Читать книгу Lancaster SCHOOL - Marlie Nea - Страница 9

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-Owen-

Im Aufenthaltsraum herrschte den ganzen Tag eine bedrückte Stimmung.

Es lief keine Musik und die meisten Schüler saßen in Gedanken versunken herum.

Die Psychologen, die unsere Schule organisiert hatte, bekamen eigene Räume im Erdgeschoss.

Offenbar hatten sich mehr Schüler für eine Therapiesitzung gemeldet als ich gedacht hatte.

Ethan hörte Musik über seine Kopfhörer und hatte sich auf der Couch breit ausgestreckt. Seine Körperhaltung sagte genau das, was er dachte: Und zwar, dass die Reaktion der Leute etwas übertrieben war.

Ich sah immer wieder nervös auf die Uhr.

Bald war es sieben und nach dem Dinner würde ich mich mit Jenna treffen. Eigentlich sollte ich nicht nervös sein, aber Ethan hatte mir vorhin alle möglichen und überaus peinlichen Szenarien ausgemalt, weshalb ich mich genervt abgewandt hatte.

Er meinte es nicht böse, ganz im Gegenteil, er versuchte sich selbst abzulenken, um nicht über die Geschehnisse nachdenken zu müssen.

Er war nicht der sentimentale Typ und wollte sich deshalb aus solchen Angelegenheiten heraushalten.

Ich konnte einigermaßen damit um gehen, schließlich kannte ich ihn nicht erst seit gestern. Suchend blickte ich mich um.

Vielleicht war jetzt der Moment, in dem ich mich um Louie kümmern sollte.

Ich hatte ihn seit gestern nicht mehr gesehen. Also rappelte ich mich auf und schlurfte die Treppe hoch.

Oben in dem Aufenthaltsraum der jüngeren Klassen, der in der zweiten Etage lag, fand ich ihn.

Er saß auf einem Stuhl an der Saftbar, die von allen Schülern geliebt wurde, und unterhielt sich mit einem Mädchen.

Ich musterte sie. Sie hatte wie er blonde Haare, bloß, dass ihre lang und zu zwei Zöpfen hinunter geflochten waren. Sie sah nett aus mit ihrer Schleife im Haar.

Louie sah betont gleichgültig im Raum umher und das Mädchen lachte über einen der Witze, die er machte.

Ich verkniff mir das Grinsen und ging auf die beiden zu.

„Hallo Bruderherz.“ sagte ich und klopfte ihm mit einer Hand auf die Schulter, als ich hinter ihm stand.

Erschrocken blickte er sich um und guckte mich ärgerlich an, als er mich erkannte. Das Mädchen musterte mich neugierig.

„Was willst du Owen?“ fragte er genervt. Ich zog belustigt eine Augenbraue nach oben. So behandelt man doch nicht seinen großen Bruder.

„Ich wollte mal sehen, wie es dir hier so geht.“

Louie verdrehte die Augen. „Mir geht es super, kannst du jetzt wieder gehen? Du siehst doch, dass ich mich hier unterhalte.“ Das Mädchen starrte mich an, errötete leicht und sah danach ganz schnell auf ihre Hände.

Ich grinste und betrachtete Louie. Der Junge, der hier vor mir saß, war gänzlich anders als der kindische kleine Bruder, der im Urlaub rumgemotzt hatte, weil er nicht das Eis bekommen hatte, das er wollte.

Jetzt hörte er sich fast schon wie unsere Mutter an, wenn wir sie bei einem Gespräch störten.

Dann fiel mir aber wieder ein, weshalb ich nach oben gekommen war und mein Ausdruck wurde ernster.

„Louie, wegen der Sache heute Morgen… also falls du jemanden zum Reden brauchst…“ begann ich. Das Mädchen merkte offenbar, dass ich versuchte, ein ernstes Gespräch mit meinem Bruder zu führen und sagte: „Dahinten ist Lea, ich wollte sie noch was fragen. Man sieht sich, Louie.“

Daraufhin sprang sie vom Stuhl und lief zu einem Mädchen, das vor einem Computer saß.

Er wartete kurz, bis sie außer Hörweite war, dann blickte Louie mich sauer an.

„Na, schönen Dank auch.“

Ich setzte mich auf den frei gewordenen Stuhl.

„Ich wollte nur wissen, wie es dir geht mit der ganzen Sache, du weißt schon.“ Louie sprang auf.

