Читать книгу Lancaster SCHOOL - Marlie Nea - Страница 10

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-Liz-

Da war ich nun, um meinen Plan in die Tat umzusetzen.

Vorsichtig schloss ich die Tür zum Abstellraum.

Gestern war mir die Möglichkeit vor die Füße gefallen, endlich ein paar Antworten auf meine Fragen zu bekommen.

Die Antworten, die ich bis jetzt erhalten hatte, reichten mir nicht.

Ich war sicher, dass uns irgendetwas verschwiegen wurde.

Also entweder das oder alle Beteiligten hatten etwas ganz Wichtiges übersehen. Oder ich reagierte über, aber die Möglichkeit ignorierte ich geflissentlich.

Ich hatte den ganzen Tag darauf gewartet, meinen Plan endlich umzusetzen und jetzt am Nachmittag, sobald die Pflichtfächer vorbei waren, hatte ich mich direkt auf den Weg gemacht.

Gestern hatte ich, als ich nach einem kurzen Stopp im Aufenthaltsraum wieder zurück auf unser Zimmer gekommen war, versucht, so wenig wie möglich mit Mary Lou zu reden.

Wenn ihr der Tod eines Menschen nichts ausmachte, dann war das die eine Sache, aber dass sie es auch noch an die große Glocke hängen musste, eine andere.

Außerdem war ich in Gedanken und versuchte zu verarbeiten, was ich bei meinem, zugegeben nicht ganz freiwilligen, Stopp im Aufenthaltsraum gehört hatte.

Ich war gerade auf dem Weg zur großen Treppe gewesen, als zwei Männer in Arbeiterkleidung zwei große Leinwände die Treppe hochschleppten. Vermutlich waren sie auf dem Weg zum Kunstsalon, denn die kleine dicke Französin, die neuerdings an unserer Schule für den Kunstunterricht zuständig war, winkte sie vorwärts.

Leider verursachten die Männer einen Stau, da sie die vier Meter breite Treppe aufgrund der Leinwände komplett einnahmen.

Es kamen weder Schüler hoch noch runter und so staute es sich an beiden Enden. Alle sahen zu, wie die Männer sich mit den Leinwänden abmühten und dabei die ganze Zeit die aufgeregten Rufe der Lehrerin beachten mussten:

„Seien Sie bloß vorsischtisch! Die Leinwände sind seeer teuer! ´ier entlang!“ Ich versuchte erst gar nicht, mich an ihnen vorbei zu quetschen, was der einzige Grund war, weshalb ich einen Blick in den Aufenthaltsraum warf.

Ich war selten hier, denn mich interessierte es nicht allzu sehr, unter so vielen Menschen zu sein.

Zumal ich auch des Öfteren schräge Blicke wegen meiner gewöhnlichen Kleidung erntete, auf die ich gerne verzichten würde. Und das nur, weil ich lieber Jeans und T-Shirt trug, statt aufwendige Röcke und Blusen.

In dem großen Raum war nicht viel los zu der Zeit. Die meisten beschäftigten sich mit sich selbst, hingen vor dem Fernseher oder unterhielten sich leise. Die Stimmung war irgendwie beklemmend.

Gerade kramte ich eine Lakritzschnur aus meiner Jackentasche, als ich plötzlich ein Gespräch zwischen zwei Jungen aus dem zweiten Jahr vernahm.

Der eine klang etwas verzweifelt, weshalb ich aus Versehen neugierig lauschte.

„Wenn das ´rauskommt, dann habe ich echt ein Problem, hörst du?“ flüsterte der Blonde dem anderen, etwas kleinerem Jungen zu.

Beide trugen noch ihre Schuluniform.

Der andere zuppelte gerade seine Krawatte zurecht.

„Ist gut, ich sag’s ja niemandem. Aber kannst du mir das nochmal erklären? Wenn das stimmt, was du sagst, dann hättest du ja eine Wahnsinns-Entdeckung gemacht!“ sagte der Kleinere etwas lauter, woraufhin der Blonde schnell seinen Finger an die Lippen legte und sich nervös umschaute.

Schnell drehte ich mich etwas gegen eine Säule, so dass die beiden mich nicht sehen konnten.

Meine Neugier wurde sofort geweckt. Der Blonde seufzte.

„Na gut. Also nochmal: In der ganzen Schule führen Luftschächte entlang, dass hast du kapiert?“ Der Kleinere nickte.

„Gut. Im Grunde könntest du mit Leichtigkeit in jedes Zimmer einsteigen, denn alle Luftschächte sind miteinander verknüpft. Das ist eindeutig eine Sicherheitslücke.“

Ich blinzelte. Woher wusste der Blonde mit Brille denn sowas?

