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VII. Kants Praktische Philosophie und die Kausalität aus Freiheit
ОглавлениеMit dieser kritischen Neubestimmung des Kausalitätsprinzips und des Freiheitsbegriffs, wie er selbst aus der Perspektive der theoretischen Vernunft denkmöglich ist, muss entsprechend auch die Freiheit, die wir für unsere Handlungen und unseren Willen in Anspruch nehmen, neu begründet werden. Wenn als frei nur bezeichnet werden kann, was nicht durch das Gesetz von Ursache und Wirkung determiniert und entsprechend unter der Kategorie der Kausalität zu erkennen ist, kann man weder sinnvoll sagen, dass der Mensch frei ist, noch, dass ihm ein freier Wille im Sinne einer empirischen Eigenschaft zugeschrieben werden kann. Das ergibt sich daraus, dass mit der Auflösung der Antinomie in der Kritik der reinen Vernunft die Freiheit des Willens nur negativ, als Unabhängigkeit von vorhergehenden, bestimmenden Ursachen, charakterisiert ist. Doch um zu wissen, woran wir im Handeln unseren Willen orientieren sollen, wenn nicht an den darauf ohnehin schon wirkenden Einflüssen, bedarf es einer positiven Bestimmung dieser Freiheit. Wie dies in einem praktischen Sinne möglich ist, zeigt Kant in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten und der zweiten Kritik, der Kritik der praktischen Vernunft. Beide Untersuchungen rekurrieren zur Veranschaulichung zunächst auf einen grundlegenden Anspruch, den wir als Handelnde auch im Alltag an uns selbst und an andere richten. Es ist der Anspruch, wie Kant es einmal in einer Reflexion formuliert, dass alle menschlichen Handlungen auch hätten „nach der Vernunft geschehen“ können.61 Damit behauptet er nicht etwa, dass wir tatsächlich jederzeit nach der Vernunft und nach vernünftigen Zwecksetzungen handeln; in der Regel, das ist auch Kant klar, sind unsere Handlungen sehr wohl von Einflüssen geprägt und durch Impulse bestimmt, die wir uns vielleicht gar nicht jedes Mal klarmachen. Dass unsere Handlungen auch „nach der Vernunft“ und damit nach vernünftigen Maßgaben und Normen „hätten“ geschehen können – das aber ist eine normative Aussage. Sie fordert, dass die Prägungen und Impulse, die unseren Willen bestimmen, kritisch reflektiert und daraufhin geprüft werden sollen, ob sie vernünftig sind. Doch worin besteht die Vernünftigkeit, an der wir unsere Willensbestimmung ausrichten sollen, sodass sie bzw. die entsprechenden Handlungen auch als frei gelten können?
Kant hat diese Frage mit dem Begriff der Autonomie, der Selbstgesetzgebung, beantwortet. Nur wenn wir unsere Handlungen nach einem Gesetz ausrichten, das wir uns selbst geben und das uns auch inhaltlich nicht fremdbestimmt, sind wir in unserem Handeln tatsächlich frei. Nicht gemeint ist damit, dass wir uns ein beliebiges Gesetz geben und danach richten sollen. Es kann vielmehr, betont Kant, nur ein Gesetz geben, das unserem Handeln tatsächlich beides eröffnet: Freiheit und Vernünftigkeit, nämlich das Gesetz des Willens selbst. Und entsprechend hebt er in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten hervor: „Der Satz aber: der Wille ist in allen Handlungen sich selbst ein Gesetz, bezeichnet nur das Princip, nach keiner anderen Maxime zu handeln, als die sich selbst auch als ein allgemeines Gesetz zum Gegenstande haben kann. Dies ist aber gerade die Formel des kategorischen Imperativs und das Princip der Sittlichkeit: also ist ein freier Wille und ein Wille unter sittlichen Gesetzen einerlei“.62