„Mir geht es gut und ich brauch keinen Babysitter, klar? Nerv´ mich nicht.“

Mit den Worten dreht er sich um und verschwand durch die Tür nach draußen. Ratlos und etwas überrumpelt blieb ich erstmal sitzen. Mit dieser Reaktion hatte ich nicht gerechnet.

Bisher hatte er nie das Gefühl gehabt, sich vor Mädchen beweisen zu müssen. Offenbar wollte er nicht reden, also beließ ich es dabei. Wenn es ihm nicht gut ginge, würde er schon kommen.

Kopfschüttelnd machte ich mich wieder auf den Weg nach unten, mit jeder Menge verstohlener Mädchenblicke auf mir, wie ich feststellte.

Grinsend verließ ich den Aufenthaltsraum.

Jenna wartete schon auf mich, als ich nach dem Dinner den Aufenthaltsraum wieder betrat.

Sie saß in einem Sessel und lächelte mich an, als sie mich sah.

Ihre Haare hatte sie zu einem lockeren Dutt hochgesteckt und sie trug ein Kleid.

Ihre Lederjacke hing ihr locker über den Schultern.

„Hi.“ grinste ich sie an und bot ihr die Hand, um sie hochzuziehen. Sie ergriff sie und gemeinsam machten wir uns auf den Weg aus dem Internat heraus.

„Und was machen wir jetzt?“ fragte ich und blickte zum Tor, das aus dem Schulgelände herausführte. Nach acht Uhr abends durfte man das Internat nicht mehr verlassen, was wirklich nervig war.

Die Regeln der Schule waren streng.

Man durfte sich nicht viele Fehltritte leisten. Einer der Punkte, womit die Lancaster School warb.

Strenges Durchgreifen führe zu makellosem Benehmen, oder irgend so ein Schwachsinn.

Die anderen Dinge, bei denen man sich auf gar keinen Fall erwischen lassen sollte, waren das Rennen auf den Treppen (das hatte mir schon das eine oder andere Mal Nachsitzen eingehandelt) und natürlich und vor allem, das strenge Trennen von Mädchen- und Jungen-Schlafzimmern.

In der Hinsicht war die Schule stark konservativ eingestellt und beim Brechen dieser Regel, war es äußerst leicht zu fliegen.

Deswegen hatte ich sie bisher auch nur im absoluten Notfall gebrochen.

Aber ich bin ziemlich sicher, dass das, was ich als Notfall bezeichnen würde, Direktor Taylor nur ein müdes Lächeln entlocken würde, bevor er mir den Weg zur Tür zeigte.

Jenna war meinem Blick gefolgt, bevor sie sagte: „Wenn wir jetzt verschwinden, kommen wir nachher nicht mehr rein. Lass uns einfach ein bisschen um den See laufen.“

Ich kannte zwar meine Wege, um ungesehen auf das Internatsgelände zu gelangen, aber ich stimmte zu und wir machten uns gemeinsam auf den Weg. Das Flair, das der Burggarten ausstrahlte, konnte mir noch zu Gute kommen, überlegte ich mir verschmitzt. Die Landschaft der Lancaster School war wirklich traumhaft. Es wurden einige Gärtner hier beschäftigt, die sich um den Erhalt des schönen Gartens kümmerten.

Sträucher waren in verschiedene Figuren geschnitten, Blumen wuchsen in dafür abgetrennten Bereichen und alles in allem war stimmig.

Die Zeit verging schnell, während wir den See entlangliefen. Ihn zu umrunden, war natürlich nur umgangssprachlich gemeint, denn er erstreckte sich noch weit außerhalb des Gebietes der Lancaster School.

Als wir wieder am Hauptgebäude ankamen, war es bereits dunkel.

Zwei Stunden später, ließ ich mich gelassen in meine Kissen sinken und stopfte sie hinter mir zurecht, während ich mein Handy aus der Hosentasche zog.

„Ist das jetzt was Festes zwischen euch?“ fragte Ethan neugierig, und ich konnte sein Grinsen beinahe hören.

„Wir werden sehen.“ antwortete ich geheimnisvoll und warf einen Ball gegen den Lichtschalter, so dass es dunkel wurde.

Er fragte nicht weiter nach, eine der Eigenschaften, die ich unglaublich an ihm schätzte, sondern kommentierte nur:

„Treffer.“ Er seufzte.

„Morgen muss ich unbedingt raus und ein paar Snacks einkaufen, echt! Kaum bin ich hier, ernähre ich mich schon wieder viel zu gesund.“

„Jap. Wir brauchen Snacks.“ stimmte ich ihm zu.

