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BÖSES ERWACHEN

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Als sie aufwachte, überkam sie eine heftige Übelkeit. Den beißenden Geruch des Betäubungsmittels spürte sie immer noch in der Nase. Eleonore Berger saß an Händen und Füßen gefesselt auf einem Stuhl in einem feuchten Sandsteingewölbekeller, in den fahles Licht durch vier schmale Kellerfenster hereinschimmerte. Ein Knebel steckte in ihrem Mund, der mit einem Klebstreifen an ihren Wangen befestigt war. Bloß nicht übergeben, dachte sie. Das könnte tödlich enden. Jetzt galt es, besonnen zu sein. Blitzschnell rekonstruierte sie, was geschehen sein musste. Sie erinnerte sich daran, wie die Außentür des Kellers mit einem Mal aufgesprungen war und sie daraufhin hastig mit dem Schlüssel am Schloss der Tür, die vom Keller in den Wohnraum führt, herumhantiert hatte, als sie von hinten ein kräftiger Arm umklammerte und ihr von einem üblen Geruch schwarz vor Augen geworden war. Danach: Filmriss.

Und jetzt dieser merkwürdige Keller, der muffig nach abgestandenen Spirituosen, nach Bier und kaltem Tabakrauch stank. Ein paar altmodische Kneipentische und unbequeme Holzstühle standen im Raum verteilt. In einer Ecke befand sich etwas, das saussah wie eine Bar mit Regalen an der Wand. Über dem Tresen hing eine Vitrine von der Decke, in der verschimmelte belegte Brötchen und Bretzeln lagen. Es war wohl eine verlassene Kneipe oder etwas Ähnliches. Dann erinnerte sie sich an das Telefonat mit Schätzle, der sie beruhigen wollte als sie realisierte hatte, dass sie im Begriff war entführt zu werden. Solche Dilettanten!

Von ihrem Peiniger war keine Spur. Er rechnete wohl nicht damit, dass sie so schnell wieder aufwachen würde.

Die Wand mit den Kellerfenstern grenzte an eine vielbefahrene Straße. Unentwegt donnerten schwere Lastwagen am Haus vorbei und verdunkelten den Raum für einige Augenblicke. Die Erschütterungen brachten die Gläser in den Wandregalen immer wieder leise zum Klirren. Hoffentlich gab es hier keine Mäuse oder gar Ratten, schoss es ihr durch den Kopf. Ein Wimmern entfuhr ihr, durch den Knebel in ihrem Mund.

Der Entführer hatte ihre Beine gefesselt, aber sie könnte sich mit dem Stuhl nach vorn beugen. Ihre Füße reichten bis zum Boden. Die Beine waren knapp unterhalb ihrer Knie mit breiten Kabelbindern am Stuhl festgezurrt. Ihre Hände hatte der Entführer hinten mit der Stuhllehne zusammengebunden. Der Strick schnitt ein und es schmerzte. Sie könnte hüpfen und sich im Raum bewegen. Aber was würde es nützen?

Dann fiel ihr Blick auf die Sandsteinmauer. Die raue Oberfläche der Steine. Daran könnte sie das Klebeband abschaben. Sie würde ihre Wangen dabei sicher verletzen. Das war aber allemal besser als das, was sie in ihrer Situation zu erwarten hatte.

Noch etwas benommen, aber fest entschlossen, beugte sie sich mit dem Stuhl leicht nach vorne. Der Gleichgewichtssinn spielte ihr einen Streich und sie wäre beinahe kopfüber gestürzt. Im letzten Augenblick ließ sie sich kraftvoll mit dem Stuhl zurückfallen. Mit einem lauten Krachen barst der Stuhl, und sie stürzte rücklings auf dessen Einzelteile. Das morsche Stück hatte die Aktion nicht überstanden und zerlegte sich unter der Wucht des Aufpralls. Der Rücken tat ihr höllisch weh. Das würde blaue Flecken geben.

