Читать книгу Fettnäpfchenführer Australien - Markus Lesweng - Страница 9
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IM FLIEGER
STEFFEN BEKOMMT DIE KALTE SCHULTERUND KANN NICHT SCHLAFEN
Steffen weiß immer noch nicht so recht, worauf er sich da eigentlich eingelassen hat.
»Schulz, Sie sind der richtige Mann für diesen Job!« Das waren die Worte seines Chefs, vorgetragen mit einem etwas zu festen Schlag auf die Schulter. Kurz darauf hatte er ihm etwas von »einem Job in Sydney« erzählt, wo er »für ein paar Monate« die Firma vertreten solle. »Nichts Wildes«, aber man brauche jemanden, der sein Handwerk verstehe.
Zuerst fühlte sich Steffen ein wenig überrumpelt. Australien – das ist verdammt weit weg. Und überhaupt, solche exotischen Destinationen sind üblicherweise nicht sein Ding. Weiter als bis auf die Kanaren ist Steffen nie gekommen, auch wenn er von einer Reise nach New York immer geträumt hat. Aber Australien – das ist ein ganz anderes Kaliber!
Doch nach einer Weile hatte sich Steffen mit dem Gedanken angefreundet. Für eine Zeit lang Deutschland den Rücken zu kehren und mal etwas anderes zu erleben, würde sicher nicht schaden. Außerdem ist die Bezahlung gut. Und in Australien ist schließlich auch noch nicht jeder gewesen! Es könnte sehr interessant werden, befand er, und der Karriere einen kleinen Schub geben.
Viel Zeit zum Organisieren blieb nicht. Die wichtigen Dinge – Flugticket, Visum, Unterkunft – wurden von der Firma erledigt. Steffen blieb nur, seine Siebensachen zu packen und sich seelisch auf Australien vorzubereiten. Doch auch hier hatte sein Chef einen Ratschlag auf Lager: »Ach, Schulz, nun machen Sie sich mal keinen Kopf. Sie werden schon mit den Aussies klarkommen.« Unter vier Augen sagte er ihm sogar, er solle die Zeit genießen. Nur bloß nicht die Arbeit vergessen!
Am Flughafen stellt Steffen ein wenig enttäuscht fest, dass die Firma es versäumt hat, ihm einen Fensterplatz zu reservieren. Zumindest aber, so tröstet er sich, darf er für die erste Hälfte des Trips neben einem jungen Mädchen sitzen, das er durchaus ansehnlich findet.
Doch über ein steriles »Hallo« kommt er zunächst nicht hinaus. Entgegen der Empfehlungen seines Chefs gibt es zwei, drei Dinge, die er noch vorbereiten möchte, und da es im Flieger ohnehin nichts Spannendes gibt, widmet sich Steffen einem Problem mit dem Aufbau einer Software, das ihm in den letzten Wochen keine Ruhe gelassen hatte.
Steffen ist sehr zufrieden mit sich, als er zwei Stunden nach dem Abflug immerhin drei Ansätze entwickelt hat, die sein Problem lösen könnten. In dem Moment kommt vom Sitz neben ihm ein leichtes Seufzen. Die junge Dame, die bis eben die ganze Zeit aus dem Fenster gestarrt hat, sucht nun eine andere Beschäftigung. Offenbar ist es zu dunkel, um noch etwas zu erkennen. Oder Polen ist von oben betrachtet uninteressant.
Das ist die Gelegenheit!, erkennt Steffen, als sie zu ihrem Reiseführer greift.
»Na? Auch eine Tour durch Australien geplant?«, ist das Beste, was ihm auf Anhieb einfällt.
»Mh«, bestätigt das Mädchen.
»Ist es dein erstes Mal in Australien?«, fragt Steffen. Etwas enttäuscht ist er daraufhin, weil es sich offensichtlich doch nur um eine der Backpackerinnen handelt, die überhaupt nicht wissen, was in Australien auf sie wartet, sondern glauben, dass down under immer die Sonne scheine.