Ich fragte mich kurz, ob ich das Thema, dass die ganze Schule dauerhaft beschäftigte, ansprechen sollte, aber ich war mir unsicher. Außerdem fragte ich mich, wie die nächsten Tage wohl ablaufen würden und ob in den nächsten Wochen mit Normalität zu rechnen war.

Bestimmt nicht. Ethan würde den Gesprächen vermutlich sowieso ausweichen, genau wie mein Bruder.

Wieso war ich der Einzige, der darüber reden wollte?

Ein paar Minuten später hörte ich bereits Ethans regelmäßigen Atem und sein leises Schnarchen.

Ich dachte noch lange über Kelly Evans tragischen Unfall bis tief in die Nacht hinein nach. Irgendwie fand ich keinen Frieden mit der Angelegenheit. Vielleicht sollte ich tatsächlich einen dieser Psychologen aufsuchen, aber dann verwarf ich den Gedanken wieder.

Psychologen waren schließlich nur was für Gestörte.

Gegen halb zwei schlief ich endlich ein, nur um mich am nächsten Morgen unausgeschlafen zum Training zu schleppen.

Als ich am Morgen in den Spiegel geschaut hatte, hatten sich deutliche Augenringe von meinem hellen Gesicht abgezeichnet.

Ich hatte ihnen nur einen verächtlichen Blick geschenkt.

Der Coach nahm uns hart ran, denn er nahm keine Rücksicht auf die Vorkommnisse des letzten Tages.

Und dass, obwohl sein Sohn live dabei gewesen war, dachte ich kopfschüttelnd.

Nichtsdestotrotz tat mir das Training gut. Außer Atem rannte ich auf einen der Spieler zu, die der Coach in das gegnerische Team einsortiert hatte.

Er hatte den Ball soeben geworfen und ich fing ihn in der Luft ab.

Schnell rannte ich weiter so gut es ging um die gegnerische Mannschaft herum und bereit, den Ball in ihrem Feld abzulegen, als sich plötzlich ein Arm um meinen Hals legte und mich herunterriss.

Der Ball fiel mir aus den Händen und der Gegenspieler und ich landeten im feuchten Gras.

Was war das denn bitte?!

Sein Arm befand sich immer noch um meinen Hals.

Als wir am Boden lagen, löste er sich endlich und ich röchelte nach Sauerstoff. Der Coach blies laut in seine Pfeife.

Ich richtete mich auf und betrachtete den anderen Spieler.

Es war Aaron Dwayne. Bitte nicht.

„Bist du irre?“ krächzte ich, da meine Stimme noch nicht völlig zurückgekehrt war. „Wolltest du mich umbringen, oder was?“ er richtete sich auf und sagte aufgebracht: „Ich habe überhaupt nichts gemacht! Du hast mich einfach gewürgt!“

Ich konnte nicht fassen, wie dreist Aaron log. Er war ein ekelhafter Typ, der schon oft Ärger provoziert hatte.

Bisher war ich nie seine Zielscheibe gewesen und ich hatte keine Ahnung, wieso er beschlossen hatte, dass sich das ändern sollte.

„Du hast sie wohl nicht mehr alle!“ rief ich und hörte wie der Coach sich laut pfeifend seinen Weg durch die Spieler, die um uns standen, bahnte.

„Dwayne! Smith! Auseinander mit Ihnen!“ rief er, doch Aaron griff unauffällig meinen Fuß als ich aufstehen wollte, und sorgte damit dafür, dass ich nochmals hinfiel.

Jetzt reichte es mir und ich warf mich ärgerlich auf ihn.

Er schlug mich zuerst und sorgte mit einer gut platzierten Faust in den Magen dafür, dass sich mein Frühstück nochmal gut durchmischte.

Aber, was er konnte, konnte ich auch.

Der Coach war inzwischen wütend und riss die gaffenden und johlenden Jungs, die uns zuschauten, auseinander und stürmte auf uns zu.

Dann zog er uns mithilfe von Ethan, der mich festhielt, und zwei anderen Jungen, die Aaron zurückhielten, auseinander.

„Sind Sie beide komplett wahnsinnig geworden?“ brüllte er uns an.

„Auf meinem Feld wird sich nicht geprügelt, ist das klar?“ Wir beide nickten widerwillig.

Ich betrachtete Aaron mit blitzenden Augen, aber der brachte es fertig, mit einem Mundwinkel noch zu grinsen.

Das hätte er lieber lassen sollen. Der Coach sah es und das brachte ihn endgültig auf die Palme.