Ich war ehrlich beeindruckt. „Ich konnte leider nur einen kurzen Blick auf die Pläne werfen, sonst wüssten wir jetzt, wo wir suchen müssten.“

Der kleinere der Beiden schaute ihn beeindruckt an.

„Und das hast du dir alles gemerkt?“ Der Blonde schob seine Brille zurecht und zuckte mit den Schultern.

„Aber, wenn Direktor Taylor die Pläne hat, dann weiß er doch um die Lücke im Sicherheitssystem, oder?“

Der Kleine war auch nicht ganz blöd merkte ich beeindruckt.

Inzwischen hatten die Männer es endlich geschafft, die Leinwände in den ersten Stock zu transportieren. Leider hatte ich nun keine Ausrede mehr, um hinter der Säule herumzulungern.

„Vielleicht. Vielleicht ist er sich den daraus resultierenden Problemen aber auch nicht bewusst.“ Der Kleine grinste wissend.

„Ich habe schon eine Idee, wie wir uns das zunutze machen.“

Der Blonde betrachtete den anderen panisch. Worüber sprachen die beiden? Ich hätte wirklich gerne noch länger zugehört, aber mein Gewissen drängte mich, weiter zu gehen.

Auf dem Weg die Treppe hoch, dachte ich über das Gesagte nach.

Wenn es stimmte, was der Junge erklärt hatte, dann bedeutete das, dass man durch die Luftschächte auch lauschen konnte.

Und das hatte mich plötzlich auf eine großartige Idee gebracht! Wenn mir keiner meine Fragen beantworten wollte, dann würde ich mir meine Antworten eben selbst holen.

Und die Luftschächte waren eine perfekte Gelegenheit dazu!

In meinem Kopf hatte sich direkt der Umriss eines Plans geformt. Mir war die kleine Kammer wieder eingefallen, die sich nahe der Tür zum Büro des Direktors befand. Zum Glück hatte ich mir bei meinem Infogespräch vor fünf Jahren hier alles genau gemerkt. Es kam mir jetzt zugute, dass ich noch von der alten Besenkammer wusste. Sie war mir so gut im Gedächtnis geblieben, da ich mich damals gefragt hatte, was sich hinter der einzigen Tür ohne Schild verbarg.

Aber nach einem kurzen Hereinspähen, während mein Vater sich noch mit Direktor Taylor unterhalten und nachdem ich jede Menge Staub eingeatmet hatte, hatte ich beschlossen, die Tür lieber zu zulassen.

Jetzt blieb mir nur noch übrig zu hoffen, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag.

Und nun stand ich also mit einem Fuß in der besagten Kammer. Sofort kroch mir wieder der Staub in die Nase und ich musste ein Niesen unterdrücken. Der Raum war vollgestopft mit Eimern und Putzlappen. Eine alte Lampe ohne Schirm ging an, als ich auf einen kleinen Knopf drückte und ich schaute mich um, bis ich entdeckte, wovon der Junge gesprochen hatte.

Einen Luftschacht, der meines Erachtens direkt an das Büro des Direktors angrenzen musste. Innerlich gratulierte ich mir zu meinem Glück und Verstand.

Ich merkte richtig, wie sich die Euphorie in mir sammelte.

In diesem Moment hörte ich von außen, wie sich die Tür zum Büro des Direktors öffnete und schnell verschwand ich ganz in dem kleinen Raum. Geschwind zog ich die Tür hinter mir zu. Langsam bahnte ich mir meinen Weg über einen Eimer zum Luftschacht hin und drückte mein Ohr daran.

Ich hörte leider nichts bis auf ein leises Rauschen. Fast wollte ich mich schon enttäuscht wieder abwenden, doch dann konnte ich doch etwas vernehmen. Ein leises genervtes Murmeln, etwas in der Art wie:

„Probleme über Probleme… vom Halse schaffen.“

Die schnaufende Stimme von Direktor Taylor war unverkennbar.

Ich grinste und war stolz auf meine detektivische Meisterleistung. Es war unglaublich, aber man konnte tatsächlich von der alten Besenkammer aus das Büro des Direktors belauschen!

Ich wollte gerade wieder mein Ohr an den Luftschacht pressen, als mit einem Schwung die Tür geöffnet wurde und den Staub aufwirbelte.

Ich zuckte vor Schreck zusammen und ein Husten wurde hörbar. In meinem Kopf ging eine Alarmsirene an, denn ich hatte eindeutig nicht geplant, hier entdeckt zu werden. Und gerechnet hatte ich damit erst recht nicht.

Dann erkannte ich die Gestalt, die jetzt eintrat und hinter sich die Tür wieder schloss. Ich traute meinen Augen kaum.

Vor mir stand niemand anderes als Owen Smith.

