Читать книгу Bogdansky - Martha Mohr - Страница 11

Träume

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Manchmal beschleicht mich so ein, beängstigendes Gefühl, wenn ich nach getaner Gartenarbeit völlig fertig bin und so ungefähr jeden zweiten Knochen meines Körpers spüre. Es könnte, es wird irgendwann der Tag kommen an dem ich mich nicht mehr so im Garten austoben kann, der Tag an dem mir Gartenarbeit zur Last wird und ich mich mit einem Gang durch den Garten begnügen muss.

„Verschieben, wegschieben. Ok, danke für den Tipp Bogdansky. Ist dieser Tipp nicht ein bisschen einfältig? Hast du keine bessere Idee? Ich soll immer nur an den morgigen Tag denken und meine Kräfte sinnvoller einsetzen und sie nicht an solche unnützen Gedankenspielereien verschwenden. Bogdansky, ich schiebe sie besser doch weg.“

Andererseits träume ich manchmal davon ans Meer zu ziehen, Hühner zu halten und mit einem Hund, den ich mir schon lange wünsche, jeden Tag am Strand entlang zu laufen. Jeden Tag das Meer sehen, riechen und fühlen zu können wäre wunderbar. Einfach noch einmal etwas ganz, ganz Neues anfangen, an einem anderen Ort ein neues Leben beginnen. Das wäre eine echte Herausforderung und meiner Kreativität wären keine Grenzen gesetzt.

Ich liebe das Meer, obwohl ich auch großen Respekt vor diesen riesigen Wassermassen und der Tiefe habe und keine überzeugende Schwimmerin bin. Ich kann nicht mal tauchen. Meine Kinder und auch die Enkelkinder und nicht zu vergessen mein Mann haben sich redlich Mühe mit mir gegeben. Außer Lacherfolgen habe ich nichts erreicht. Vielleicht probiere ich es noch einmal. Am besten gefällt mir die französische Atlantikküste mit ihren weiten Stränden und dem ungestümen Atlantik. Ich könnte mich aber auch mit Nord- oder Ostsee begnügen.

Wir könnten nach Australien umsiedeln. Das ist nicht einmal so abwegig, denn unser Sohn wohnt dort mit seiner Familie. Ich könnte unseren jüngsten Enkel täglich sehen, ihn hüten, mit ihm am Strand spazieren gehen, denn sie wohnen unmittelbar am Meer. In den sieben Jahren, die sie dort leben, haben wir sie dreimal besucht und ich könnte mir gut vorstellen, längere Zeit in ihrer Nähe zu verbringen.

„Das Klima in und um Melbourne ist ok Bogdansky. Selbst wenn es so richtig heiß ist, kann man die Hitze besser ertragen als unsere meistens total schwüle Wärme. Mein Kreislauf hat sich bestens benommen als wir dort waren. Nett, dass du so aufmerksam und fürsorglich bist. Ich habe doch erst morgen Geburtstag.“

Wir vermissen die drei Australier sehr, auch wenn wir häufig skypen können und auch wenn sie einmal jährlich angeflogen kommen. Verlockend wäre eine Umsiedlung schon. Vielleicht, obwohl das momentan nicht so aussieht, kehren sie bald wieder in die Heimat zurück. Vielleicht, aber sie wissen es selbst noch nicht. Sie fühlen sich einfach zu wohl in diesem fernen Land.

„Ich soll mir meine Träume erfüllen und nicht so feige und unentschlossen sein. Wenn das so einfach wäre, Bogdansky. Allein der Gedanke an all die Dinge, die unser Haus füllen, die sich angesammelt haben im Laufe von 40 Jahren, die aussortiert und entrümpelt werden müssten, lässt meinen Elan schrumpfen. Ganz zu schweigen von all den lästigen Behördengängen, die notwendig wären. Es erfordert viel Kraft und Willen, sodass ein solches Unternehmen wahrscheinlich ein zu hoher Berg ist, den wir wohl nicht mehr erklimmen können. Außerdem habe ich meinen Mann noch nicht interviewt. Er ist realistischer als ich und unsere Töchter mit ihren Familien wohnen ganz in der Nähe. Dann würden wir sie alle furchtbar vermissen. Vielleicht ist auch unsere verbliebene Lebenszeit viel zu kurz, um Wünsche dieser Art verwirklichen zu können. Vermutlich hast du Recht, wir sollten ohne Rücksicht zu nehmen auf dies und das, tun was wir wirklich möchten. Doch das ist schnell gesagt und gut gemeint, doch die Verwirklichung erfordert eine ziemlich große Portion Mut und irgendetwas würde immer fehlen. Irgendwen würden wir immer vermissen. Na gut, ich bin feige. Das letzte Wort ist auch noch nicht gesprochen. Ich kann weiter träumen, denn ohne Träume funktioniert das Leben nicht, meins jedenfalls nicht. Ich muss planen, wünschen und träumen können. Es funktioniert bestens, wenn ich mein Alter nicht berücksichtige. Selbstbetrug. Na und? Selbstverwirklichung ist das Zauberwort. Ja Bogdansky, ein interessantes Wort mit bedeutsamen Hintergrund.“

Wie gut kennen wir uns eigentlich, unsere eigene Person, unsere Wünsche, unsere Bedürfnisse und unsere Fähigkeiten? Einige Menschen wissen sehr früh ziemlich genau was sie wollen, welchen Weg sie gehen möchten. Sie sind zielstrebig und lassen sich nicht auf Experimente ein. „Ja, Bogdansky, du könntest so ein Mensch sein.“ In der Realität sind es aber nur wenige, die ihre Neigungen und Fähigkeiten so früh entdecken. Ich gehöre nicht dazu, auch meine Kinder hatten es mit der Berufswahl nicht leicht, sie hatten alle drei kein bestimmtes Ziel und haben einige Zeit benötigt für ihre Entscheidung. Inzwischen sind sie glücklich damit, aber ihr größtes Glück ist ihre Familie. Herauszufinden oder herausfinden zu lassen, wozu jemand geeignet ist und was ihn glücklich machen könnte, kann sich durchaus über einen längeren Zeitraum hinziehen. Irgendwann im Laufe seines Lebens entdeckt aber beinahe jeder ein Talent an sich und versucht es dann in Form eines Hobbys zu verwirklichen. Andere begnügen sich nicht mit einem Hobby. Sie suchen die Selbstverwirklichung in neuen Berufen, neuen Ehen oder sie steigen aus. Dazu gehören Mut, Egoismus und das Ausschalten jeglicher empathischer Gefühle, denn häufig hinterlassen sie einen Scherbenhaufen. Glück und Zufriedenheit sehen für jeden von uns anders aus. Wir müssen es nur herausfinden.

„Richtig, ich habe mich für die kleinere Variante entschieden, nein, nicht weil ich feige bin oder kein Selbstvertrauen habe, sondern, weil ich glücklich und zufrieden bin mit dieser Lösung und weil ich Scherbenhaufen hasse. Bogdansky, du nervst.“

Bogdansky

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