss man sich so wenig Sorgen machen, wenn man an einem einsamen Highway liegen bleibt. Dass man anderen hilft, ist in so einer Situation für Australier selbstverständlich. Die Hilfsbereitschaft und Offenheit, die manche dabei an den Tag legen, ist wirklich erstaunlich. Jeder Australienreisende kennt so eine Geschichte, in der etwa ein paar Leute nachts keine Unterkunft mehr finden – und dann von einem Australier in seinem Haus aufgenommen werden, einfach so, ohne Gegenleistung.

Es gilt also: Übung macht den Meister. Und auch Small Talk will gelernt sein. Wer aber an dieser Stelle über seinen Schatten springt, wird nicht nur sein Englisch verbessern, sondern auch die besten Tipps für seine Reise mit auf den Weg bekommen. Und zu guter Letzt gilt es, die Gastfreundschaft auch zu genießen!

Fettnäpfchenführer Australien

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