Beliebt, Rugbyspieler und in meinem Schwimmkurs.

„Ganz schön stickig hier drin.“ bemerkte er überflüssigerweise, während ich ihn perplex anstarrte.

„Was machst du denn hier?“ fragte ich zögernd, nachdem ich meine Sprache wiedergefunden hatte.

War er mir etwa gefolgt?

Aber ich verwarf den Gedanken wieder, denn das war äußerst unwahrscheinlich.

„Ich bin dir gefolgt.“ sagte er, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Was? W-Warum?“ Es war völlig absurd. Er zuckte nur mit den Schultern und ich wünschte, ich würde nicht so stottern. „Naja, ich musste kurz mit dem Direktor… was bereden.“ sagte er ausweichend. In meinem Kopf ratterte es und ich suchte nach einer Lösung, um die Peinlichkeit zu überspielen, die den Raum erfüllte.

Gerade wollte ich schon beginnen, erneut etwas zusammen zu stottern, als mir mit einem Schlag etwas bewusst wurde.

Ich stand plötzlich stocksteif da und schlug mir eine Hand gegen den Mund.

Manchmal zweifelte ich wirklich an meiner Intelligenz. Von hier aus konnte man durch die Luftschächte hören, was im Nebenzimmer gesagt wurde.

Leider bedeutete das automatisch auch, das man alles, was hier gesagt wurde, ebenfalls im Nebenzimmer vernehmen konnte!

Der blonde Junge schaute sich um und grinste. Er setzte gerade an zu sagen:

„Die bessere Frage ist doch, was machst du…“ doch ich hielt ihm kurzerhand einfach den Mund zu.

Überrascht weiteten sich seine Augen. Ich konnte nicht zulassen, dass er einfach hier hereinkam und meinen ganzen großartigen Plan zerstörte.

Ich versuchte ihm mit Handzeichen verständlich zu machen, dass er gefälligst leise sein sollte, falls meine Hand auf seinem Mund noch nicht eindeutig genug war.

Nachdem ich sicher war, dass er nichts mehr sagen würde, deutete ich auf den Luftschacht neben mir. Ich hatte keinen Nerv, ihm die Sache jetzt zu erklären, weshalb ich einfach mein Ohr wieder dran presste und hoffte, Owen würde sich nicht bemerkbar machen.

Ich konnte die Rädchen in seinem Kopf förmlich rattern hören, als er plötzlich erstaunt die Augen weitete.

Kurzerhand kam er auf mich zu, stellte sich einfach neben mich und presste ebenfalls sein Ohr gegen den Luftschacht.

Unsere Gesichter waren nun dicht aneinander, weshalb ich automatisch einen Schritt zurück ging, um Abstand zu gewinnen, was meinem Gegenüber ein Grinsen ins Gesicht trieb.

Ich fand seine Reaktion zwar verirrend, hatte aber keine Zeit weiter darüber nachzudenken, da man soeben im Nebenzimmer das Telefon ringen hörte.

Gespannt hielt ich die Luft an.

„Taylor hier, ja bitte?“ hörte man die Stimme des Direktors etwas undeutlich. Es klang, als würde er durch ein langes dumpfes Rohr sprechen.

„Natürlich war es ein Unfall, ganz außer Frage… Die Schule kennt beinahe kein anderes Gesprächsthema mehr…. Ich werde es in der Lehrerkonferenz ansprechen.“ Ich fragte mich, mit wem er da telefonierte. Nach einer kurzen Pause sagte er noch:

„Nein, ich werde keine Fragen beantworten, weder von Journalisten noch von Schülern oder Eltern. Die offizielle Version muss reichen, verdammt nochmal!“ Ich zog meine Augenbrauen zusammen.

Direktor Taylor war unglaublich faul, es reichte nicht, dass er jedes Jahr dieselbe Rede hielt, nein, er war sich sogar zu schade, um Fragen über den Tod einer Schülerin zu beantworten. Aber damit würde er bestimmt nicht durchkommen.

Allein die Presse würde das verhindern.

Ärgerlich blickte ich zu Owen. Der zog bei meinem Blick nur überrascht die Augenbrauen hoch. Als es im Nebenzimmer wieder still wurde, war ich leicht enttäuscht.

Bis auf die Tatsache, dass der Direktor faul war, was ich eh schon gewusst hatte, hatte ich nichts Neues erfahren.

Andererseits, was hatte ich auch Großartiges erwartet?

Dass der Direktor allen Schülern eine brisante Information verheimlichen würde?

Dass er ausgerechnet in der Sekunde damit rausrücken würde, in der ich vom Nebenzimmer aus lauschte?