Der gebrochene Teil der Lehne hatte so viel Spielraum gelassen, dass sie die Fesseln abstreifen konnte. Ihre Hände waren nun frei. Sie beugte ihren Oberkörper nach oben und winkelte die Beine an. Mit wenigen Handgriffen zog sie die Stuhlbeine aus den Beinfesseln und riss das widerspenstige Klebeband mit einem Ruck vom Mund. Das tat höllisch weh. Dann spuckte sie den Knebel aus und stand auf.

Das Smartphone. Sie betastete ihre Brust. Es war noch da. Was ein Glück, dachte sie, zog es unter ihrer Bluse hervor, wo sie es nach dem letzten Telefonat vor der Entführung von oben in den BH gesteckt hatte. Sie wählte die Nummer von Schätzle. Besetzt. Danach versuchte sie es bei ihrem Mann im Gericht.

»Was ist los, Eli?«, fragte er.

»Man hat mich entführt. Ich weiß nicht, wo ich bin. Lass die Polizei mein Handy orten. Und bitte beeil dich. Ich weiß nicht, wann der Entführer wiederkommt«, flüsterte sie mit zittriger Stimme und legte gleich wieder auf.

Eleonore lief dann zur Eingangstür, die einige Treppenstufen höher lag. Sie rüttelte einige Male an der verschlossenen Tür und gab schließlich auf.

Hinter dem Tresen sah sie die Umrisse einer weiteren Tür. Sie lief zu ihr und drückte die Klinke. Die Tür sprang auf. Dahinter lag ein fensterloser, düsterer Kellerraum mit Getränkevorräten. Sie tastete nach einem Lichtschalter und fand ihn neben der Tür. Eine trübe Funzel beleuchtete ihn kaum mehr als das Licht durch die offene Tür. Am anderen Ende der Kammer war eine weitere Tür. Doch diese ließ sich weder durch Drücken noch durch Ziehen öffnen. Sie saß nach wie vor in der Falle. Nur eine Chance gab es noch: In der Tür zum Lokal steckte ein Schlüssel. Sie verschloss die Tür, setzte sich im Vorratsraum auf eine Bierkiste und tippte auf ihrem Smartphone das Wiederholungssymbol für den letzten Anruf. Dann hob sie es ans Ohr und wartete. Kein Rufzeichen. Sie schaute auf das Display. Kein Netz.

Was sollte sie jetzt tun? Noch einmal in den Gastraum gehen und es dort versuchen? Oder lieber in der Vorratskammer bleiben und abwarten? Sie entschied sich dafür, in der Kammer abzuwarten, was geschehen würde. Wenn ihr Mann schnell gehandelt hatte, wäre die Ortung sicher erfolgreich, und die Polizei wäre in null Komma nichts da. Sie setzte sich erneut auf die Bierkiste und wartete. Und wartete. Die Minuten wurden zur Ewigkeit.

Dann hörte sie durch die verschlossene Tür, dass sich in der Gastwirtschaft etwas bewegte. Kalter Schweiß schoss ihr auf die Stirn und sie knipste den Lichtschalter vorsichtig aus. Sie fing an zu zittern. Er war wieder da.

»Das gibt’s doch nicht. Die kann doch nicht weg sein«, hörte sie eine laute Männerstimme schreien. Stühle und Tische wurden verrückt. Sobald er den kaputten Stuhl entdeckte, würde er sich einen Reim darauf machen, was passiert war. »Wo verdammt ist sie?« Sie konnte es so deutlich hören, als ob er neben ihr stünde. Dann hörte sie die Klinke der Tür zur Vorratskammer knacken. Jemand stemmte sich gegen sie. Aber sie gab nicht nach. Dann ein Stoß. Ein zweiter. Und noch einer, jetzt wuchtiger. Die Tür sprang auf und der große, breitschultrige Mann stand im Türrahmen. Er füllte ihn fast vollständig aus. Das trübe Licht im Hintergrund umstrahlte seine scherenschnittartige Silhouette wie durch eine Traumlinse. Sie starrte ihn einige Augenblicke lang an, konnte sein Gesicht aber nicht erkennen. Es musste der Mann sein, den sie mit ihrem Smartphone einige Stunden zuvor fotografiert hatte.

Klima Killer

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