In der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten entwickelt Kant diese nicht ganz einfachen Gedanken Schritt für Schritt auf folgende Weise: Unter dem Willen versteht man die Fähigkeit, sich nicht nur durch Interessen und Neigungen bestimmen zu lassen, sondern sich nach Prinzipien unabhängig von solchen, fraglos stets zur Wirkung drängenden Ursachen, auch selbst zu bestimmen63 und entsprechende „Gegenstände“ hervorzubringen. Was unter „Gegenständen“ in diesem Zusammenhang verstanden werden muss, wird im Folgenden noch erläutert. Dazu muss jedoch vorausgesetzt werden, dass die Regel dieser Selbstbestimmung des Willens auf dem Freiheitsbegriff, nicht auf dem Naturbegriff beruht. Lässt sich der Wille dagegen von natürlichen Antrieben und Interessen leiten, so geht er darin auf, nur eine diesen Antrieben jeweils entsprechende „Wirkung hervorzubringen, die nach Naturbegriffen der Ursachen und Wirkungen möglich ist“.64 In dieser Funktion erweist er sich gerade nicht als ein praktisches, sondern bloß als ein „Naturvermögen“,65 dessen Regeln aus der Erkenntnis von Gesetzmäßigkeiten der natürlichen Welt gewonnen werden. Doch ein solches Prinzip oder Gesetz unseres Willens und Handelns kann nicht per Abstraktion aus unseren Handlungen gewonnen werden, denn dann wäre es nur eine Beschreibung tatsächlichen Handelns und seiner Ursachen. Aber auch die Nennung bestimmter Güter wie der Gesundheit, des Reichtums oder einer der Tugenden führt nicht zu der gesuchten Gesetzgebung des Willens. Denn ob das jeweilige Gut als Handlungsziel auch vernünftig ist, hängt davon ab, um welcher weiteren Ziele willen es verfolgt und aus welchen Gründen es angestrebt wird. Ein Gesetz, das uns Autonomie eröffnet und abverlangt, kann schon aufgrund der wechselnden Umstände keine bestimmten Handlungen vorschreiben, schließt Kant. Es muss sich vielmehr auf die Maximen, also auf die subjektiven Grundsätze des Willens, die das jeweilige Handeln bestimmen, richten.66 Als ein solcher Grundsatz, an dem eine Person ihr Handeln ausrichtet, könnte die Formulierung gelten: „Ich will in meinem Handeln nach Möglichkeit fremde Glückseligkeit fördern“ oder „ich will versuchen, die mir gegebenen Anlagen auszubilden und zu vervollkommnen“. Nicht als Maximen im kantischen Sinne aber gelten konkrete und daher kontextgebundene Handlungsregeln wie etwa, „Ich werde jedem, der in Not ist, Geld geben“ oder „Wenn es nicht regnet, gehe ich jeden Morgen laufen“. Inhaltliche Vorschriften dieser Art, die bestimmte Handlungszwecke vorschreiben, würden nicht nur unter bestimmten Bedingungen zu absurden Konsequenzen führen, sondern den Willen auch heteronom bestimmen. Daher kann das gesuchte Prinzip auch nur ein formales Gesetz sein.
Die einschlägige Stelle in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, die diesen Zusammenhang verdeutlicht, lautet: „Da nun der Wille aller seiner Antriebe beraubt ist, so bleibt ihm nichts als die allgemeine Gesetzmäßigkeit der Handlungen überhaupt übrig, d. i. ich soll niemals anders verfahren als so, daß ich auch wollen könne, meine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden.“67 Mit dieser Formulierung ist das Gesetz der Freiheit und Vernünftigkeit angegeben, weil es im Begriff und in der Struktur des Willens selbst gewonnen ist. Entsprechend ist der Wille nur „frei“ zu nennen, wenn er sich selbst das Gesetz gibt und dadurch ein Wille zur Vernunft ist. Das Gesetz dieser Autonomie aber ist zugleich auch „das moralische Gesetz“,68 wie Kant betont. Er befreit damit die praktische Vernünftigkeit von allen zeitbedingten Wertbestimmungen und Vorstellungen und fordert lediglich, die Gesetzestauglichkeit der Maximen zu prüfen. Kant nennt dieses Gesetz einen „kategorischen Imperativ“ und ist der Überzeugung, damit expliziert zu haben, was in praktischer Hinsicht vernünftig ist und damit auch allein den Grund für jegliche Verpflichtung darstellt. Entsprechend sind wir dazu verpflichtet, dieses Gesetz als obersten Handlungsgrundsatz anzunehmen, so gesehen also „aus Pflicht“ heraus zu handeln und zugleich alle unsere konkreten Handlungsgrundsätze (Maximen) nach Maßgabe dieses Gesetzes zu prüfen.