Inzwischen kam mir mein genialer Plan gar nicht mehr genial, sondern lächerlich vor. Langsam richtete ich mich wieder auf und machte Owen ein Zeichen, leise zur Tür zu gehen. Er nickte und als er die Tür öffnete, schaute er erst vorsichtig nach links und rechts den Gang runter, bevor er mich durch die Tür lotste.

Ohne ein Wort zu sagen, machten wir uns so schnell und unauffällig wie möglich auf den Weg aus dem Gang heraus und zurück in die Wohntrakte der Schüler.

Als wir um die Ecke bogen und wieder viele andere Schüler um uns herumliefen, atmete ich auf.

Ich wollte gerade durch die Treppe nach unten verschwinden, als Owen mich plötzlich am Arm festhielt.

Ich blickte mich erstaunt um, ihn hatte ich beinahe schon wieder vergessen.

„Ich finde, du bist mir eine Erklärung schuldig.“ meinte er.

Ich riss mich los und machte mich auf den Weg nach unten. Leider folgte er mir.

„Ich bin dir gar nichts schuldig. Du bist einfach in meine Angelegenheiten hereingeplatzt.“ sagte ich erhobenen Hauptes, um die Peinlichkeit zu überspielen. Als wir die Treppe hinunter waren, steuerte ich auf den Park der Burg zu.

Die Wolken, die heute Morgen am Himmel gewesen waren, hatten sich wieder verzogen und ließen die Sonne durchstrahlen.

„Deine Angelegenheiten?“ fragte Owen belustigt.

„Du meinst damit, in einem Abstellraum den Direktor zu belauschen?“ fügte er spöttisch hinzu.

Ich blickte mich alarmiert um, aber zum Glück war niemand in Hörweite. Genervt sah ich ihn an. Er würde ja doch keine Ruhe geben.

„Na gut, ich wollte ihn belauschen, na und? Ist ja leider nichts Vorteilhaftes bei herumgekommen.“

Das brachte mir wieder mein Dilemma zurück, denn jetzt wusste ich noch immer nicht weiter.

„Was wolltest du denn damit erreichen?“ fragte er und betrachtete mich nachdenklich, als ich stumm blieb.

„Du bist wirklich das Mädchen, das gestern bei der Versammlung so interessante Fragen gestellt hat, stimmts?“

Jetzt grinste er wieder. War das das einzige was er konnte, oder was? Ich nickte trotzig. Plötzlich hatte ich das Gefühl, mich erklären zu müssen.

„Ich habe einfach die ganze Zeit das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt! Ich kann es nicht erklären, aber irgendetwas gefällt mir nicht an Kelly Evans Unfall.“ Ich sagte das in einem Brustton der Überzeugung.

„Ich bin übrigens Liz Anderson, falls dich das überhaupt interessiert.“ sagte ich, weil ich sicher war, dass er meinen Namen nicht kannte, obwohl wir im selben Schwimmkurs waren. Ich verübelte es ihm nicht.

„Freut mich, Liz.“ antwortete Owen. Ich fragte mich, was er jetzt von mir dachte.

Immerhin musste es doch recht seltsam sein, jemandem beim Spionieren in einem Abstellraum zu erwischen.

Andererseits ist es ja wohl noch seltsamer, sich dann einfach dazu zu stellen und mit zu spionieren.

„Und du versuchst jetzt Antworten zu finden?“ fragte Owen nochmal.

Als ich nichts sagte, musterte er mich skeptisch.

„Weißt du eigentlich, dass deine Uniform eine Falte hat?“

Dabei deutete er auf meinen Rock. Ich errötete leicht, zwang mich aber, mich nicht danach umzudrehen.

Den Rock hatte ich bis jetzt fast durchgängig getragen. Wenn es stimmte, dann konnte ich das zu meiner langen Liste von Peinlichkeiten hinzufügen.

Aber mein Stolz ließ das nicht zu.

„Natürlich weiß ich das. Aber das hat auch einen bestimmten Grund.“

„Welchen?“ fragte er fordernd.

„Das verrat ich dir nicht. Es geht dich ja auch nichts an.“ Es war die lahmste Ausrede der Welt.

Um das zu überspielen, musterte ich ihn dieses Mal. Dann wusste er wenigstens, wie sich das anfühlte.

Leider hatte er nirgends auch nur die kleinste Falte.

Erst jetzt viel mir auf, dass er noch seine Trainingssachen anhatte.

Als er meinen Blick sah, seufzte er und sagte:

„Ein Mitspieler hat mir Ärger eingebrockt. Deswegen musste ich zum Direktor.“ Ich nickte.

Es ging mich ja nichts an, aber ich hätte nicht gedacht, dass er sich so schnell in Schwierigkeiten bringen würde. Andererseits kannte ich ihn ja auch nicht besonders gut.

Eigentlich kannte ich ihn gar nicht.

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