AUSTRALIEN ODER NEUSEELAND ODER BEIDES ODER …
Bei so manchem Reisenden ist man sich nicht sicher: Will er nach Australien – oder bloß möglichst weit weg von daheim? Das spiegelt sich auch in der Reiseplanung wieder, wenn Australien und das Nachbarland Neuseeland gerne in einen Topf geschmissen werden. Stellen Sie sich vor, jemand würde umgekehrt um die halbe Welt reisen und dann beim Besuch in der Schweiz oder in Österreich sagen, das Land sei ja genau wie Deutschland … Auch wenn vieles in Neuseeland ähnlich läuft wie in Australien, ist das Land dennoch völlig anders (Flora, Fauna und Landschaften haben so gut wie nichts mit Australien gemein) und daher eine eigene Reise wert. Was übrigens bei den meisten Trips zu Unrecht vollkommen übersehen wird, ist das kompakte, aber enorm vielfältige Tasmanien. Hier erwarten den Reisenden abwechslungsreiche Landschaften auf kleinstem Raum, randvoll mit dem australischen wildlife.
»Das klingt aber toll! Ich wünschte, ich könnte auch so spontan unterwegs sein«, kommentiert Steffen ihre Pläne mit einem Augenzwinkern. Doch als er ihr mit einfachen Worten zu erklären versucht, was er in Sydney machen wird, blickt er in ein Gesicht, das zu sagen scheint: Mit Computern kenn ich mich irgendwie nicht so gut aus.
Dummerweise unterbricht die Flugbegleiterin ihr Geplauder an dieser Stelle mit dem Abendessen. Und Steffen denkt sich: Hoffentlich sind die Leute in Australien wirklich etwas lockerer drauf. Deutsche Frauen erkennen einen Flirt ja nicht mal, wenn er sie im Clownskostüm anspringt.
Da seine Sitznachbarin kurz nach dem Essen keine Anstalten mehr macht, sich mit ihm zu unterhalten, beschließt Steffen, wenigstens ein paar Stunden zu schlafen. Es gelingt ihm mehr schlecht als recht.
Crap! Was ist da schiefgelaufen?
Mit den Erwartungen ist es so eine Sache. Nicht, dass man sich nicht auf Australien freuen sollte – das Gegenteil ist der Fall! –, aber es gilt, mit den richtigen Erwartungen an die Reise heranzugehen.
Die größte Überraschung für die meisten Reisenden ist in der Tat, dass Australien weniger exotisch ist als angenommen. Sicher, Flora und Fauna sind einzigartig, aber es ist gar nicht so leicht, beides außerhalb von Zoo und botanischem Garten kennenzulernen. Und wer von Stadt zu Stadt reist, wird Australien durchqueren können, ohne ein einziges Känguru zu sehen. Davon abgesehen: Es ist sehr leicht, sich bei den Distanzen zu verschätzen, die zwischen den einzelnen Sehenswürdigkeiten liegen. Das Bild, das Sie vielleicht gerade vom Outback im Kopf haben, liegt womöglich in einer sehr unzugänglichen Gegend, Tausende Kilometer von der nächsten Großstadt entfernt, und wurde vom Vollprofi fotografiert und nachbearbeitet.
Weniger exotisch als angenommen ist Australien auch, weil es schlichtweg keine ungewöhnliche Destination mehr ist. Das Land hat sich erfolgreich als Alternative zu den USA etabliert (»das bessere Amerika«) und zieht nicht nur deswegen Jahr für Jahr Millionen von Besuchern aus aller Welt an. Fast die Hälfte von ihnen kommt mit dem Ziel, Urlaub zu machen. Auch wenn sich das Land mittlerweile globaler Beliebtheit erfreut, gerade auch bei den Asiaten, wird man einer erstaunlichen Zahl von Touristen aus Westeuropa begegnen, vor allem auf den Backpackerpfaden an der Ostküste, wo es einige Hostels gibt, in denen Deutsch die Amtssprache zu sein scheint.
Von entscheidender Bedeutung ist die Frage, wie man den Aufenthalt in Australien organisiert oder, genauer gesagt, welches Visum man wählt. Australien bietet eine Vielzahl an Visa für so ziemlich jede erdenkliche Lebenssituation. Da Steffen von seiner Firma geschickt wurde (und das nicht als erster Mitarbeiter), kann er davon ausgehen, dass für ihn das richtige Arbeitsvisum ausgewählt wurde. Auch beim beliebten Working Holiday Visa kann man nicht viel falsch machen. Doch für alle anderen Anlässe gilt es, sich vorher schlauzumachen – und zwar gründlich, denn mit Detailfragen sind selbst die australischen Behörden gerne überfordert.