„Sie haben also noch die Frechheit, das Ganze lustig zu finden? Dann wird Ihnen ein Besuch beim Direktor mit Sicherheit auch Spaß machen!“

Ich versuchte ein schadenfrohes Grinsen zu unterdrücken, was mir jedoch offenbar nicht gelang, denn in der nächsten Sekunde verkündete der Coach: „Und Sie begleiten ihn!“

Mit einem Nicken in meine Richtung machte er deutlich, dass er mich meinte. Ich wollte protestieren, riss mich dann aber noch zusammen.

„Mach jetzt lieber nichts.“ raunte Ethan leise und ich machte mich auf den Weg zum Direktor, gemeinsam mit Aaron und dem Coach, der das Training für den restlichen Tag abblies.

Oben im Büro des Direktors standen Aaron und ich vor dem großen Schreibtisch dem Schulleiter gegenüber, während Coach Stevenson die Lage schilderte.

Direktor Taylor blickte ärgerlich zwischen uns hin und her. Ich schaute nahezu unbeteiligt aus den großen Fenstern hinter dem Schreibtisch hinaus.

Ich versuchte mir meinen Ärger nicht anmerken zu lassen, schließlich hatte ich den Streit nicht provoziert.

Zum Glück hatte der Coach das auch erkannt. Nachdem er seine Erklärung beendet hatte, seufzte der Direktor:

„Glauben Sie beide, dass ich im Moment noch mehr Ärger brauche? Es reicht wohl noch nicht, dass Ihre Mitschülerin tot aufgefunden wurde, was?“ erschöpft ließ er sich auf seinen Stuhl fallen.

„Sie sind keine Kinder mehr, die nach Lust und Laune herumtollen können! Begreifen Sie endlich, dass längst der Ernst des Lebens begonnen hat, meine Herren! So etwas möchte ich nicht noch einmal erleben. Aber dieses Mal lass´ ich noch Gnade vor Recht ergehen, da alle unter den gegebenen Umständen etwas aufgewühlt sind.“

So schlimm es auch klingt, aber in dem Moment konnte ich Kellys Tod etwas Gutes abgewinnen. Wir wurden dieses Mal noch verschont.

Am Ende seiner Strafpredigt wurde uns verkündet, dass wir, wenn wir nochmal auffällig werden würden, aus dem Team ausgeschlossen werden müssten.

Danach wurde von uns verlangt, dass wir uns die Hand gaben. Widerwillig und mit zusammengebissenen Zähnen brachte ich es über mich, wobei ich Aaron sein falsches Grinsen am liebsten aus dem Gesicht gewischt hätte.

Als wir endlich gehen durften, kassierte ich noch einmal einen warnenden Blick des Coaches.

„Sie müssen sich zusammenreißen! Haben Sie das verstanden? Wir können es uns nicht leisten, Sie aus unserer Mitte zu verlieren.“

„Ich weiß. Es tut mir leid.“ Ich versuchte, mich nicht nochmal zu rechtfertigen, denn Coach Stevenson wusste, wer schuld war.

Daraufhin folgte er Aaron Dwayne auf den Flur, der sich längst davon gemacht hatte.

Ich überlegte, wohin ich jetzt gehen sollte, schließlich war das Training vorbei.

Als ich mich gerade nach rechts wandte, traute ich kurz meinen Augen nicht.

In der Sekunde sah ich das Mädchen, das mir bei der Versammlung bereits aufgefallen war. Ich erkannte sie an ihrem braunen, geflochtenen Zopf und dem Rock, in dem noch immer diese auffällige Falte war.

Warum sagte ihr das den niemand?

Sie öffnete gerade die Tür, die direkt neben dem Büro des Schulleiters lag, und verschwand heimlich darin.

Die Tür ließ sie hinter sich zu fallen. Perplex blieb ich stehen.

Was machte sie denn da drin?

Kurz wartete ich, ob sie gleich wieder herauskommen würde, doch das geschah nicht.

Als ich mich der Tür näherte, bemerkte ich, dass sie aus hellem Holz war und ziemlich unauffällig. Das musste eine der Besenkammern sein, die früher ganz normal gewesen waren.

Jetzt war es vermutlich mehr ein Abstellraum für Geräte oder Putzmittel, die keiner mehr brauchte.

Das klärte aber noch lange nicht die Frage, was das Mädchen darin zu suchen hatte.

Ohne groß weiter darüber nach zu denken, öffnete ich die Tür und folgte ihr in den engen Raum.

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