Im sogenannten Krämerbeispiel aus der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten69 wird die Forderung, den kategorischen Imperativ anzunehmen und „aus Pflicht“ zu handeln, vermittels des Kontrastes zu bloß pflichtmäßigen Handlungen deutlich gemacht. Dass ein Krämer „seinen unerfahrnen Käufer nicht übertheure, und wo viel Verkehr ist, thut dieses auch der kluge Kaufmann nicht sondern hält einen festgesetzten allgemeinen Preis für jedermann, so daß ein Kind genauso gut bei ihm kauft als jeder andere“, dies, meint Kant, sei in jedem Falle eine Frage der Klugheit und des eigenen Vorteils, ließe aber nicht schon darauf schließen, dass der Kaufmann auch „aus Pflicht und Grundsätzen der Ehrlichkeit“ so handelt. Letzteres könnte freilich der Fall sein, wenn der Krämer das Gesetz der Freiheit, den kategorischen Imperativ, tatsächlich als Grundsatz seines Handelns angenommen hätte und auch dann nach ihm handeln würde, wenn kein Vorteil daraus erwüchse oder ein Betrug sicher unentdeckt bliebe.
Im Grunde, betont Kant, handelt es sich bei der Formulierung des kategorischen Imperativs nur um eine theoretische Explikation eines praktischen Wissens, über das alle Handelnden bereits verfügen. Die Leistung der Philosophie sei hier also nicht „im mindesten etwas Neues zu lehren“, sondern liege vielmehr darin, die Leute „wie Sokrates […], auf ihr eigenes Prinzip aufmerksam“ zu machen70 und die damit verbundenen Folgen für unsere kritische Prüfung zu systematisieren. Oft nämlich gerieten die Handelnden in eine Art natürlicher Dialektik und begännen, gerade wenn das Gebot der Vernunft ihren Interessen und Neigungen zuwiderlaufe, auch gegen die Ansprüche des kategorischen Imperativs zu argumentieren oder, wie es Kant ausdrückt, „zu vernünfteln“.
Doch auch wenn wir den Anspruch der Autonomie und Vernünftigkeit tatsächlich aneinander richten und der kategorische Imperativ als Prinzip des Willens überzeugend erscheint, ist dies noch kein Beleg dafür, dass wir diesen Ansprüchen auch entsprechen können. Überhaupt sollen wir, betont Kant, für die Erklärung von Handlungen nicht unmittelbar die Freiheit als Grund unterstellen. Vielmehr sollten wir zunächst versuchen, Handlungen nach dem Kausalprinzip zu erklären und nach Ursachen Ausschau halten. Um die Bedingtheit unseres Handelns zu erkennen, können wir auf bereits erforschte, gesetzmäßige Zusammenhänge, sei es der Physiologie, der Psychologie oder auch der Soziologie, zurückgreifen. „Bisweilen aber“, meint Kant schon in der ersten Kritik,71 „finden wir, oder glauben wenigstens zu finden, dass [auch – Erg. der Verf. in] die Ideen der Vernunft wirklich Kausalität in Ansehung der Handlungen des Menschen, als Erscheinungen, bewiesen haben, und dass sie [die Handlungen – Erg. der Verf.in] darum geschehen sind, nicht weil sie durch empirische Ursachen, nein, sondern weil sie durch Gründe der Vernunft bestimmt waren.“ Eine solche Verursachung durch Vernunft, genauer: durch „Ideen der Vernunft“, anzunehmen, ist in solchen Fällen naheliegend,72 in denen die Handlungserklärung auf der Grundlage der Kausalität von Ursache und Wirkung für den konkreten Fall keine plausiblen Ergebnisse hervorbringt, wohl aber Freiheit, respektive: das entsprechende Gesetz der Freiheit, der kategorische Imperativ, Zwecke und Handlungsziele zu bestimmen vermag, mit denen sich die betreffende Handlung verständlich machen lässt.