Was können Sie besser machen?
Diese Frage muss jeder für sich individuell beantworten. Wer zum Beispiel nach Australien reist, um sein Englisch zu trainieren, wird an den beliebten Destinationen der Ostküste womöglich enttäuscht. Da kann es schon mal passieren, dass keiner im Mehrbettzimmer vernünftig Englisch kann, die Dame von der Rezeption aber fließend Deutsch spricht. Wer also seine Fremdsprachenkenntnisse polieren möchte, muss den Kontakt mit den echten Australiern suchen, möglichst außerhalb der viel besuchten Orte.
Genauso sollte sich jeder Besucher fragen, was ihn eigentlich nach Australien zieht. Sind es die Sehenswürdigkeiten – oder vielleicht doch die Fauna? Wer Sightseeing betreiben will, ist in den Großstädten gut aufgehoben. Wer die australische Tierwelt kennenlernen möchte, muss raus aus der Stadt, hinein in den Busch – oder nach Tasmanien. In jedem Fall gilt: Es mag verlockend sein, Australien für einen Strandurlaub zu nutzen, aber das Land bietet viel zu viel, als dass man so eine reine Badetour empfehlen könnte.
Einfacher ist die Frage, was es beim Visum zu beachten gilt. Australien ist, anders als etwa das benachbarte Neuseeland, keine Nation, die jedermann einfach so mit offenen Armen empfängt. Pauschal gilt, dass jeder, der das Land betritt, ein Visum benötigt. Doch welches?
Wie oben bereits angedeutet: Das Working Holiday Visa, zugeschnitten auf junge Reisende, die nebenbei jobben möchten, ist eigentlich idiotensicher. Auch ein einfaches Transitvisum für wenige Tage lässt sich schnell organisieren. Mittlerweile geschieht dies natürlich online und, selbstverständlich, gegen üppige Vorauszahlungen per Kreditkarte, die auch dann nicht erstattet werden, wenn der Antrag abgelehnt wird.
Für alle anderen Anlässe empfiehlt sich die genaue Recherche. Und auch wenn die unbefriedigend ausfällt, sollte man sich nicht entmutigen lassen. Genau wie bei komplexeren Problemen: Kann ich von einem Working Holiday auf ein anderes Visum wechseln, ohne das Land verlassen zu müssen? Online steht vielleicht eine Info, am Telefon sagt man Ihnen was anderes, und per E-Mail erreicht Sie eine dritte Meinung. Man gewinnt den Eindruck, dass die Vielzahl an möglichen Visa auch die Behörden überfordert, vom Personal am Flughafen, das die Visa kontrollieren muss, ganz zu schweigen. Eine Kopie des Visums sollte man daher stets bei sich tragen – und man sollte exakt wissen, was drinsteht, damit man sich notfalls behaupten kann.
Es gilt folglich, bei Unstimmigkeiten hartnäckig nachzufragen, bis man zu einer zufriedenstellenden Lösung kommt. Keinesfalls aber sollte man die falsche Form der Aufmerksamkeit auf sich ziehen, denn mit der australischen Immigrationsbehörde ist nicht gut Kirschen essen. Sollte der Eindruck entstehen, man würde sich nicht an die Regularien seines Visums halten (etwa sich mit einem Urlaubsvisum ein paar Dollar dazuverdienen), wird es schnell unangenehm. Da kann es schon mal passieren, dass man aufgefordert wird, seine virtuellen Arschbacken zu spreizen und etwa seine E-Mail- und Facebook-Passwörter herauszugeben, damit ein paar Agenten genüsslich die persönlichen Nachrichten auf Hinweise durchforsten können, ob man etwas Unlauteres im Schilde führt.
Daher: Das falsche Visum auszuwählen, kann ärgerlich sein, sich nicht an die Visumsbedingungen zu halten, ist ein absolutes Tabu. Wer erwischt wird, fliegt – und das auf eigene Kosten.