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VOR VIERZEHN MONATEN

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Zu unvorsichtig drehte Renz die Drahtschlinge auf, die den Korken in den Flaschenhals der Champangerflasche presste. Der Korken knallte heraus wie ein Geschoss und hinterließ an der Schallschutzdecke eine Delle, bevor er von einer der Wände abgelenkt auf den Boden seines Büros donnerte und wie ein aufgezogenes Spielzeugauto zwischen den Beinen der Anwesenden weiterfegte. Der edle Perlwein quoll schäumend aus der Flaschenöffnung. Eilig schoben sich Sektgläser darunter.

Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Renz’ Abteilung versammelten sich in seinem Büro, um die Annahme der Beschwerde in Karlsruhe gemeinsam mit seiner Geschäftsführerkollegin Engler und einem der Vorstände zu begießen. War eine Beschwerde erst einmal angenommen, war schlagartig alles offen. Die Freude war groß.

»Wenn ich ganz ehrlich bin, hätte ich darauf gewettet, dass die Karlsruher deine Beschwerde wie Gift behandeln«, zeigte sich Hardt überrascht.

»Wir sind noch lange nicht am Ziel«, relativierte Renz.

»Na hör mal«, fuhr Hardt in Feierlaune fort. »Wenn die in Karlsruhe sich schon mal die Köpfe zerbrechen, dann ist das die halbe Miete.«

»Ja, da hast du wohl recht«, meinte Renz und nippte lustlos an seinem Glas.

Renz kämpfte gerade an mehreren Fronten. Seine Frau hatte ihn verlassen und verlangte ohne Vorwarnung die Scheidung. Und was ihn noch viel schlimmer traf: Sie beanspruchte das alleinige Sorgerecht für die beiden Kinder. Renz schien wie paralysiert und versuchte dennoch fröhlich zu wirken. Engler prostete ihm zu und stellte sich neben ihn.

»Was ist los mit dir, du siehst nicht gerade glücklich aus?«, flüsterte sie ihm zu.

»Lass uns nach nebenan gehen«, sagte er und deutete auf die Tür zu seinem Sekretariat.

»Das kannst du jetzt nicht machen, sie sind wegen dir hier. Das käme nicht gut an«, antwortet sie und lehnte sich an die Fensterbank.

»Okay, dann nachher«, sagte er und wandte sich mit einem gezwungenen Lächeln seinem Team zu. Sie mochten ihn und unterstützten ihn bei seinen Aktivitäten. Sie begleiteten ihn auch gerne zu den Demonstrationen. Er hatte immer wieder spektakuläre Aktionen ideenreich ausgetüftelt, die die Aufmerksamkeit der Presse und der Öffentlichkeit stets auf die Organisation und ihre Ziele lenkten.

Dass das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde zur Entscheidung annahm, kam für die meisten überraschend, obwohl sie es sich sehr gewünscht hatten. Umso stolzer waren sie auf ihren Chef.

Der hingegen sah aus wie ein Häufchen Elend. Viele wussten, was los war, aber sie sprachen nicht darüber. Jedenfalls nicht in seiner Gegenwart. Und schon gar nicht mit ihm.

Nach dem Umtrunk und dem üblichen Tratsch gingen alle wieder in ihre Büros. Lediglich Engler stand mit ihrem leeren Glas lässig an die Fensterbank gelehnt und wartete, bis die Letzten das Büro verlassen hatten.

»So, jetzt aber! Was ist los mit dir?«

»Du weißt ja sicher, dass es bei uns zuhause nicht zum Besten steht«, sagte Renz, und seine Augen wurden glasig.

»Nein, das wusste ich nicht. Aber das kommt sicher wieder ins Lot«, tröstete sie ihn.

»Leider nein. Es sieht nicht so aus.«

»Ist es ’was Ernstes?«

»So könnte man es nennen«, fuhr er fort. »Anne ist vergangene Woche ausgezogen. Sie hat tagsüber, während ich hier war, einen Umzugswagen kommen lassen und die Hälfte der Möbel mitgenommen. Die Kinder natürlich auch. In dem Brief, den sie zurückließ, schrieb sie, dass sie es nicht mehr länger mit mir aushalten könne. Ich sei ständig unterwegs und würde sie und die Kinder nur schlafend sehen. Dann könne sie auch gleich woanders leben. Sie will die Scheidung und die Kinder.«

»Weißt du denn, wohin sie gezogen ist?«

»Ich nehme an zu ihrer Mutter. Sie hat ein großes Haus am Wannsee. Weißt du, Anne kommt aus begüterten Verhältnissen. Seit dem Tod ihres Vaters haust ihre Mutter in dem viel zu großen Haus und fühlt sich von Gott und der Welt im Stich gelassen. Ich bin nicht sicher, ob das nicht der eigentliche Grund für die Probleme zwischen Anne und mir ist. Meine Schwiegermutter hat Anne in der Vergangenheit immer wieder mit Wünschen und Forderungen unter Druck gesetzt. Betreutes Wohnen oder ein Altenheim kamen für sie nicht infrage. Wenn es jemand auch nur erwähnte, drehte sie sofort durch. Da hat sie lieber uns terrorisiert.«

»Das wusste ich nicht. Das ist …, das ist ja fürchterlich.«

»Da ist noch was«, sagte er und schaute ihr in die Augen.

»Mach’s nicht spannend.«

»Anne ist schwanger.«

»Dann wird ja doch alles wieder gut.«

»Das glaube ich eher nicht.«

»Wieso nicht?«, fragte sie neugierig.

»Das Kind ist nicht von mir.«

»Oh! Weißt du von wem?«

»Nein. Dass sie schwanger ist, weiß ich auch erst seit gestern. Ich habe zigmal versucht sie auf ihrem Handy anzurufen. Gestern hat sie dann endlich abgenommen. Bei der Gelegenheit erzählte sie es mir. Nicht aber, von wem sie schwanger ist und wo sie sich mit den Kindern einquartiert hat. Selbst nach den vielen Jahren Ehe haben wir uns geliebt. Jedenfalls dachte ich das. Wäre da nicht diese Hexe von Schwiegermutter, hätte uns sehr wahrscheinlich nichts und niemand auseinanderbringen können. Meine Arbeit war ihr wegen den Arbeitszeiten zwar von Anfang an ein Dorn im Auge, sie fand aber die Ziele, die wir verfolgen, immer gut und unterstützte sie auch.«


»Was machst du jetzt?«, fragte Engler und fasste ihn an beiden Händen. Er senkte den Kopf und räusperte sich.

»Ich habe keine Ahnung, wie es ausgeht. Ich werde mich hier reinhängen, so gut ich kann. Vielleicht ist das auch ganz gut so. Ich habe mehr Zeit für die Arbeit und vor allem: Ich habe kein schlechtes Gewissen, wenn es mal später wird.« Sie ließ seine Hände los und sah ihn besorgt an.

Klima Killer

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