Im „Galgenbeispiel“ der Kritik der praktischen Vernunft richtet jemand gegen die gewiss starke Wirkung des Selbsterhaltungstriebes (den wir als eine wirkende „Naturursache“ annehmen können) sein Handeln auf ein moralisches Ziel und erwägt, sogar die Hinrichtung in Kauf zu nehmen, statt eine falsche Zeugenaussage gegen den Freund zu tätigen. Dass wir dies ebenso wie der Protagonist des Beispiels zumindest für möglich und für moralisch hoch zu schätzen und in diesem Sinne vernünftig halten, ist nach Kants Ansicht ausreichend, um deutlich zu machen, dass die „Kausalität aus Freiheit“ nicht nur zur Erklärung planvollen Handelns sinnvoll ist, sondern dass eine „Kausalität aus Freiheit“ insbesondere zur Erklärung eines Handelns unter der Zielsetzung der Idee der Freiheit und unter ihrem Gesetz angenommen werden muss. Die „Ursachen“, die in Zusammenhängen dieser besonderen Kausalität ausgemacht werden, sollten daher auch nicht als „Ursachen“ bezeichnet werden, denn sie sind eigentlich Gründe, wie Kant in der Einleitung zur Kritik der Urteilskraft betont.73 Zu „Gründen“ können auch Prägungen und Impulse werden, allerdings erst, wenn sie in einer bewussten Reflexion nach Maßgabe des kategorischen Imperativs als Zwecke gesetzt werden. Auch deshalb bezeichnet Kant die „Kausalität aus Freiheit“ als eine „Kausalität aus Zwecken“ und unterscheidet sie auch terminologisch als teleologische Erklärung von der Naturkausalität, in der Erscheinungen nach Ursache und Wirkungszusammenhängen bestimmt werden.
Diese kritische Prüfung von Prägungen und Impulsen des Willens ist aber mehr als nur die Wahl zwischen Alternativen, die den Willen als Naturursachen bestimmen. Freiheit nur als eine solche Wahlfreiheit zu verstehen, hält Kant aus begrifflichen Gründen für problematisch.74 Zwar meinen diejenigen, die die menschliche Freiheit auf das Vermögen der freien Wahl gründen, dass sie sich dabei nur auf eine empirisch beobachtbare Eigenschaft des menschlichen Handelns bezögen, tatsächlich aber bezeichnet schon der Begriff der „freien Wahl“ keinen Erfahrungsgegenstand und auch keine empirische Eigenschaft eines Handelnden. Denn die Freiheit, die sich in einer beobachtbaren Wahlhandlung vorgeblich zeigt, kann darin selbst gar nicht beobachtet werden. Freiheit ist, wenn sie tatsächlich den spontanen Anfang einer Handlung erklären soll, ja gerade keine Erfahrung und kann deshalb auch nicht mit Erfahrungssätzen begründet werden. Eine beobachtete Wahl zwischen Alternativen ist nur scheinbar zwingend aus der Annahme von Freiheit zu erklären: Das Zustandekommen der Wahl könnte nämlich ebenso gut aus empirisch nachweisbaren Ursachen abgeleitet werden. Weil nun der Begriff der „Wahl“ das zu erklärende Merkmal – die Freiheit der Wahl – gar nicht notwendig enthält, so setzt man, wenn man mit seiner Hilfe freie Handlungen zu erklären meint, die Freiheit darin einfach nur voraus, statt dass man sie begründet. Der Begriff der Freiheit muss deshalb aus Begriffen der Vernunft und deren besonderer Art der Kausalität erklärt werden.
Die Behauptung einer „Kausalität aus Freiheit“ hat Kants praktischer Philosophie bis in die Diskussion der Gegenwart hinein viel Kritik eingebracht. Schon die Formulierung ist mindestens missverständlich, wenn nicht irreführend, weil Kausalität dadurch immer wieder mit der Naturkausalität und dem Kausalitätsprinzip in Verbindung gebracht wird. Noch mehr aber irritiert die Annahme, dass ein Wille auf der Grundlage einer besonderen, nicht-zeitlichen Form der Verursachung und damit scheinbar völlig unabhängig von den Determinationen durch die Kausalität der Natur, Handlungen und „Gegenstände“ als Wirkungen hervorbringen könne. Kant selbst allerdings ist von dieser Konzeption – obwohl sie schon von seinen philosophischen Zeitgenossen mit schwerwiegenden Einwänden bedacht wurde – nicht abgerückt. Im Gegenteil: In fast allen seinen Schriften kann man auf die verschiedensten Bemühungen treffen, die Freiheitsidee, die damit verbundene Behauptung einer „Kausalität aus Freiheit“ und den darauf gegründeten Willensbegriff weiter zu präzisieren und gegen Einwände zu verteidigen.
