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Spielzeug

Es ist noch gar nicht so lange her, da hat Dirk feststellen müssen, dass er erwachsen geworden war. Stets hatte er sich bemüht, seine kindliche Sicht der Dinge zu bewahren, doch letztendlich hatte ihn die Realität eingeholt und von seinen kleinen Fantastereien unaufhörlich weiter und weiter entfernt. Diese Erkenntnis hatte ihm eine einfache Fernbedienung beschert.

Beim Besuch des Elternhauses, aus dem er schon seit fünf Jahren ausgezogen war, fiel ihm die Fernbedienung des alten Fernsehers in die Hände. Irgendwie hatten seine Hände sie im Laufe des Abends ergriffen und nicht mehr losgelassen. Während des gemeinsamen Essens behielt er sie unbewusst auf seinem Schoß und später, als sie noch ein wenig miteinander sprachen, befingerte er unablässig die altmodisch großen Knöpfe, die mit verblassten Zahlen und Symbolen betitelt waren.

Später, auf dem Nachhauseweg, stellte er fest, dass das Gerät in seiner Jackentasche war.

Seltsam, wie man starke Assoziationen mit einem so alltäglichen Gegenstand verknüpfen konnte. Solange er denken konnte, gab es diesen Fernseher mit dieser klobigen Fernbedienung. Als kleines Kind war die Fernbedienung für ihn aber viel mehr gewesen. In unbeobachteten Momenten hatte er mit ihr ganze Sternenkriege ausgefochten. Der kleine Kasten war in seiner Fantasie ein gigantisches Raumschiff. Die Knöpfe waren die Startschächte für kleinere Jagdschiffe, die mit bösen Zylonen, Klingonen und Polyestern kämpften. Am Ende von diesen Geschichten wurde das Raumschiff nach einem heroischen Kampf vernichtend getroffen und es stürzte in Zeitlupe auf einem ungastlichen Planeten ab. Theatralisch zerschellte es in den Canyons des Sofas oder des Sessels. Erst dann verwandelte es sich in eine simple Fernbedienung zurück.

An diesem Abend – er hatte zunächst darüber nachgedacht, ob er die Fernbedienung noch schnell zurückbringen sollte – versuchte er, ob es noch klappte. Konnte sich die Fernbedienung immer noch in ein Raumschiff verwandeln? Summend versuchte er, Maschinengeräusche zu imitieren. Mit der Hand führte er das Gerät in einer imaginären Flugbahn um sich herum. Schon kam er sich albern vor: In der Hand hielt er immer noch eine alte abgenutzte Fernbedienung. Sein Alter schien ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Heute ist Dirk verheiratet. Er hat zwei Kinder, für die er jede freie Minute opfert. Überrascht hat er erkannt, dass sie gerne mit den Fernbedienungen der Stereoanlage Raumschiff spielen. Sein Sohn spielt mit der vom CD-Spieler, seine Tochter nimmt die vom Tape.

Und er selbst nimmt die vom Verstärker. Gemeinsam kämpfen sie gegen die bösen Zylonen, Klingonen und Polyester.

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