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Schwarzglänzend
ОглавлениеSchwarze Nässe. Feuchtglänzend erstreckt sich das frische Schwarz des ausgehenden Winters und des bald kommenden Frühlings. Vollgesogen mit Schmelzwasser und Regen die vermodernde Basis des Neuen bildend. Grobkörniger schwarzer Dreck. Feingranular flüssiger, schwarzer Schlamm. Plattgedrückt schwarz verfaulendes Grün. In den Augen brennend, an den Füssen klebend. Sich verspritzend überall verteilendes, flüchtiges Schwarz. Schwer, feucht, erdig riechend. Gehaltvolles, nahrhaftes Schwarz. Klammer Schatten des Winters, schmieriger Vorbote des aufkeimenden Frühlings. Schwarzdurchnässte, sich ausbreitende Feuchte.
Er läuft erwartungsvoll auf die Isar zu. Gespannt, wie sie sich heute darstellen wird. Es ist morgens, die Luft frisch, die Sonne gerade hinter den Wolken aufgetaucht. Das Schwarz der Nacht gerade verblasst. So früh sind noch nicht ganz so viele Leute unterwegs. Die Isar und die Stadt wachen gerade auf, während er schon munter ist. Er schaut nach links auf die Isar, läuft rechts der Isar in Richtung der weit entfernten Donaumündung. Sieht das Wasser, die ersten Enten, die sich noch müde mit dem Wasser treiben lassen. Sieht, wie die Sonnenstrahlen die letzten noch verbliebenen Herbstblätter bunt erleuchten. Sieht die noch nicht abgetrocknete Morgenfeuchtigkeit auf den immergrünen Blättern und den Grashalmen. Er läuft ohne auf den Weg zu achten, den Blick von links nach rechts und wieder zurück schweifen lassend. Läuft an einer Staustufe vorbei und hört das erst lauter und dann mit zunehmender Entfernung wieder leiser werdende Rauschen des Wassers, das über die Stufe weiß schäumend nach unten stürzt und, eine kleine Walze bildend, sich wieder glättend weiterströmt. Er läuft an einigen wenigen anderen Joggern vorbei. Bekannte Gesichter, unbekannte Personen. Er spürt den vom gestrigen Regen aufgeweichten samtigen Boden unter den Füssen. Überspringt kleine Pfützen. Weicht Fliegen und anderen umherschwirrenden Insekten aus, versucht die zwitschernden Vögel zu erspähen. Läuft vom baumbestandenen Weg ins Freie, über eine Brücke. Spürt die Wärme der aufsteigenden Sonne, sieht über die freie Wasserfläche zurück. Sieht die frischen Nagespuren eines Bibers an einem mittlerweile rechtwinklig umgeknickt in der Isar liegenden Baumstamm. Die hellen frischen Späne am Boden.
Er läuft rechts abbiegend weiter. An alten ausgehöhlten, von Insekten durchbohrten, zersetzten, fast schon zu Staub zerfallenden Baumstämmen vorbei. An Brücken vorbei, unter Brücken hindurch. In und um München herum ist die Brückendichte über die Isar hoch. Während sonst etliche Kilometer lang keine Brücke den Wechsel auf die andere Isarseite erlaubt, überspannt hier mindestens alle paar hundert Meter eine Brücke den Fluss. Verbindet beide Seiten zu einer Einheit. Macht den Fluss auch von der Wassermitte aus erlebbar. Bietet einen Blick aus der Vogelperspektive auf die Wasseroberfläche hinab. Er läuft vorbei an Feldern, über kleine Seitenkanäle und Bäche. Erfreut sich an der durch für Strommasten geschlagene Schneisen scheinenden Sonne. Läuft nun fast direkt auf die Sonne zu. Der Weg an der Isar größtenteils flach steigt mal auf mehrere Meter über dem Wasserspiegel an, um dann wieder fast auf dasselbe Niveau mit dem Wasserspiegel hinabzuführen. Führt mal direkt am Wasser lang, um dann von Bäumen und Büschen, mal auch durch eine Wiese oder eine größere Baumgruppe vom Wasser getrennt zu werden. Hat schattig kühle und sonnig schwüle Passagen. Irgendwann kehrt er um, läuft an den nun mehr werdenden anderen Joggern, Radfahrern und Fußgängern vorbei. Sieht die Isar nun aus der anderen Perspektive. Fühlt sich locker und leicht. Spürt keine Anstrengung. Erfreut sich an der wärmer werdenden Luft und einer nun aufkommenden leichten Brise. Läuft nun mit der Sonne im Rücken in den Morgen hinein, in einen neuen Arbeitstag. Aus der beruhigenden, gefühlt unberührten Natur in die umtriebige Stadt hinein. Mit neu gesammelter Energie und Motivation. Ausgepowert und doch energiegeladen.