Der Sache nach hängt von der Klärung der Konzeption einer „Kausalität aus Freiheit“ vieles ab, was an die Möglichkeit von Freiheit geknüpft ist: Moralität, Verantwortung, Zurechnung – kurz der gesamte Bereich dessen, was wir handelnd gestalten können.
Man würde allerdings den lediglich explanatorischen Status beider Kausalitätsbegriffe verkennen, wenn man meinte, dass die darin angegebenen Ursachen, die ja im einen Falle besser „Gründe“ genannt werden müssen, direkt entsprechende Handlungen bewirken oder unmittelbar auf Ereignisse in der Welt Einfluss nehmen müssten, um ihre explanatorische Kraft zu erhalten. Die teleologische Erklärung des Handelns verlöre vielmehr sofort ihre Überzeugungskraft, wenn man in ihr die Angabe eines Zwecks gleichsetzte mit der Bestimmung eines intentionalen (oder mentalen) Zustandes, der eine konkrete Handlung verursacht. Die Leistung einer teleologischen Handlungserklärung liegt vielmehr darin, einen heuristischen Prozess zur Bestimmung eines Handlungszieles zu leiten. Selbst wenn wir versuchen, Handlungen soweit wie möglich aus Naturursachen zu erklären, kann die teleologische Kausalerklärung in diesen Fällen produktiv zum Einsatz kommen. Gerade wenn nämlich die jeweils besondere Handlung auf der Grundlage der Erklärung der Naturkausalität unterbestimmt bleibt und die betreffende Handlung daher als zufällig erscheinen muss, leitet sie uns auf mögliche Bestimmungen dieser Handlung. Auf der Grundlage der Kausalität aus Freiheit und ihres Gesetzes, des kategorischen Imperativs, lassen sich manche Handlungen, wie sie etwa das Galgenbeispiel veranschaulicht, als Wirkungen der Idee der Freiheit bestimmen, wenn wir für bestimmte Handlungen das Ziel, dem Sittengesetz zu folgen, als Grund unterstellen können. Genau für diese Fälle hält es Kant für angemessen, die Idee der Freiheit auch zu den „Tatsachen“ zu rechnen. Aber man muss dabei berücksichtigen, dass es sich nicht um dieselbe Klasse von „Tatsachen“ handelt, wie es die beobachtbaren Wirkungen dieser Idee, die Handlungen, sind. Die Idee der Freiheit ist insofern eine „Tatsache“, als sie für uns ein „Gegenstand“ ist, von dem wir durch das Bewusstsein des kategorischen Imperativs wissen.
Doch wie können Handlungen, die aus einer Kausalität aus Freiheit hervorgehen, als „Tatsachen“ auf die Welt Einfluss nehmen, wenn diese naturgesetzlich bestimmt ist? Könnte es nicht sein, dass sich unsere Autonomie und die moralischen Handlungsziele, zu denen uns der kategorische Imperativ verpflichtet, in dieser Welt nicht verwirklichen lassen, weil deren Gesetze dies verhindern oder zumindest nicht fördern? Mit diesen Fragen ist das Problem des konkreten Zusammenhangs und der wechselseitigen Einflussnahme von Naturkausalität und Kausalität aus Freiheit angesprochen. Kant beschäftigt sich damit in seiner dritten Kritik, der Kritik der Urteilskraft, und zur Lösung des Problems muss der Nachweis erbracht werden, dass die jeweiligen Kausalitäten von Natur und Freiheit, auch wenn sie begrifflich strikt voneinander unterschieden werden müssen, dennoch beide in einer, nämlich unserer Welt, mit Aussicht auf Erfolg zur Anwendung gelangen können. Es muss sich zwischen ihnen ein systematischer Zusammenhang herstellen lassen, damit sich nicht zwischen der Kausalität der Natur und der der Freiheit eine unüberbrückbare „Kluft“ auftut. Die kritische Statusbestimmung der beiden Formen von Kausalität erweist sich auch für das Gelingen dieses Vorhabens als zentrale Voraussetzung.